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Seit zehn Jahren gibt es das Nähcafé in der Fabrik:
Nachhaltigkeit mit Nadel und Faden

24. Oktober 2023
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Im Nachbarschaftscafé in der Osloer Straße 12 hängt an einem roten Schrank ein Schild. Es hängt dort schon so lange und gehört inzwischen so sehr zu dem Raum in der Fabrik Osloer Straße Straße, dass es kaum noch jemand wahrnimmt. Darauf steht: I made my clothes (Ich habe meine Kleidung gemacht). Auch Cora Lie sieht das Schild schon lange nicht mehr, dabei ist die gelernte Schneiderin und Modedesignerin wahrscheinlich der Grund dafür, dass die Aufschrift – das Motto eine Nachhaltigkeits-Kampagne – dort angebracht wurde. Vor zehn Jahren war Cora Lie die erste Leiterin des Nähcafés „Aus alt mach neu“.

Cora Lie (links) beim Nähcafé in der Fabrik Osloer Straße. Foto: Hensel
Cora Lie (links) beim Nähcafé in der Fabrik Osloer Straße. Foto: Hensel

In dem roten Schrank in der Ecke vor dem großen Veranstaltungssaal lagern Nähmaschinen, Garne, Nadeln, Scheren, Stoffe und vieles mehr. Es ist der Schrank für alle, die donnerstags in die NachbarschaftsEtage kommen, um Kleidung zu nähen oder zu ändern. Vor zehn Jahren hat Cora Lie die Utensilien zum ersten Mal aus dem Schrank geräumt und auf den Tischen verteilt. „Ich wollte mich damals ehrenamtlich engagieren und habe eine Anzeige im Internet gesehen“, sagt die Pankowerin. In der Anzeige stand, dass sechs Nähmaschinen im Soldiner Kiez in auf Betätigung warten. „Ich bin dann hergekommen und fand die nachbarschaftliche Atmosphäre hier im Café so schön. Das ist doch einfach ideal“, erinnert sich Cora Lie.

Das Konzept des Nähcafés ist einfach: Jeder kann vorbeikommen, unabhängig von Vorerfahrungen, Ideen oder konkrete Nähprojekte mitbringen und diese umsetzen. „Hier kannst du zum Beispiel nähen, wenn du Zuhause kein Nähmaschine hast“, sagt Cora Lie. Auch Tipps und Tricks kann sich hier jeder abholen. Die oberste Maxime ist dabei, dass das Nähcafé Hilfe zur Selbsthilfe bietet. „Wir sind hier keine Änderungsschneiderei“, bringt sie es auf den Punkt. Wer donnerstags von 10.30 bis 13 Uhr zum Nähen geht, der näht selbst.

Beim Nähcafé herrscht meist eine konzentrierte Atmosphäre. Vier bis fünf Menschen sitzen jedes Mal an den Nähmaschinen und arbeiten an ihren Handarbeitsprojekten. Eine Frau nähte am Donnerstag vor einer Woche zum Beispiel an einem Lunch Bag als Geschenk für ihre Tochter, auch eine schwierigeres Projekt hat sie dabei: eine Bluse aus einem alten Kleidungsstück. „Ich glaube, am meisten wurden in den vergangenen zehn Jahren Hosen gekürzt, meistens für die Männer zu Hause“, nennt Cora Lie das beliebteste Nähprojekt im Café. Auch viele Geschenke für Freunde, Familie und Bekannte sind im Nähcafé schon entstanden. Gemeinsame Projekte hat es ebenfalls gegeben. „Wir haben zum Beispiel Turnbeutel für Schulkinder genäht oder Gardinen für Geflüchtete“, sagt Cora Lie. Im Moment sind gerade Lunch Bags für den Eigenbedarf hoch im Kurs.

Neben der Möglichkeit des angeleiteten Nähens hat das Nähcafé noch eine andere Funktion, eine soziale. Für manche ist es einfach auch ein schöner Ort, um gemeinsam einem Hobby nachzugehen. So kommt regelmäßig eine Frau vorbei, die gar nicht näht, sondern neben den Nähmaschine ihre Stricknadeln auspackt. Und auch für den Austausch untereinander ist natürlich Zeit. Es wird gefachsimpelt, gequatscht und zusammen ein Tee oder eine Tasse Kaffee getrunken.

