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Quinoa: Privatschule im Brennpunktkiez eröffnet

30. August 2014
Schulleiter Christian Schwenke im Klassenraum. Foto: Hensel
Schul­lei­ter Chris­ti­an Schwen­ke im Klas­sen­raum. Foto: Hensel

Kein Tag wie jeder ande­re: Um 8 Uhr hat für 24 jun­ge Wed­din­ger der Unter­richt in einer neu­en und sehr beson­de­ren Schu­le begon­nen. Die Siebt­kläss­ler sind die ers­ten Schü­ler in der neu­en Qui­noa-Schu­le, die ihren Betrieb im zwei­ten Ober­ge­schoss in der Oslo­er Stra­ße 2526 auf­ge­nom­men hat (Aktua­li­sie­rung 2016: die Schu­le ist inzwi­schen umgezogen).

Unter dem Dach der Montesso­ri Stif­tung Ber­lin und mit Unter­stüt­zung vie­ler Part­ner wol­len die Grün­der mit ihrem bei­spiel­lo­sen Kon­zept einen Impuls in der Wed­din­ger Bil­dungs­land­schaft geben und haben ihre Schu­le ganz bewusst im Sol­di­ner Kiez, einem so genann­ten Brenn­punkt­kiez eröff­net. Im Umfeld der neu­en Schu­le gibt es viel Zuspruch, aber auch kri­ti­sche Stimmen.

Quinoa-Gründer Stefan Döring (r.) und Fiona Bunk mit Schulleiter Christian Schwenke. Foto: Hensel
Qui­noa-Grün­der Ste­fan Döring (r.) und
Fio­na Bunk mit Schul­lei­ter Chris­ti­an Schwen­ke. Foto: Hensel

Ste­fan Döring ist einer der bei­den Grün­der der Schu­le. Er umreißt die Grund­idee der Schul­grün­dung: „Wir wol­len die Bil­dungs­land­schaft im Wed­ding gestal­ten. Die Auf­ga­be ist es, das Netz so zu knüp­fen, dass kein Kind ver­lo­ren geht“. Das Nach­den­ken über die prak­ti­sche Umset­zung führ­te die Grün­der zu einem ehr­gei­zi­gen Ziel: Alle Schü­ler sol­len vier Jah­re nach Abschluss der 10. Klas­se eine Aus­bil­dung been­det oder das Abitur geschafft haben. Als zen­tral emp­fin­den Döring und Mit­grün­de­rin Fio­na Brunk den Glau­ben an das Poten­zi­al jedes ein­zel­nen Kin­des. Uner­träg­lich fin­det Wed­din­ge­rin Fio­na Brunk es, dass im Stadt­teil die Hälf­te der Kin­der die Schu­le ohne Abschluss ver­lässt und dass auch die, die einen Abschluss bekom­men, kaum beruf­li­che Per­spek­ti­ven haben. Genau das soll die Qui­noa-Sekun­dar­schu­le ändern.

Einen Schwer­punkt setzt die Schu­le mit dem Inter­kul­tu­rel­len Unter­richt. Im Rah­men die­ses Faches sol­len die Kin­der nicht nur gute deut­sche Sprach­kennt­nis­se erlan­gen und Eng­lisch spre­chen, sie sol­len auch ihre Fami­li­en­spra­che ler­nen. Das Fach Zukunft dient der Berufs­ori­en­tie­rung. Er bringt die Schü­ler in jede Woche in einen ande­ren Betrieb und hilft ihnen, einen pas­sen­den Beruf zu fin­den. Alle Unter­richts­stun­den sol­len stets min­des­tens zwei Leh­rer betreu­en. Ein Mal pro Woche nimmt sich zudem ein Tutor in einem Ein­zel­ge­spräch Zeit für jeden der 24 Schü­ler; auch nach den vier Jah­ren Schul­aus­bil­dung an der Sekun­dar­schu­le soll der Tutor die Schü­ler begleiten.

