Eckkneipen sterben einen langsamen Tod, auch im Wedding. Sei es eine Mieterhöhung, fehlende Nachfolger, die schwindende Kundschaft oder eine aus der Zeit geratene Optik: Ob eine traditionelle Kneipe heutzutage eine Überlebenschance hat, hängt von vielen Faktoren ab. Der Wirt Oliver Gottwald bringt viel Energie auf, um aus einem alteingesessenen Lokal das zu machen, was es früher buchstäblich an fast jeder Ecke gab: eine richtig gemütliche Kiezkneipe mit Charakter.
„In das Lokal habe ich mich sofort verliebt“, sagt der 49-jährige Ur-Berliner. Sein Kumpel Jens hatte das Union Eck bei Petra in der Ofener Straße übernommen und ihm diesen Ort gezeigt. „Ich bekam beim Anblick des Zustands erst mal einen Schreck“, erinnert sich Oliver. Da sich der gebürtige Neuköllner selbst als Kneipengänger bezeichnet, sah er gleich Änderungsbedarf: „Hier war es richtig ungemütlich, es hatte einfach keine Atmosphäre.“ Dabei gibt es in Berlin doch eine gewachsene Kneipenkultur, und es versetzt Oliver einen Stich ins Herz, dass diese langsam verloren geht.
Jetzt muss das alles Leben bekommen
Oliver wurde Mitbetreiber des Lokals und machte sich an die Arbeit. Der alte Teppich wurde herausgerissen, die grünen Wände wurden neu gestrichen, der Billardtisch flog heraus. „Wir fingen bei Null an“, erinnert er sich. „Wichtig ist: das Alte soll bewahrt werden, kein Stammgast muss sich neu zurechtfinden“, sagt er. „Aber etwas Neues kommt hinzu, das Kultur in diese Kneipe bringt.“ Aus dem Union Eck (der Name kam vom Dortmunder Union-Pils), Petra ist inzwischen auch verstorben, wurde der „Kneipenkult“. Und jetzt gibt es im ehemaligen Billardraum eine Bühne, einen großen Fernseher und ein Klavier. „Hier wollen wir kleine Solo-Konzerte, Filmaufführungen und Lesungen anbieten – eine Bühne für den Kiez eben“, erklärt der gelernte Einzelhandelskaufmann. Er kann sich vorstellen, dass hier Straßenmusiker eine Auftrittsmöglichkeit bekommen.
Der Spagat gelingt auf jeden Fall optisch. Die Kneipe sieht jetzt aus wie eine gut gepflegte, mit viel Herzblut geführte, saubere Gaststätte. Die Wände erstrahlen inzwischen in gedecktem Dunkelrot, im Event-Raum hängen alte Filmplakate, im Flur zu den Toiletten alte Weddinger Fotos in kleinen Bilderrahmen. Das alte Holzmobiliar durfte bleiben. Das alles wirkt stimmig, bis hin zur Molle mit Korn, den drei Sorten (darunter Schultheiß) vom Fass, bis hin zu sehr vernünftigen Preisen. Alles ist solide, ohne abgeranzt zu sein, aber es ist eben immer noch eine Kneipe wie aus dem Lehrbuch. Natürlich wird an einem solchen Ort wie eh und je geraucht, ein 0,3er Bier kostet höchstens 1,90 Euro. Cocktails sucht man hier allerdings vergeblich, dafür gibt es Whisky-Cola. “Ich habe meinen Stammkunden versprochen: kein Bling-Bling!” sagt Oliver und man glaubt es ihm sofort. Kurz, hier lebt die Berliner Kneipenkultur weiter.
KneipenKult
Ofener Str. 14 Ecke Glasgower Str.
täglich 24 Stunden
Fußballspiele aus dem Free-TV werden ebenfalls im KneipenKult gezeigt.
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