Cora Lie ist nur noch manchmal beim Nähcafé, zum Beispiel wenn die aktuelle Kursleiterin im Urlaub ist. Denn 2020 hat die Modedesignerin die Kursleitung abgegeben an Vita Maiwald, die sich jetzt mit Rat und Tat um die Teilnehmenden kümmert. Cora Lie selbst ist ihrer Profession aber dennoch treu geblieben. Sie leitet im Brunnenviertel noch ein Nähcafé und gibt, vor allem in Pankow, Nähkurse für Kinder und Erwachsene. Im Laufe der Jahre, so sagt sie, sei ihr selbst der verantwortungsbewusste Umgang mit Kleidung immer wichtiger geworden. Ressourcen schonen, mehr upcyceln als nähen, besser tauschen als neu herstellen – diese Themen gehen ihr durch den Kopf. Das Prinzip Nähcafé ist für sie heute noch wichtiger als vor zehn Jahren.

Wer möchte, kann vor, nach oder während des Nähens auch einen Cappuccino trinken. Foto: Hensel
Wer möchte, kann vor, nach oder während des Nähens auch einen Cappuccino trinken. Foto: Hensel

Service

Das Nähcafé findet jeden Donnertag (außerhalb der Schulferien) von 10.30 bis 13 Uhr statt. Die Teilnahme ist kostenfrei und ohne Anmeldung möglich. Ort: Fabrik Osloer Straße, Osloer Straße 12, 2. Hof, Aufgang B, 1. Etage, Nachbarschaftscafé (Zugang auch per Fahrstuhl). Kontakt zur Kursleiterin Vita Maiwald ist per E-Mail unter [email protected] möglich.

Transparenzhinweis: Das Nähcafé findet in der Fabrik Osloer Straße statt. Unsere Autorin Dominique Hensel ist Vorständin im Verein Fabrik Osloer Straße e.V.

Dominique Hensel

Dominique Hensel lebt und schreibt im Wedding. Jeden zweiten Sonntag gibt sie hier den Newsüberblick für den Stadtteil. Die gelernte Journalistin schreibt für den Blog gern aktuelle Texte - am liebsten zu den Themen Stadtgärten, Kultur, Nachbarschaft und Soziales. Hyperlokal hat Dominique es auf jeden Fall am liebsten und beim Weddingweiser ist sie fast schon immer.

4 Comments

  1. Diese Initiative von Cora Lie finde ich super. Weil ich nicht nur im stillen Kämmerlein gern nähe, habe ich Kontakt zu zwei Nähgruppen. Eine in meiner Nähe im Kreativhaus 365° in Hohenschönhausen. Die Andere ist in Reinickendorf. Warum? Weil meine beste Nähfreundin dort ist. Das Beste daran ist, der Austausch von Idee und die Hilfe bei Nähproblemen und das Thema Upcycling ist uns besonders wichtig.
    Grüße von Nähbär

    • Liebe Frau Müller, ich nähe ebenfalls sehr gerne, meistens im stillen Kämmerlein. Nutze aber sehr gern die Ressourcen des Makerspace im Lindencenter. Man muss sich ja nicht jede Machine selbst kaufen. Mich interessiert wo das ‚Kreativhaus 365‘ in Hohenschönhausen ist. Würde mich über eine kurze Nachricht freuen. Liebe Grüße Kathrin

  2. Hallo,
    mittlerweile wird auch montags von 18.30-20.30 Uhr genäht.
    Wäre toll das auch noch im Artikel zu erwähnen, denn nicht jeder kann vormittags….
    Schöne Grüße
    Lena

    • Hallo Lena, danke für die Ergänzung. Ich würde das in den Kommentaren belassen und nicht in den Artikel nehmen. Immerhin geht es hier ja um den Geburtstag das Donnerstags-Nähcafés. Und bei einem Geburtstag sollte einfach das Geburtstagskind im Mittelpunkt stehen, finde ich. Weitere Angebote wären dann mal ein neuer, separater Beitrag. Viele Grüße!

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