Das Team der Qui­noa-Schu­le sucht den Kon­takt Schu­len und Ein­rich­tun­gen im Wed­ding. Trotz­dem gibt es kri­ti­sche Stim­men. Sie befürch­ten vor allem, dass es sich bei der frei­en Schu­le um eine eli­tä­re Ein­rich­tung han­de­le, die nicht in den Sol­di­ner Kiez pas­se. Das Team um Fio­na Brunk und Ste­fan Döring hofft, dass sich her­um­spricht, dass hier jeder eine gute Bil­dung und indi­vi­du­el­le Betreu­ung erhal­ten kann, unab­hän­gig von der Höhe des Fami­li­en­ein­kom­mens. Denn obwohl es sich um eine Pri­vat­schu­le han­delt, ist der Schul­be­such für Hartz IV-Emp­fän­ger, Bafög-Emp­fän­ger, Wohn­geld­emp­fän­ger, Auf­sto­cker und Asyl­be­wer­ber bis auf das Essens­geld in Höhe von 30 Euro monat­lich kos­ten­los. Für die Finan­zie­rung der Sti­pen­di­en sorgt vor allem die Voda­fone Stif­tung, aber auch ande­re För­de­rer und Paten.

Von den 24 Schü­lern, die heu­te ihren ers­ten Tag an der Schu­le haben, müs­sen 21 kein Schul­geld bezah­len, drei bezah­len einen klei­nen Betrag. „Ganz vie­le spre­chen eine ande­re Fami­li­en­spra­che. Nur sechs Schü­ler spre­chen zuhau­se deutsch“, sagt Döring. „Unse­re Mischung bil­det den Wed­ding ab“, sagt Ste­fan Döring. Um lang­fris­tig Sti­pen­di­en anbie­ten zu kön­nen, küm­mert sich das Qui­noa-Team ganz­jäh­rig dar­um, wei­te­re För­de­rer zu fin­den. „Das ist eine ganz gro­ße Auf­ga­be“, sagt Ste­fan Döring. Eine Paten­schaft für einen Schü­ler über die kom­plet­ten vier Jah­re kos­tet 24.000 Euro.

Im Moment sind es nicht die Finan­zen oder die Umset­zung des ambi­tio­nier­ten Kon­zep­tes, die dem Qui­noa-Team Sor­gen machen. Ste­fan Döring: „Die Räu­me hier kön­nen wir für ein Jahr nut­zen. Eine Ver­län­ge­rung ist nicht mög­lich“. Die Schu­le möch­te gern in das leer ste­hen­de Schul­ge­bäu­de in der Goten­bur­ger Stra­ße, das sich in Sicht­wei­te zum jet­zi­gen Stand­ort befin­det, ein­zie­hen und dau­er­haft im Sol­di­ner Kiez blei­ben. Der Bezirk will das Gebäu­de jedoch an den Lie­gen­schafts­fonds des Lan­des Ber­lin abge­ben. Ob die Qui­noa-Schu­le zum Zuge kom­men kann, ist unge­klärt. „Ob wir in die Goten­bur­ger Stra­ße kön­nen ist vor allem eine poli­ti­sche Ent­schei­dung. Wir brau­chen jetzt die Unter­stüt­zung des Sena­tes“, sagt Ste­fan Döring.

Infos: www.quinoa-bildung.de

Text und Fotos: Domi­ni­que Hensel

Dominique Hensel

Dominique Hensel lebt und schreibt im Wedding. Jeden zweiten Sonntag gibt sie hier den Newsüberblick für den Stadtteil. Die gelernte Journalistin schreibt für den Blog gern aktuelle Texte - am liebsten zu den Themen Stadtgärten, Kultur, Nachbarschaft und Soziales. Hyperlokal hat Dominique es auf jeden Fall am liebsten und beim Weddingweiser ist sie fast schon immer.

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