Dieser Artikel beginnt bereits mit einer kleinen Lüge, denn Victor Ankobea ist nicht nur Schneider, sondern eigentlich Schnitttechniker, aber dazu später mehr. Wenn man die laute Seestraße verlässt, in die Lüderitzstraße biegt und Richtung Himmel guckt, dann sieht man Wimpel im Wind flattern. Akkurate, bunte Dreiecke, welche über die gesamte Straßenbreite gespannt sind. Der Wind spielt mit ihnen. Es sind die Überbleibsel des Straßenfestes im Sommer 2018. Mitorganisiert von Victor Ankobea. Verankert und wohnhaft im Kiez und Inhaber des Ladens Vianko Mode seit 2004.
Aber auch hier bläst der Gegenwind der Mietindustrie immer stärker. Ankobea muss zum Ende des Monats raus aus seinem Laden. Es sind immer die gleichen Textbausteine, die man hier einfügen könnte: Haus wurde verkauft, Gewerbemiete wird erhöht, zu Preisen die unbezahlbar sind. 500€ mehr wären gern gesehen. Unbezahlbar und unrealistisch – Ankobea glaubt, dass es eher ein Alibi-Angebot gewesen ist, als dass es je zu einem Abschluss gekommen wäre. Aber selbst wenn, die neue Miete wäre sowieso viel zu hoch. Architekten und Bauarbeiter waren auch schon da, um zu gucken, wie man den Laden umbauen kann. Es gibt Pläne, welche, kann man nur vermuten. Es sind aber keine Pläne, in denen Leute und Geschäfte wie das von Ankobea eine Chance haben.
Eine Kundin aus Tempelhof ist ebenfalls gerade im Laden, bei einer Fahrradtour hat sie den Laden das erste Mal entdeckt, das war vor 5 Jahren. Nun hat sie einen kostbaren Stoff aus Indien, der ihr von einer Reise mitgebracht wurde und etwas Anpassung benötigt. Als Schnitttechniker kein Problem, denn die Ausbildung zum Schneider ist obligatorisch. Viele nennen sich Designer, sagt Ankobea. Stars, die ihren Namen für eine Modelinie hergeben. Aber mehr als ihren Namen tragen sie auch nicht bei. Das große Ganze aber, die Technik, die Schnittskizzen nicht nur umsetzten, sondern auch anfertigen und verstehen für die perfekte Passform, das kann man damit noch lange nicht.
Fakt ist: Er muss raus, er passt nicht ins Portfolio. Er hofft seine Sachen erst mal bei einer Freundin lagern zu können und Räumlichkeiten in der Nähe zu finden. Was soll er in Mitte oder Charlottenburg? Das sind andere Preise. Nicht nur die Miete, auch seine eigenen Preise würden gar nicht mehr mit seinen Kunden harmonieren. Mit etwas Glück hat er noch die Option auf eine Räumlichkeit in der Nähe, aber spruchreif ist das alles noch nicht. Wer also jemanden kennt, der jemanden kennt. Man kennt das ja…
Die Tür zu Victor Ankobeas Laden geht zu. Der Wind spielt unbeirrt mit den Wimpeln. Wenn man genau hinschaut, dann sind diese gar nicht so bunt wie am Anfang wahrgenommen, die Sonne hat sie über die Monate ausgeblichen. Und das Gefühl wird stärker, dass auch diese Stadt mehr und mehr ausbleicht. Langsam. Aber beständig.
Wenige Tage zuvor war eine Redakteurin der taz ebenfalls bei Viktor Ankobea. Hier der Artikel.
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Direkt am U‑Rehberge (Müllerstraße 70 oder 70b Ladengeschäft EG) Vermietung über die Degewo. Sehr schöner Laden inkl. Kellerraum
Zwischen den Haltestellen Rehberge und Afrikanische Straße auf der Müllerstraße gibt es Geschäftsflächen, die leer stehen.