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Austausch der Kiezgärtner:innen Berlin-Paris:
Zu Besuch in fremden Gärten

2. Juni 2022

Das Cent­re Fran­cais de Ber­lin hat einen Aus­tausch für Gar­ten­in­itia­ti­ven aus Ber­lin und Paris orga­ni­siert. Auch Gärtner:innen aus dem Wed­ding waren kürz­lich in Frank­reich, um sich aus­zu­tau­schen und ande­re Gar­ten-Lösun­gen zu erkun­den. Zu ler­nen gibt es für bei­de Sei­ten viel.

Ein Station des Gartenaustauschs in Paris. Foto: Centre Francais
Ein Sta­ti­on des Gar­ten­aus­tauschs in Paris. Foto: Cent­re Francais

Etwas Erde in Hoch­bee­ten, ein paar Samen­kör­ner oder Jung­pflan­zen, Was­ser zum Gie­ßen und eine Hand, die die Gieß­kan­ne hält. Die­se Kom­bi­na­ti­on im öffent­li­chen Raum mal X macht einen Gemein­schafts­gar­ten aus. Denkt man. Doch wer sich näher mit der The­ma­tik beschäf­tigt, merkt: in einem Gemein­schafts­gar­ten geht es oft nur neben­bei ums Gärt­nern. Viel mehr im Fokus steht das Zusam­men­kom­men der pflan­zen­den, gie­ßen­den und ern­ten­den Nach­bar­schaft sowie der Aus­tausch unter­ein­an­der. Das Cent­re Fran­cais de Ber­lin in der Mül­lerstra­ße hat vor fünf Jah­ren einen der vie­len Gemein­schafts­gär­ten in Ber­lin gegrün­det, die Roten Bee­te. Jetzt hat das Team den Gedan­ken von Gemein­schaft und Aus­tausch am Beet bis nach Paris aus­ge­dehnt. Gera­de ist eine Grup­pe von Gartenaktivist:innen aus Ber­lin von einem Aus­tausch mit fran­zöi­schen Gärtner:innen in Paris wie­der­ge­kom­men. Im Herbst folgt der Gegen­be­such in Berlin.

Die Berliner Teilnehmer:innen der Austauschreise. Foto: Centre Francais
Die Ber­li­ner Teilnehmer:innen der Aus­tauschrei­se. Foto: Cent­re Francais

Andere Gärten, gleicher Kampf?

Der Aus­tausch stand unter der Über­schrift „Paris-Ber­lin – glei­cher Kampf? Ein deutsch-fran­zö­si­scher Aus­tausch der Zivil­ge­sell­schaft rund um die Pra­xis des Urban Gar­dening“. Vom 19. bis 24. Mai waren Vertreter:innen von sie­ben Ber­li­ner Gemein­schafts­gär­ten zu Gast im Paris, um sich mit sechs fran­zö­si­schen Stadt­gar­ten-Pro­jek­ten aus­zu­tau­schen, Hori­zon­te zu erwei­tern und sowohl auf loka­ler als auch auf inter­na­tio­na­ler Ebe­ne zu soli­da­ri­sie­ren. Mit dabei waren Gärtner:innen von den Roten Bee­ten und der Wil­den 17 im Wed­ding sowie von den Ber­li­ner Pro­jek­ten Ton Stei­ne Gär­ten, Prin­zes­sin­nen Gar­ten Kol­lek­tiv, KubiZ Gar­ten, Kiez­gar­ten Schli­e­mann­stras­se und All­men­de Kontor.

Alex­and­re Boca­ge ist im Cent­re Fran­cais für inter­na­tio­na­le Pro­jek­te und loka­le Ent­wick­lung zustän­dig. Er berich­tet vom Aus­tausch: „Auf dem Pro­gramm stan­den der Besuch von sechs (der 150) Gemein­schafts­gär­ten, die sich größ­ten­teils im 18., 19. und 20. Arron­dis­se­ment befin­den, Prä­sen­ta­tio­nen (von Gärtner:in zu Gärtner:in) der Struk­tu­ren, in denen die Gär­ten ange­sie­delt sind.“ Bespro­che­ne The­men gab es so vie­le wie Pflan­zen in einem Gemein­schafts­gar­ten wach­sen. „Die Gär­ten waren aus­ge­wählt wor­den, um die eben­so unter­schied­li­chen wie rele­van­ten Situa­tio­nen, die Sozio­lo­gien der Vier­tel zu ver­an­schau­li­chen“, erklärt Alex­and­re Bocage.

