Was ist Nachhaltigkeit, was braucht es dafür, was muss überwunden werden? Die Ausstellung „ZNE! – Zur Nachahmung empfohlen“ in den Uferhallen stellt viele dieser Frage und gibt Antworten auf Zukunftsfragen. Die fast 70 künstlerischen Antworten, teils einleuchtend und naheliegend, teils überraschend und mit ungewohnter Perspektive sind noch bis zum 16. Juli bei freiem Eintritt in der Uferstraße 8 zu sehen.
Abschluss nach einer Reise um die Welt
Die „Erkundungen in Ästehtik und Nachhaltigkeit“, so die Selbstbeschreibung des Ausstellungsprojekts, ist keine schnell zusammengetragene Reflexion über ein hochaktuelles Thema. Bereits im September 2010 war in den Uferhallen eine erste Ausstellung zu dem Thema präsentiert worden. Danach ging die Schau auf eine Reise um die Welt. Auf vier Kontinenten war „ZNE!“ zu sehen – in Addis Abeba, Lima und Peking, in Mumbai, São Paulo, Puebla, Haifa und Jerusalem, in Bonn, Bremen, Essen und Hamburg. Nachdem sie an 29 Ausstellungsorten zu sehen war, ist sie nun an ihren Ausgangspunkt zurückgekehrt. Doch es ist nicht einfach eine Wanderausstellung, die jetzt wieder im Wedding zu sehen ist. An jedem Ausstellungsort sind neue Kusntwerke, neue Sichtweisen hinzugefügt worden, die Ausstellung entwickelte sich fort bis zu ihren heutigen Status quo. Hier, im Wedding, findet die Ausstellung „ZNE!“ nach 13 Jahren ihren Abschluss.
In den gezeigten Arbeiten geht es um sehr verschiedene Aspekte der Nachhaltigkeit und den weiten Weg, der in den verschiedenen Ländern noch gegangen werden müsste, um nachhaltig zu wirtschaften. So hat der Berliner Künstler Michael Saup 24 Tonnen Braunkohlebriketts zu einer Installtation gestapelt. Auf der erklärenden Tafel steht, dass eine einzelner Baum etwa 2400 Jahre wachsen müsste, um das beim Verbrennen dieser Kohle freiwerdende CO² aufzunehmen. In seiner Videoinstallation „ Treelab“ macht Marcus Maeder aus Zürich Geräusche hörbar, die Pflanzen erzeugen. Die Klickgeräusche sind besonders deutlich, wenn die Pflanzen Trockenstress haben. Wang Jiuliang hat 500 Mülldeponien in China besucht und dort gefilmt. Er will auf die Auswirkungen des massiven Wachstums und des Konsums hinweisen. Die Mengen an Plastik, die in dem Film zu sehen sind, kann wohl kaum einen Betrachter kalt lassen.
Von Gedanke zu Gedanke über Nachhaltigkeit
Und so geht es weiter in den Uferhallen, in der die unterschiedlichen Kunstwerke verteilt sind: Der Besucher geht von Installation, zu Bild, zu Tiny House, von Gedanke zu Gedanke und realisiert, wie verschieden die Perspektiven sind, wie weit das Feld der Nachhaltigkeit ist, wie verwoben die Probleme, wie groß die Aufgabe.
Wer die Ausstellung bis vor zwei Tagen besucht hat, der konnte miterleben, wie zwei Themen in zwei Workshops in der Ausstellung ausgearbeitet wurden. Dabei ging es um einen neuen Schwerpunkt, der bei dieser letzten Station hinzugefügt wurde: der Anteil der konventionellen Bauindustrie an der Klimakrise. Mit den Workshops wird die Frage gestellt, wie Naturbaustoffe wie Schafwolle, Pilze oder Hanf künftig eine größere Rolle spielen könnten. In den Workshops wurden Bausteine aus Nutzhanf und anderen Naturbaustoffen hergestellt, daraus entstand ein Tiny House. An einer anderen Ausstellungsbaustelle wurde mit Schafwolle, Lehm und Pilzen gebaut.
Auf zwei Arbeiten sei noch besonders hingewiesen:
Besonders originell ist „Macht Geschenke: Das Kapital“ von Christin Lahr. Die Münchnerin, die in Berlin lebt, zeigt ihre Kritik der politischen Ökonomie. Lahr überweist seit 2009 und voraussichtlich bis 2052 täglich 1 Cent ans Bundesministerium für Finanzen. Der Überweisung, die sie in der Ausstellung dokumentiert, fügt sie jeweils 108 Zeichen aus Karl Marx’ „Das Kapital, Band 1“ bei. Was der Finanzminister wohl über diese ungeplante Spende denkt?
Besonders Wedding ist der „Zwischenbericht Pankefilter, 2010“ von Kerstin Polzin (Berlin) und Anja Schoeller (Fürth). Sie haben an verschiedenen Flüssen, auch an der Panke, Wasser geschöpft, mit klassischem Filterverfahren gereinigt und in Flaschen abgefüllt. In den Uferhallen ist gefiltertes Flusswasser aus der Panke abgefüllt ausgestellt. Mit ihrer Installation wollen die Künstlerinnen auch dazu einladen, die eigenen Gedanken zu filtern.
„Zwischenbericht Pankefilter, 2010“ von Kerstin Polzin (Berlin) und Anja Schoeller (Fürth). Fotos: Hensel
Gepräche über Nachhaltigkeit
An einigen Tagen gibt es auch Gespräche, an denen ebenfalls ohne Eintritt teilgenommen werden kann:
Dienstag, 6. Juni, 19.30 Uhr: Gespräch über den „Fonds Ästhetik und Nachhaltigkeit“
Anne Schneider (Regisseurin und Konzepterin) im Gespräch mit Dr. Tobias Knoblich (Kulturwissenschaftler und Präsident der Kulturpolitischen Gesellschaft) und Dr. Christine Fuchs (Leiterin STADTKULTUR Netzwerk Bayerischer Städte e.V.)
Mittwoch, 7. Juni, 19.30 Uhr: Bauen neu denken: Hanf, Schafwolle & Co.
Anlässlich ihrer Arbeiten zu Schafwolle und Hanfkalk in der Ausstellung sprechen Folke Köbberling, Künstlerin und Professorin für Architekturbezogene Kunst (TU Braunschweig), und Norbert Höpfer, Mineraloge und Hanfstein-Bauer, mit Eike Roswag-Klinge, Professor für Constructive Design und Climate Adaptive Architecture am Natural Building Lab (TU Berlin) über nachhaltiges Bauen. Dabei wird es um neue und altbekannte Materialien gehen, aber auch um die Frage, was die großen Herausforderungen von nachhaltigem Städtebau heute sind und wie Wissenschaft, Kunst und Politik sie angehen können. Moderiert wird das Gespräch von Teresa Erbach (Research Institute for Sustainability, Potsdam).
Dienstag, 13. Juni, 19.30 Uhr: Art meets Science
Die Künstlerin Ayumi Matsuzaka, Christian Schloh, Dr. Michael Weiß und Dr. Ariane Krause sprechen über kompostierbare Windeln zur Herstellung von Terra Preta
Öffnungszeiten und weitere Infos
„ZNE! – Zur Nachahmung empfohlen“, bis 16. Juli, Dienstag bis Sonntag 12 bis 20 Uhr geöffnet (bei Veranstaltungen bis 22 Uhr), Uferhallen, Uferstraße 8, Eintritt frei, mehr zum Rahmenprogramm online unter www.zur-nachahmung-empfohlen.de
Dankeschön für den Veranstaltungshinweis. Das hört sich sehr interessant an.