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Zwei Kiezläufer nehmen Abschied

4. Oktober 2014

anneGerd1In der Kolo­nie­stra­ße 129 haben Anne Klein und Gerd Minor an jedem Werk­tag den Quar­tiers­la­den auf­ge­schlos­sen. Wenig spä­ter fing ihre wich­tigs­te Auf­ga­be an: Die bei­den Kiez­läu­fer dreh­ten ihre Run­de durch den Sol­di­ner Kiez. Sie befüll­ten die sechs Hun­de­kot­beu­tel­spen­der, mel­de­ten ille­ga­le Müll­hau­fen, ver­teil­ten Pla­ka­te und Fly­er im Stadt­teil, sahen bei den Kiez­ein­rich­tun­gen nach dem Rech­ten und erin­ner­ten Hun­de­hal­ter an den Lei­nen­zwang. Zwi­schen Kolo­nie­stra­ße, Prin­zen­stra­ße, Sol­di­ner Stra­ße, Pan­ke-Grün­zug, Fran­zo­sen­be­cken und Oslo­er Stra­ße sind Anne Klein und Gerd Minor in den ver­gan­ge­nen drei Jah­ren zusam­men mehr als 3000 Kilo­me­ter unter­wegs gewe­sen. Pro Jahr hat jeder von bei­den dabei etwa die Stre­cke von Ber­lin-Mit­te nach Aachen zurück­ge­legt. Sie ken­nen den Kiez wie kaum jemand sonst. Vor einem  Monat lie­fen ihre Stel­len aus, im Kiez wer­den sie seit­dem von vie­len vermisst.

„Das ist eine sinn­vol­le Arbeit. Man kommt viel in Kon­takt mit den Leu­ten“, sagt Gerd Minor. Bei jedem Wet­ter geht er mit sei­ner Kol­le­gin durch den Kiez. „Die Arbeit muss doch gemacht wer­den, auch wenn es reg­net oder schneit“, sagt Gerd Minor, der zur Not eben einen gro­ßen Regen­schirm ein­packt. An jeder Ecke wer­den die bei­den mit den Kiez­läu­fer-Wes­ten freund­lich gegrüßt, Anwoh­ner machen sie auf Pro­ble­me auf­merk­sam, bit­ten um Hil­fe. Eines der Pro­ble­me: In der Nacht hat jemand einen Kom­bi-Kühl­schrank neben die Pan­ke gewor­fen. Anne Klein notiert, mel­det es spä­ter an die Behör­den wei­ter. Nahe der Sol­di­ner Stra­ße hängt ein Zet­tel am Baum: Wie­der ein­mal sind Hun­de aus dem Stadt­teil ver­schwun­den. Das pas­sie­re oft, und über den Ver­bleib der Vier­bei­ner wer­de viel spe­ku­liert. „Kein Tag ist wie der ande­re, es ist sehr abwechs­lungs­reich“, sagt Gerd Minor, der noch schnell einen Sta­pel Fly­er fürs Kiez­fest am 6. Sep­tem­ber in der Grund­schu­le in der Goten­bur­ger Stra­ße vor­bei bringt.

Manch­mal hat­ten die bei­den Kiez­läu­fer auch unge­wöhn­li­che Auf­ga­ben zu erle­di­gen. Bei einem schwe­ren Ver­kehrs­un­fall in der Koloniestraße/Ecke Sol­di­ner hat sich die zier­li­che Anne Klein zum Bei­spiel auf die Kreu­zung gestellt und den Ver­kehr gere­gelt bis die Poli­zei kam. „Wir küm­mern uns um den Kiez. Wenn wir es nicht machen, dann macht es doch nie­mand“, sagt Anne Klein. Mehr­mals hat sie in den drei Jah­ren an der Pan­ke gefun­de­nes Die­bes­gut in der Poli­zei­wa­che abge­ge­ben, hat Dro­gen­kon­su­men­ten vom Spiel­platz und Exhi­bi­tio­nis­ten vor der Kita vertrieben.

Das Kiez­läu­fer-Pro­jekt gibt es im Bezirk Mit­te seit 2003. Lang­zeit­ar­beits­lo­se sol­len an sozia­len Brenn­punk­ten einen Bei­trag zur Ver­bes­se­rung des Stadt­bil­des und des sozia­len Mit­ein­an­ders leis­ten. Aus ganz ver­schie­de­nen För­der­töp­fen wer­den die Kiez­läu­fer bezahlt, die aus Sicher­heits­grün­den immer min­des­tens als Zwei­er­team unter­wegs sind. Anne Klein und Gerd Minor hat­ten dabei Glück und Pech zugleich. Drei Jah­re lang wur­den sie über das För­der­pro­gramm Bür­ger­ar­beit finan­ziert, was ihnen die Arbeit als Kiez­läu­fer über­haupt ermög­lich­te. Weil das gan­ze Pro­gramm jedoch endet, ist auch ihre Zeit als Kiez­läu­fer nun vor­bei. Schon vor einer Woche mach­ten die bei­den ihren letz­ten Rund­gang durch den Sol­di­ner Kiez. Vie­le Anwoh­ner und Initia­ti­ven wer­den die bei­den freund­li­chen und enga­gier­ten Kiez­läu­fer sicher vermissen.

Der Abschied fällt der gelern­ten Kran­ken­schwes­ter Anne Klein und dem ehe­ma­li­gen Feu­er­spu­cker vom Zir­kus Ron­cal­li Gerd Minor schwer. Sie mögen den Kiez, sind durch ihre Unter­stüt­zung von Kiez­pro­jek­ten in den Sol­di­ner Kiez hin­ein­ge­wach­sen. Die bei­den enga­gier­ten sich von Anfang an auch nach Dienst­schluss. Bei­de sind För­der­mit­glie­der beim Sozi­al­ver­ein „Men­schen hel­fen Men­schen“, Anne Klein ist zusätz­lich Mit­glied beim Ver­ein panke.info. Auch wenn ihr Ver­trag endet, wol­len der Wed­din­ger und die Rei­ni­cken­dor­fe­rin bei ihren Kiez­ver­ei­nen blei­ben. Wäh­rend Gerd Minor nun eine Wei­ter­bil­dung beginnt, hofft Anne Klein noch, dass sie mit Geld aus einem ande­ren För­der­topf im Sol­di­ner Kiez blei­ben kann. Als Kiez­läu­fe­rin an der Panke.

Der Text wur­de uns von unse­rem Koope­ra­ti­ons­part­ner Ber­li­ner Abend­blatt zur Ver­fü­gung gestellt.

Text/Foto: Domi­ni­que Hensel

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