Das Afrikanische Viertel im Wedding ist ein Ort mit Geschichte – und seit einigen Jahren auch ein Beispiel für eine neue Art des Erinnerns. Hier befinden sich nicht nur die bekannten kolonialen Straßennamen, sondern auch das größte Flächendenkmal Deutschlands, das den Umgang mit der kolonialen Vergangenheit thematisiert.
Was kann man sehen?
Auf dem Manga-Bell-Platz (ehem. Nachtigalplatz) befindet sich ein ungewöhnliches Denkmal. Das Kunstwerk trägt den Titel "Statue of Limitations" und wurde vom Künstler Kang Sunkoo geschaffen. Es besteht aus zwei Teilen, die eine Trauerbeflaggung darstellen sollen: Die untere Hälfte befindet sich im Humboldt Forum, während die obere Hälfte temporär auf dem Manga-Bell-Platz (südwestl. Seite) installiert wurde.
Ein Kulturprojekt mit Vision: Dekoloniale
Seit 2020 läuft das Kulturprojekt "Dekoloniale – Erinnerungskultur in der Stadt", das sich kritisch mit Deutschlands Kolonialgeschichte auseinandersetzt. Ziel ist es, nicht nur die Verbrechen des Kolonialismus zu benennen, sondern auch die Geschichten und Widerstände der Betroffenen sichtbar zu machen.
Im Rahmen der Ausstellung "Dekoloniale – was bleibt?!" präsentiert der Künstler Tonderai Koschke eine künstlerische Arbeit auf dem Bahnsteig des U-Bahnhofs Afrikanische Straße. Sie ist Teil einer dezentralen Ausstellung, die an verschiedenen Orten in Berlin stattfindet und die Verstrickung der Stadt in die globale Kolonialgeschichte thematisiert.
Straßennamen mit Kolonialbezug im Wedding
Auch sonst ist das Afrikanische Viertel ein Paradebeispiel: Hier wurden Straßen, die einst nach Kolonialverbrechern benannt waren, umbenannt. Heute erinnern sie an Widerstandskämpfer:innen wie Rudolph und Emily Duala Manga Bell, Cornelius Fredericks, Anna Mungunda oder die Maji-Maji-Kämpfer:innen. Der skandalgeplagte Umbenennungsprozess markiert eine Wende in der Berliner Erinnerungskultur.
Auch im Sprengelkiez finden sich Straßennamen mit kolonialem Bezug, wie der Pekinger Platz, die Samoastraße und die Kiautschoustraße. Diese Namen erinnern an Orte, die einst Teil deutscher Kolonialgebiete oder von kolonialen Ansprüchen betroffen waren. Im Rahmen der Dekolonialisierungsbemühungen wird darüber diskutiert, wie mit diesen Straßennamen umgegangen werden soll.
Veranstaltungstipp: „Wege des Erinnerns“ – Rundgang im Afrikanischen Viertel
Am 21. Dezember 2024 führt der tansanische Aktivist Mnyaka Sururu Mboro durch das Afrikanische Viertel. Als Mitbegründer von Berlin Postkolonial wird er die Bedeutung der Umbenennungen erläutern und über die Neugestaltung der Erinnerungskultur sprechen.
📍 Treffpunkt: Ausgang U-Bahnhof Afrikanische Straße/Ecke Swakopmunder Straße
🕐 Zeit: 13:00 – 15:00 Uhr
💵 Kosten: 12 Euro (ermäßigt: 5 Euro, Kinder unter 6 Jahren frei)
Tickets sind vorab online erhältlich. Wetterfeste Kleidung wird empfohlen, da der Rundgang im Freien stattfindet.
Schön, dass einem zu Afrika mal was anderes eingefallen ist, als die Bilder wilder Tiere, die sonst den U-Bahnhof Afrikanische Straße bevölkern. - obwohl.. Immer noch keine Bilder von Menschen, und die Zebras...
Nur kurz skizziert: Es mag so manchen überraschen, es gibt einen Unterschied zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Daraus folgt, die Taxierung der Geschichte nach gegenwärtigem moralisch-ethischem Zeitgeist ergibt keinerlei Erkenntnisgewinn. Lernen läßt sich daraus ohnehin nichts. Erst durch die vergleichende Darstellung etwa zeitgleicher Ereignisse lassen sich Unterschiede/Abnormitäten im Handeln der Ahnen herausarbeiten. Wer sich daraus folgernd rasch zu Bewertungen hinreißen läßt, bewegt sich dennoch auf dünnem Eis. Es ist gleich, ob Straßen, die an deutsche Kolonialherren/Kolonialgebiete erinnern, umbenannt werden, oder ob Statuen von Robert E. Lee der Garaus gemacht wird, stets zeigt sich bei den Akteuren ein weitgehend simplifiziertes Weltbild nebst einem Unverständnis für Vergangenheit. Was geschieht, wenn europäische Neuzeit auf afrikanische/amerikanische Steinzeit trifft? Was ist die wahrscheinliche Folge? Wie ist es zu bewerten, wenn höchst archaisch organisierte afrikanische Raubstaaten der Nachfrage nach transatlantischem und arabischem Sklavenhandel nachkommen? War das Schicksal der Unterworfenen verwunderlich, empfanden diese ihr Dasein als sachwertes Eigentum als widernatürlich? Wurde die Sklavenhaltergesellschaft der Antike als verwerflich angesehen oder die Leibeigenschaft, die bis ins 19. Jahrhundert überdauerte? Koloniale Protagonisten, die heutzutage kein Mensch mehr kennt, mit Acht und Bann zu belegen, ist wahrlich keine Heldentat, eher wohlfeiles, gefahrloses Wechseln der Seiten. Es ist der zugespitzte Ausdruck eines Kampfes gegen die eigene kulturelle Identität. Letztendlich bleibt die Entsorgung unschöner Vergangenheit doch nur das Bemühen, sich der Schuld und Verantwortung zu entziehen im Sinne von „seht her, wir sind besser“. Das Völkerrecht kennt aber anders als das BGB keine „beschränkbare Erbenhaftung“.
Und wenn Mnyaka Sururu Mboro an meinem Geburtstag bei seiner Führung an der Togostr. 77 vorbei geht, soll er bitte einen Gruß von mir dalassen, das ist mein Geburtshaus. Geboren 1949, bin ich da aufgewachsen. Die Bedeutung der Straßennamen habe ich erst viel später begriffen, in der Schule wurde es mit keinem Wort erwähnt.