Zweieinhalb mal fünf Meter. So groß ist ein Parkplatz durchschnittlich, damit dort Verkehr ruhen kann. Ruhender Verkehr, wie parkende Autos im Fachkreisen bezeichnet werden, das ist dem Duo Jakob Wirth und Alexander Zackarov zu wenig lebendig. Das aufgeweckte Tandem hat das Projekt Wunder Parking gegründet, damit urbane Aktivität dorthin kommt, wo die meisten Menschen Stillstand erwarten – einem Parkplatz.
Wer in den letzten Wochen die Webseite von Wunder Parking besucht hat, der konnte dort Events wie Kaffeestunde, Brettspielzeit, Dinner oder Coworking buchen. Wohlgemerkt auf einem Autostellplatz an einer Straße. Abgerechnet wurde pro Stunde.
Jakob Wirth erzählt, dass es ihn freut, dass einige seiner angelockten Kunden die ganze Sache ernst genommen haben; dass sie aufgrund der Anmutung der Webseite glaubten, es sei ein cleveres Start-up am Werk. Doch Jakob Wirth und sein Kollege mit dem Pseudonym Alexander Zakharov sind Künstler und Aktivisten. Ihnen ging es um die Frage, wem gehört der öffentliche Raum, wer hat Zugang zu ihm, auf welche Weise verhandeln die Berliner über ihn. Um auch außerhalb der Anhänger der Verkehrswende wahrgenommen zu werden, haben sich Jakob Wirth und sein Kollege Wunder Parking ausgedacht und unter Vortäuschung eines cleveren Start-ups präsentiert. Einen Werbefilm hat das Duo im Brüsseler Kiez Antwerpener Straße gedreht.
Konkret handelt es sich bei der Idee um eine rollbare Platte, die vom Duo Plattform genannt wird. Zusammengeklappt ist diese grau wie ein Parkplatz. Geöffnet lässt sie sich vielfältig nutzen und mit Modulen erweitern. So kann aus der Plattform ein Tisch mit Stühlen für ein romantisches Abendessen werden, sie kann sich eine Kaffeebar verwandeln oder in eine Bühne für Musiker. Auch ein Doppelbett unter freiem Himmel ist möglich.
Mit der Aktion Wunder Parking wollten die beiden Künstler und Aktivisten anschlussfähig sein an Gruppen, die nicht zu seinem gewohnten Umfeld gehören. Er wollte mit Unbekannten ins Gespräch kommen, erzählt Jakob Wirth. So sei er zum Beispiel mit einem in der Gründerszene tätigen Berater ins Gespräch gekommen, der über Wunder Parking ein Event auf der Plattform gebucht hatte. Auf der anderen Seite hätten Obdachlose das Bett im Parkplatz neugierig begutachtet und ihn angesprochen. Als Erfolg der Aktion sieht das Duo, dass es funktioniert habe, mit der Aktion Wunder Parking anschlussfähig zu sein an Gruppen, die nicht zu ihrem gewohnten Umfeld gehören. Es habe viel Kontakt und Austausch gegeben. Kaum eine Minute sei ohne Gespräch vergangen, wenn sie mit der Plattform unterwegs waren. Es habe Aufregung gegeben, weil eine Parklücke zweckentfremdet genutzt wurde. Aber andererseits habe die Nachbarschaft Kaffee und Essen vorbeigebracht.
Der Name Wunder Parking spielt auf das richtige Start-up Wunderflat an. Die Webseite vermittelt zeitlich befristete Mietverträge. Das sei ein Trick, um bestehende Gesetze zur Begrenzung von Mieten zu umgehen, ärgert sich Jakob Wirth. Eine Form von Parasitentum, könnte man urteilen. Und mit dem Wort Parasit ist der Ursprung der Aktion Wunder Parking benannt. Das Duo Jakob Wirth und Alexander Zakharov hat im Jahr 2021 in Chicago das Projekt Parasite-Parking gestartet. Hintergrund ist, dass die US-amerikanische Stadt aus Geldnot seine Parkplätze verkauft hatte. Die Entscheidung führte dazu, dass die Stadt bei Demonstrationen Geld an den Investor zahlen muss, wenn die Parkplätze während öffentlicher Versammlungen nicht vermarktet werden können. Und natürlich können wegen des Vertrags mit dem Investor keine Radspuren eingerichtet werden. Parasite-Parking griff dieses Thema auf. „Die Figur des Parasiten erzeugt Irritation, zwingt Systeme dazu, an den Rand zu schauen″, erklärt Jakob Wirth. Inspiriert sei er von den Überlegungen des französischen Philosophen Michel Serres, der im Parasiten eine für Entwicklung notwendige Störung sah.
Die erste Runde Wunder Parking hat es im Mai in der Weddinger Papierstraße gegeben. Dort hat Jakob Wirth sein Atelier. Zehn Tage lang stand Wunder Parking dort für Buchungen bereit. In einer zweiten Runde Anfang September tourte die Plattform über mehrere Standorte durch Berlin.
Mehr Infos gibt es auf der Webseite wunderparking.com (keine Buchungen mehr möglich) und jakobwirth.net/parasite-parking.
Der Text entstand in Zusammenarbeit mit der Weddinger Allgemeinen Zeitung (–> E‑Paper), der gedruckten Zeitung für den Wedding. Autor ist Andrei Schnell.
Parkplätze benötigen 18 bis 27 Quadratmeter (je nach Art und gesetzlicher Bestimmung), weil die Zuwege und Rangierflächen hinzukommen.
Das heißt: Nach Mietpreisspiegel kostet ein öffentlicher Parkplatz rund 10.000 € Subvention pro Jahr (25qm x 4 Stockwerke), die ein Mieter für dieselbe Fläche, die ein Auto benötigt, zahlen müsste.