Wie eine Klassenfahrt mit viel Programm

Auf dem Pro­gramm der Paris-Rei­se stan­den Begeg­nun­gen mit loka­len Politiker:innen und die Begeg­nung mit der Pari­ser Ver­wal­tung, die für das Pro­gramm ‘Main Ver­te’ (Grü­ner Dau­men) zustän­dig ist. Auch die Ent­de­ckung des Gar­ten-Netz­werks von Grai­ne de Jard­ins, eine deutsch-fran­zö­si­sche Debat­te über die Her­aus­for­de­run­gen des urba­nen Gärt­nerns, gutes Essen, selbst­or­ga­ni­sier­te Pick­nicks, ein par­ti­zi­pa­ti­ver Mosa­ik-Work­shop, der Bau von Sozi­al­woh­nun­gen für Wild­bie­nen, gesel­li­ge Ape­ri­tifs gehör­ten zum Pro­gramm. „Das waren schö­ne Gele­gen­hei­ten, um ein Maxi­mum an Fra­gen, Inspi­ra­tio­nen, Bil­dern und Auf­wer­tun­gen zu sam­meln, die in bei­de Rich­tun­gen gehen, auch für die Pari­ser Gär­ten, die eben­falls ein­ge­la­den waren, die­se Gele­gen­heit zu nut­zen, um sich gegen­sei­tig zu besu­chen und die loka­len Bezie­hun­gen zu fes­ti­gen“, sag­te Alex­and­re Boca­ge. Das sei nicht immer selbst­ver­ständ­lich, wenn man in sei­ne eige­nen Pro­ble­ma­ti­ken und sei­ne wöchent­li­chen Akti­vi­tä­ten als Stadt­gärt­ner­ver­ein ver­tieft ist.

Doch der Aus­tausch lohnt sich und so saßen im Mai Ber­li­ner Stadtgärtner:innen im Alter von 25 bis 70 Jah­ren im Zug, um ihre Pari­ser Kolleg:innen zu tref­fen. „Für sie war es eine Art Klas­sen­fahrt, sie belä­chel­ten die Erfah­rung des gemein­sa­men Rei­sens, freu­en sich aber min­des­tens genau­so sehr dar­auf! Die meis­ten sind zutiefst dank­bar für die­se ein­ma­li­ge Chan­ce, dass eine Rei­se für sie orga­ni­siert wird, für nor­ma­le, aber lei­den­schaft­li­che Bürger:innen, die sich seit lan­gem ehren­amt­lich enga­gie­ren und kei­ne Gegen­leis­tung erwar­ten, außer dass ihre Pro­jek­te wach­sen und blü­hen und vor allem, ange­sichts der Ver­än­de­run­gen in der Metro­po­le Ber­lin, bestehen blei­ben“, beschreibt Alex­and­re Bocage.

Stadtgarten in Paris. Foto: Centre Francais
Stadt­gar­ten in Paris. Foto: Cent­re Francais

Kann ein Gartennetzwerk auch Berliner:innen helfen?

Wel­che Ein­bli­cke und Ein­sich­ten haben die Ber­li­ner Stadtgärtner:innen aus Paris mit­be­gracht? „Hier ist eine der vie­len Erkennt­nis­sen, die wir aus die­sem Aus­tausch gezo­gen haben: Ein star­kes Netz­werk zwi­schen den Gär­ten und auch zwi­schen den Ver­ei­nen auf loka­ler Ebe­ne sind die Schlüs­sel zur Wider­stands­fä­hig­keit der Gär­ten. Allein kön­nen die Gär­ten nicht auf alle Her­aus­for­de­run­gen reagie­ren, denen sie sich stel­len müs­sen (Umwelt, Sozia­les, Human­res­sour­cen) – ange­fan­gen bei dem Umgang mit der Stadt­po­li­tik, die die Grund­la­ge für ihr Dasein ist“, so Alex­and­re Boca­ge. Die Erfah­rung aus Paris ist auch für Ber­lin wert­voll: Die Ver­net­zung der Pro­jek­te ist der Schlüs­sel. In der fran­zö­si­schen Haupt­stadt wur­de 2003 unter Betei­li­gung der Zivil­ge­sell­schaft und den Stadt­ver­wal­tun­gen das Pro­gramm “Main Ver­te” ent­wi­ckelt. Dar­auf fußt eine Stadt­po­li­tik, die es ermög­licht, Grund­stü­cke und Res­sour­cen für Gar­ten­ver­ei­ne zur Ver­fü­gung zu stel­len. Die Ver­ei­ne ver­pflich­ten sich gleich­zei­tig, einem fle­xi­blen und weit gefass­ten Pflich­ten­heft zu entsprechen.

