Am Tag des guten Lebens gehören die Straßen und Plätze des Kiezes für einen Tag den Anwohnerinnen und Anwohnern. Die Straßen sollen an diesem Tag frei von Autos, dafür aber voller Leben sein. Im Sommer 2019 ist es auch im Wedding soweit: Der Tag des guten Lebens wird im Brüsseler Kiez gefeiert. Bereits jetzt beginnen die Vorbereitungen für einen ganz besonderen Sonntag im Juni 2019.
Die Aktion wird seit 2012 in verschiedenen Kölner Quartieren erfolgreich umgesetzt und wurde 2017 unter 1.300 Bewerbern mit dem Ersten Deutschen Nachbarschaftspreis vom Bundesinnenminister ausgezeichnet. Der Initiator und Projektentwickler Davide Brocchi aus Köln hat nun angeboten, die Umsetzung des Konzeptes im Brüsseler Kiez zu unterstützen und arbeitet daran bereits seit einem Jahr. In seinen Augen hat der Kiez große Potentiale: Die soziale und kulturelle Vielfalt gehören dazu genauso wie die Präsenz einer Hochschule und einer Bibliothek.
Das passiert an diesem Tag
Am Sonntag, den 07. Juni 2019 sind im Brüsseler Kiez alle Straßen autofrei, zum großen Teil auch ohne geparkte Autos, und werden in einen Freiraum bzw. Gemeinschaftsraum umgewandelt, in dem jede Nachbarschaft die eigenen Konzepte des „Guten Lebens“ umsetzen und erleben kann. Alle Aktionen sollen nur unter der Bedingung stattfinden, dass jede Nachbarschaft im Voraus gemeinsam das Programm für die eigene Straße (oder einen Straßenabschnitt) diskutiert und konzipiert.
Wie in einer Wohngemeinschaft soll es gemeinsame Räume auf der autofreien Straße geben („da können unsere Kinder den ganzen Tag frei spielen“, „das ist das gemeinsame ‚Esszimmer‘ der Nachbarschaft, wo wir an einem langen Tisch zusammen frühstücken können“) und individuelle Räume („da sollen ältere Menschen die Ruhe genießen, dort dürfen junge Menschen Party machen“). Was das Gute Leben ist, wird nicht vorgegeben, sondern muss jede Nachbarschaft für sich selbst im Dialog herausfinden.
Die Anwohner bestimmen selbst
Die Besonderheit dieses Konzeptes ist, dass die Anwohnerschaft nicht nur über solche Fragen redet, sondern die Möglichkeit bekommt, gemeinsame Antworten in einem breiten, öffentlichen Freiraum gestalterisch, spielerisch und kreativ umzusetzen, nämlich am „Tag des guten Lebens“. Die zweite Voraussetzung ist, dass nichts verkauft und gekauft werden darf. Die „Schenk-Ökonomie“ dient einer vertrauten Atmosphäre in der Nachbarschaft und senkt dauerhaft die Hemmschwelle zum Miteinander-Teilen (nicht nur von Werkzeugen, sondern auch von Verantwortung und Solidarität).
Eine Gruppe von Personen aus dem Kiez bereitet zurzeit ein großes Nachbarschaftstreffen vor. Über Aushänge im Kiez und die Facebookseite Brüsseler Kiez – Tag des guten Lebens wird die Anwohnerschaft im Laufe der nächsten Wochen über Ort und Zeit informiert und zu dem Treffen eingeladen.
Bei dem Nachbarschaftstreffen wird das Grundkonzept des „Tag des guten Lebens“ vorgestellt. Im Versammlungsraum werden dazu etliche Tische platziert, auf denen der Name einer Straße und/oder eines Platzes stehen. Die Menschen, die am gleichen Platz oder an der gleichen Straße wohnen, lernen sich hier kennen und bilden den Kern einer Nachbarschaft. Die Nachbarschaften werden später durch ein oder zwei Personen in einem „Kiezrat Brüsseler Kiez“ vertreten. Die Hälfte des Kiezrates wird durch diese Nachbarschaftsvertretung besetzt, die andere Hälfte durch die Vertretung von gebündelten Interessen und des „Sachverstandes“ (Initiativen, Schulen, Kirchen, Kultureinrichtungen, lokales Gewerbe). Der Kiezrat bestimmt den Prozess, stellt Förderantrage und bildet eine Managementgruppe für die Umsetzung des „Tag des guten Lebens“. Er wird durch einen Trägerverein gestützt, sodass ein Girokonto eingerichtet werden kann und Verträge unterschrieben werden können.
Nächstes Treffen
Interessierte sind herzlich dazu eingeladen vorbeizuschauen. Damit der „Tag des guten Lebens“ 2019 im Brüsseler Kiez stattfinden kann, sollen so viele Anwohnerinnen und Anwohner wie möglich erreicht werden. Denn sie sind es, die diesen Tag gestalten.
Text: Lea Gröger