Nun ist es beschlossene Sache: Die drei umstrittenen Straßennamen im Afrikanischen Viertel werden durch neue Namen ersetzt, so hat die Bezirksverordnetenversammlung entschieden. Für den Nachtigalplatz und die Lüderitzstraße sind die Namen Bell-Platz und Cornelius-Fredericks-Straße vorgesehen. Für die Petersallee sind sogar zwei neue Namen beschlossen worden. Der Westteil soll Maji-Maji-Allee, der Ostteil Anna-Mungunda-Allee heißen.
SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke, die im Bezirk eine Mehrheit haben, haben ihr Wahlversprechen eingelöst und wollen den umstrittenen Namensgebern die Würdigung durch eine Straßenbenennung entziehen. Schon seit vielen Jahren standen die Namenspaten Gustav Nachtigal, Adolf Lüderitz und Carl Peters in der Kritik. Sie galten als Wegbereiter oder Protagonisten des deutschen Kolonialismus in Afrika, der kaum mehr im Gedächtnis der meisten Deutschen geblieben ist. Über zehn Jahre lang schwelte der Streit, der nun ein vorläufiges Ende zu haben scheint.
Was nicht glatt lief
Die betroffenen Anwohner haben in dem Verfahren immer wieder mangelnde Bürgerbeteiligung beklagt. Der Bezirk verweist darauf, dass im Vorfeld 2.800 Anschreiben an alle Bewohner der betroffenen Straßen versandt wurden. Anschließend gab es einen öffentlichen Aufruf, bei dem Vorschläge eingereicht werden konnten. Das Verfahren, wie eine geheim tagende Jury daraus sechs Favoriten herausarbeitete, erwies sich jedoch als intransparent. Im letzten Mai gab diese Jury ihre Vorschläge bekannt, die auf breite Kritik stießen. Denn darunter war eine Afrikanerin, die ihr eigenes Volk als Sklaven verkaufte. Das verkehrte die ursprüngliche Absicht, Opfer statt Täter zu würdigen, ins Gegenteil und geriet zu einem bundesweit beachteten Skandal. Danach wurde beschlossen, das Verfahren noch einmal neu zu starten, mit dem Unterschied, dass nun Wissenschaftler im Auftrag der im Bezirksparlament vertretenen Parteien auf tragfähige Namensvorschläge achten sollten.
Auch die von einer Umbenennung finanziell besonders betroffenen Geschäftsleute hatten sich an den Petitionsausschuss des Abgeordnetenhauses gewandt. Dieser teilte den Beschwerdeführern am 24.11.2017 mit, dass eine Anwohnerbeteiligung gesetzlich gar nicht vorgesehen sei. Was ebenfalls vielfach als bürgerfern kritisiert wurde: Die Informationsveranstaltung am 1. März, in der die zur Auswahl stehenden Namen erläutert wurden, fand fernab des Afrikanischen Viertels im Rathaus Tiergarten statt.
Ende gut, nicht alles gut
Noch ist das letzte Kapitel nicht aufgeschlagen. Denn selbst nach dem Beschluss des Bezirksparlaments ist nicht sicher, ob der Kompromiss am Ende überhaupt in Kraft treten kann. Nach der überraschenden Einigung auf die vier Namen für drei Straßen ist nicht klar, ob die 1986 in Bezug auf den Politiker Hans Peters umgewidmete Petersallee überhaupt einen neuen Namen erhalten darf. Nicht zuletzt dadurch ist die Straßenumbenennung anfällig für Anwohnerklagen, zu denen unter anderem die Initiative Pro Afrikanisches Viertel ermutigen möchte. Auf große Akzeptanz bei den Betroffenen stoßen die neuen Namen angesichts der fehlenden Bürgerbeteiligung nämlich nicht. Und dass die Anwohner sich nicht ernstgenommen fühlen, war von Anfang das größte Problem.
Bell: Rudolf Doula Manga Bell (1873−1914), König der Duala im heutigen Staat Kamerun, der sich mit seiner Ehefrau Emily gegen die Kolonialherrschaft auflehnte.
Cornelius Fredericks: der 1907 gestorbene Anführer des Widerstands des Nama-Volks im heutigen Namibia
Anna Mundunga: Die Angehörige der Herero (1932−1959) war die erste Frau in Namibia, die die Unabhängigkeitsbewegung unterstützte.
Maji-Maji: Beim gleichnamigen Aufstand von 1905 – 1907 erhob sich die einheimische Bevölkerung im Süden Deutsch-Ostafrikas gegen die deutsche Kolonialherrschaft.
[osm_map_v3 map_center=“52.5535,13.3421” zoom=“15” width=“100%” height=“450” ]