“Ich kann nicht türkisch kochen“, sagt der türkische Koch. Die türkische Küche sei zu vielfältig. Aber als er Kind war, aßen er und seine Großeltern „schön schleimigen“ Mais und getrocknete grüne Bohnen, „wie beim Kaffee, die Bohnen müssen erst geröstet werden, schmeckt dann viel besser“. Bauernessen sagt er dazu.
Essen nach den Regeln des Halal (auch: Helal) ist ihm wichtig. „Bevor wir zu Hause mit dem Essen beginnen, sagen wir mindestens bismillah.“ Der älteste am Tisch beginnt, die anderen antworten. Anders als bei Christen reicht es nicht, das Tischgebet still im Kopf zu sagen. „Wir wollen uns damit auf das Essen konzentrieren!“ Das klingt ein wenig nach Achtsamkeit, die in letzter Zeit in Mode gekommen ist. Aber der türkische Koch schüttelt spöttisch den Kopf.
„Wir essen keine Muscheln, weil sie keine Gräten haben. Wir essen kein Schwein, weil es im eigenen Dreck lebt. Deshalb esse ich in Deutschland auch keine Gummibärchen, in der Türkei schon.“ Vegetarier verstehen den letzten Satz sofort. In Gummibärchen wird Gelatine verarbeitet und die ist aus Schweinefleisch hergestellt. „Aber in der Türkei bekommt man Gummibärchen ohne Gelatine.“ Gegessen werden dürfen Wiederkäuer also Schaf oder Lamm, Rind, Wild – aber kein Pferd.
Ein schwieriges Thema in Deutschland ist das Schächten. Aus Sicht von Tierschützern heißt Schächten vor allem das Schlachten ohne Betäubung. Für Juden und Muslime heißt Schächten vor allem Ausbluten. „Dem Tier werden die Augen verbunden, es geht auf die Knie und dann fließt das Blut durch eine Rinne ab. Wir nennen es das Blut gießen lassen.“ In einer Großschlächterei wird es wahrscheinlich anders zugehen. Wichtig ist dem türkischen Koch, dass das Schächten ein Ritual ist, bei dem Dankbarkeit gezeigt wird. „Man zeigt seine Dankbarkeit, dass das Tier sein Leben für uns hergibt“.
Halal heißt für den türkischen Koch, dass man nicht „frisst wie ein Tier“. Aber Halal sind für ihn nicht einfach nur Essensregeln aus dem Koran. Halal ist ein Baustein im muslimischen Glauben, zwischen Fard (Pflicht) und Haram (Verbot). „Helal heißt erlaubt“, sagt er.
Der türkische Koch, der lieber anonym bleiben möchte, lebt seit 25 Jahren im Wedding. Im Alter von 16 Jahren kam er nach Berlin-Wedding, obwohl er viel lieber bei seinen Großeltern in Istanbul geblieben wäre. Sein Eindruck damals von Berlin, von Deutschland? „So ein stilles Land. Und wer lächelt, wird für verrückt gehalten.“ Er kocht seit einigen Jahren in einem kleinen Restaurant im Stadtteil.
Der Text ist im Kiezmagazin “Soldiner” im März 2015 erschienen. Der Weddingweiser kooperiert mit dem Projekt und übernimmt ausgewählte Beiträge. Redaktionsblog: www.dersoldiner.wordpress.com
Text: Andrei Schnell, Foto: Dominique Hensel