Was denken eigentlich die Bürger über die Zukunft des Karstadts am Leopoldplatz? Reines Warenhaus oder bunter Nutzungsmix wie bei einer normalen Immobilie? Der Investor Signa hat Stellwände und Präsentationskarten herausgeholt und alle nah und fern wohnenden Freunde des Karstadts eingeladen, ihre Wünsche für die Zukunft des Warenhauses aufzuschreiben. Im nächsten Schritt will Signa einen Architekturwettbewerb starten. Aber vor allem will Signa will Tempo machen beim Umbau des Karstadts am Leopoldplatz. Und offenbar wegkommen vom reinen Warenhaus.
Die Pläne des Investors
Bei der über zweistündigen Veranstaltung am Donnerstagabend nutzte Manager Reiner Müller zwar tapfer das Wort “Warenhaus”. Doch gleichzeitig zeigte seine Powerpoint-Präsentation für die Zukunft der Müllerstraße 25 eine Mischung aus “Wohnen, Gewerbe, Büro, öffentliche Nutzungen, Gastro und Einzelhandel”.
“Bis 2027”, ruft Reiner Müller ins voll besetzte Galeria-Restaurant im zweiten Stockwerk. Innerhalb von fünf Jahren will der Manager das Karstadt am Leopoldplatz umbauen. Er zeigt in einer Powerpoint-Präsentation ausführlich, wie das Immobilienunternehmen Signa am Ostbahnhof ein Kaufhaus ohne Abriss architektonisch verändert hat. Unausgesprochen wird klar: Das könnte ein Beispiel für das Haus am Leopoldplatz werden. Für den Head of Project Development der Signa Real Estate zählt, dass im Ergebnis eine “Öffnung zum Kiez” zu sehen ist. Damit meint er Läden im Erdgeschoss, um die Schul- und Müllerstraße zu beleben, er meint Fenster und Glas statt einer baufälligen Fassade, den Austausch energiefressender Haustechnik, die Umgestaltung des Parkdecks inklusve einer Gastronomie “ohne Verzehrzwang”.
Ihm ist bewusst, dass das Unternehmen Signa – zum Beispiel am Hermannplatz – durch Umbau “die Stadt verändert”. Tatsächlich ist Signa Eigentümer nicht beliebiger Häuser, sondern ist mit zahlreichen Warenhäusern Eigentümer von stadtprägenden Gebäuden. 2024 soll der – vielleicht teilweise – “Abbruch” am Leo beginnen. 2027 will Reiner Müller Wiedereröffnung am Leo feiern.
Auf dem Weg dahin möchte der Manager bereits bis Mai nächsten Jahres einen zweistufigen Architektur-Wettbewerb über die Bühne bringen. Anfang Mai 2023 lädt er die Öffentlichkeit erneut ein, damit sie vor einer Jurysitzung die Vorschläge der Architekten bewertet.
Beteiligung der Menschen
Vorweg: Es fällt auf, dass private Immobilienunternehmen auf Beteiligung setzen. Nachdem Coros für das Riesenprojekt Quartier am Humboldthain eine Fach- und Bürgerbeteiligung organisiert und bezahlt hatte, folgt nun Signa.
Wenig überraschend ist, dass die beteiligten Menschen widerstreitende Erwartungen formulieren. Die einen wollen das Parkhaus erhalten, die anderen finden nichts überflüssiger. Die einen wollen, dass auch in fünf Jahren ein Karstadt wie heute seine Waren anbietet, die anderen wollen einen Mix aus Fachgeschäften oder eine Markthalle. Ein Kärtchen fordert eine betriebseigene Kita für die Belegschaft, ein anderes Kärtchen bittet um einen Ort für alle Jugendlichen. Einer schreibt: kein Hochhaus! Halbwegs Einigkeit herrschte – ebenfalls wenig überraschend – unter den Anwesenden, dass sie keine Gentrifizierung, keine hohen Gewerbemieten und keine Eigentumswohnungen wünschen.
Die Organisatoren der Beteiligung vom 2. Dezember versprachen, alle Ideen abzuschreiben und online zu dokumentieren. Wer an dem Abend nicht dabei sein konnte, kann noch bis 7. Dezember auf mein.berlin.de kommentieren.
Die Arbeitnehmer
Die Gewerkschaft Ver.di nutzte den Abend, um gegen betriebsbedingte Kündigungen zu demonstrieren. Die Moderatorin änderte kurzerhand die Tagesordnung und ließ Conny Weißbach von Ver.di zu Wort kommen. Die bei Ver.di für die Branche Handel zuständige Gewerkschafterin sagte, die Mitarbeiter seien das “Gold eines Warenhauses”, nur mit ihnen gebe es eine Chance gegen den Onlinehandel.
Die Politik
Baustadtrat Ephraim Gothe sagte bei der Veranstaltung am 2. Dezember, dass es bereits sicher sei, dass ein Anteil Wohnen und darunter ein Drittel Sozialmieten kommen werde. Auch gemeinnützige Nutzungen werden kommen, so der SPD-Politiker. Das sei bereits in Verhandlungen seit Sommer dieses Jahres erreicht worden. Vor einem halben Jahr hatte das Immobilienunternehmen Signa seine ersten Pläne und Vorstellungen dem Bezirk präsentiert.