Erste Schritte in Berlin – 20 Jahre nach Paris

Austausch im Grünen. Foto: Cenre Francais

Auch in Ber­lin gibt es ers­te Bewe­gun­gen in die­se Rich­tung. Alex­and­re Boca­ge: „Der Ber­li­ner Senat hat 2020 eine Refle­xi­ons­grup­pe ins Leben geru­fen, die ein ähn­li­ches Gemein­schafts­gar­ten­pro­gramm erar­bei­ten soll, um die Ent­wick­lung von Gär­ten zu för­dern und die bereits bestehen­den (manch­mal seit mehr als 20 Jah­ren!) zu sichern. Die­ser Geset­zes­ent­wurf befin­det sich der­zeit, 2022, in der Kon­sul­ta­ti­on des Senats.“ Paris, eine der am dich­tes­ten besie­del­ten und bebau­ten Städ­te Euro­pas, ist in die­ser Hin­sicht 20 Jah­re wei­ter als Berlin!

In der deut­schen Haupt­stadt gibt es noch viel zu tun, vie­le Fra­gen zu beant­wor­ten: Was wün­schen wir uns als Lebens­raum Stadt? Wel­che Stadt wer­den wir unse­ren Kin­dern hin­ter­las­sen? Wie kön­nen wir den sozia­len Zusam­men­halt in den Stadt­vier­teln för­dern und den Jüngs­ten ein ver­nünf­ti­ges Umwelt­be­wusst­sein ver­mit­teln? Wer gestal­tet den öffent­li­chen Raum und macht ihn lebens­wert und für alle zugäng­lich? „Dies sind die Fra­gen, die von der Stadt­po­li­tik gestellt wer­den kön­nen und müs­sen, wobei den Bewe­gun­gen, die die Pro­jek­te der Gemein­schafts­gär­ten tra­gen, ein gewis­ser Spiel­raum und Authen­ti­zi­tät gelas­sen wer­den muss!“, ist Alex­and­re Boca­ge über­zeugt. Die­se Fra­gen sol­len auch beim Gegen­be­such des Gar­ten­aus­tauschs vom 29. Sep­tem­ber bis zum 4. Okto­ber in Ber­lin ver­tieft wer­den. „Es gibt nichts Bes­se­res, als jun­gen Europäer:innen prak­ti­sche Akti­vi­tä­ten anzu­bie­ten und sie in der Idee zu bestär­ken, dass der not­wen­di­ge Wan­del nicht vom Him­mel fällt, son­dern dass jede:r Jugend­li­che Akteur:in sein kann”, ist Alex­and­re Boca­ge vom Cent­re Fran­cais de Ber­lin überzeugt.

Die Reisegruppe der Berliner Stadtgärtner:innen in Paris. Foto: Centre Francais
Die Rei­se­grup­pe der Ber­li­ner Stadtgärtner:innen in Paris. Foto: Cent­re Francais

Interkultureller Gartenaustausch als Dokumentarfilm

Das Pro­jekt wird in einem Doku­men­tar­film der Anthro­po­lo­gin Vio­le­ta Rami­rez fest­ge­hal­ten, der über den Aus­tausch und die besuch­ten Gär­ten und ihre Geschich­ten berich­tet. Das Cent­re Fran­cais de Ber­lin als Orga­ni­sa­tor dankt dem Deutsch-Fran­zö­si­schen Bür­ger­fonds und dem Edi­ble Cities Net­work Ber­lin für die finan­zi­el­le Unter­stüt­zung sowie den Städ­ten Paris und Ber­lin für ihre Betei­li­gung an der Umset­zung des Pro­jekts. Alex­and­re Boca­ge ergänzt: „ Wir dan­ken natür­lich auch unse­ren Freunden:innen in den Gemein­schafts­gär­ten auf der gan­zen Welt! Gemein­sam sind wir die Archi­tek­ten und Akteu­re von sozia­len, öko­lo­gi­schen, päd­ago­gi­schen, näh­ren­den und vie­len wei­te­ren Experimentierfeldern!“

Text: Alex­and­re Boca­ge, bear­bei­tet von Domi­ni­que Hensel

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