Straßennamen sind nicht in Stein gemeißelt, vor allem sorgen sie immer wieder für Diskussionen. Das erleben wir aktuell im Afrikanischen Viertel oder am Vorplatz des Rathauses Wedding. Bei allen Kontoversen lässt sich so manch gut gemeinte Umbenennung wie z.B. der Willdenowstraße in Max-Josef-Metzger-Straße aus sehr unterschiedlichen Gründen nicht realisieren. Andere Benennungen aus der Zeit des Nationalsozialismus wie die der Tromsöer Straße geraten auch schon mal vollends in Vergessenheit.
Zur Aktualität des Gedenkens im Roten Wedding
Was heute kaum jemand noch weiß, ist, dass die Genter Straße gleich drei Mal ihren Namen wechselte, von daher lohnt ein Blick in die Geschichte. So erhielt der Straßenzug unmittelbar nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten einen neuen Namen, nämlich Fritz-Schulz-Straße. Schulz, der Mitglied in der NSDAP und Anwärter der SS war, galt den neuen Machthabern als eine Art Symbolfigur. Denn er wurde im August 1932 bei einer Auseinandersetzung zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten an der Ecke Trift- und Genter Straße angeschossen und erlag später seiner Verletzung. Nicht nur die Straße erinnerte an ihn, sondern auch eine Gedenktafel mit der Inschrift: “Hier fiel am 3. August 1932 durch rote Mordhand der SS-Mann Fritz Schulz (…) Er gab sein Leben für Deutschland.”
Wenig verwunderlich ist, dass der Straßenname und die Gedenktafel umgehend nach dem Einmarsch der sowjetischen Truppen im Wedding im Jahre 1945 verschwanden. Man erinnerte sich an den von den Nationalsozialisten ermordeten ehemaligen Weddinger Bezirksverordneten Adolf Pogede und benannt nun die einstige Genter Straße nach ihm. Pogede war seit 1914 Mitglied in der SPD später der USPD und ab 1925 in der KPD, für die er von 1928 bis 1933 der Bezirksverordnetenversammlung angehörte. Sein Leben ist in dem Buch „Das letzte Tabu / NS-Militärjustiz und Kriegsverrat“ von Wolfram Wette aus dem Jahre 2007 dokumentiert. Pogede, der im Krieg Obergefreiter und als Kraftfahrer tätig war, hatte sich 1944 gegenüber sowjetischen Kriegsgefangenen als Mitglied der KPD zu erkennen geben und geäußert, dass die sowjetischen Truppen bald in Berlin einmarschieren würden. Dafür wurde er von einem Reichskriegsgericht wegen „Kriegsverrats” zum Tode verurteilt und im Zuchthaus Halle mit einem Fallbeil hingerichtet.
Erinnerungskultur
Seinen Namen trug die Straße allerdings nur zwei Jahre. Denn 1947 verschwand auch Adolf Pogede wieder, der Straßenzug verwies nach seiner nun dritten Umbenennung politisch unauffällig wieder auf die Stadt Gent. Was die Bezirksverordneten damals veranlasst hat, ihrem von den Nationalsozialisten ermordeten Vorgänger eine Ehrung im Bezirk abzuerkennen, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Ob dies in einem Zusammenhang mit den aktuellen Ereignissen steht, wie z.B. dem „Vereinigungsparteitag“ von SPD und KPD zur SED im Ostteil der Stadt im Jahre 1946, weiß man nicht. Eines ist aber deutlich: im damaligen West-Berlin und damit auch im Wedding war kein Platz mehr für die einstigen SPD-Genossen, die Anhänger der KPD geworden waren.
Dieses Beispiel zeigt, dass sich eine Beschäftigung mit der Gedenk- und Erinnerungskultur im “Roten Wedding” lohnt. Vielleicht stoßen wir dann auf Menschen, an die aus heutiger Sicht wieder erinnert sollte…
Autor/Fotos: Eberhard Elfert
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