Sebastian lebt schon lange im Wedding, seit 29 Jahren. Er hat vieles kommen und gehen sehen: alte Alhambras, vom Feuer verzehrte Imbisse, die Metamorphose vom Schupke zum Tipperary, den geschäftigen Wandel auf der Müllerstraße. Im Brüsseler Kiez lebt der 29-jährige Industriekaufmann derzeit in einer WG, ebendort, wo er auch aufwuchs.
Seit knapp drei Wochen gehört Sebastian nun dem Kreis der lieben Leser des Weddingweiser an. „Erstmal, ohne den Blog zu lesen, ich hab über Freunde die Facebookseite gefunden. Ist doch schön, so weiß ich jeden Tag eine Kleinigkeit mehr!“
Im auszeit sitzen wir bei warmem Wetter und probieren, ein persönliches A‑Z des Weddings zusammenzustellen. A wie auszeit liegt nahe und macht uns stolz, wie leicht das geht. Wir trinken Brause von der Zitrone bzw. Bier und überlegen, wenn man denn wegziehen müsse, dass (wirklich jetzt) Charlottenburg ein guter Plan B wäre. Was Sebastian ein wenig bitter aufstößt, sind die dm-Drogerien und Casinos, die sich über kurz oder lang in jedem leerstehenden Quadratmeter ansiedeln. „Ein paar Spätis sind prima, aber ansonsten ist es langsam eine Monokultur an bestimmten Geschäften, die im Kiez zu finden sind. Dabei gibt es hier so eine tolle Kiezkultur mit Cafés, Bars, dem City Kino, also so viel Vielfalt.“ Die Vielzahl der Günstigläden könnte das Bild irgendwann kippen, meint der Ur-Weddinger.
Das mit dem Alphabet hat doch bis hierhin recht fließend geklappt, wir springen, um das Übel aus dem Weg zu haben, erstmal zu Jazz, den Sebastian gern hört, drehen dann um zum F, zur Flop Bar. Die kennt er, natürlich, seit den Anfängen. Ein Silvesterfest hat Sebastian dort gefeiert und die Filmreihe „Müller Ecke Afrika“ von Martin Helmbrecht hat er sich dort auch angesehen. Denn Bakri, Vater der Flop Bar, wird in einem der Filme porträtiert.
Und irgendwann kommen wir dann doch von diesem Alphabetkram ab, die Liste würde etwas komisch aussehen, zumal der Weddingweiser ja auch bereits ein A bis Z hat.
Das Thema Fotografie ist dann auch schließlich Gewinner unseres Gesprächsstoffs. Stolz zeigt Sebastian seine Bilder, die er unter anderem hier sammelt. „Lost Places“, sagt er, „haben es mir angetan, die Irakische Botschaft, das alte Blub, Beelitz Heilstätten.“ Und die Heilstätten ist er nicht nur der hübschen Fotos wegen abgelaufen, sondern hat sich mit der Geschichte des Ortes intensiv befasst, erzählt, welche Fliesen verwendet wurden (für Neugierige: Mettlacher Platten) und wie es sich mit Nutzung und Verfall des Geländes verhält.
Im Grunde passt der abgerodete Zeppelinplatz (juhu, A‑Z geschafft, wenn auch mit Unterbrechungen!) mit zum Thema „Lost Places“. Der steht auf Sebastians Liste, was im Wedding verbessert werden könnte.
Für den nächsten Fotoweddbewerb hier im Weddingweiser können wir unseren neuen Fan sicherlich auch begeistern. Ob nun Lost Places oder vielleicht neuentdeckte gewandelte Orte …
Text und Bild: Simone Lindow