Anab Awale, Mitglied der SPD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Mitte, hat sich für die Umbenennung der Straßen im Afrikanischen Viertel eingesetzt. Deshalb war sie mit dabei, als am 23. August an der ehemaligen Petersallee die neuen Straßenschilder der Maj-Maji-Allee und der Anna Mungunda-Allee feierlich enthüllt wurden.
Es war ein langer Weg, und er ist noch nicht zu Ende. Schon 2012 hatten Initiativen begonnen, die Umbenennung der Straßen im Afrikanischen Viertel zu fordern. 2016 hat die BVV Mitte dazu einen Beschluss gefasst, 2018 hat das Bezirksamt die Umbenennung angeordnet. Es folgte eine erbitterte Auseinandersetzung von Befürwortern und Gegnern, bei denen das Bezirksamt Mitte keine gute Figur machte. Flugblätter, Widersprüche, Klagen der Anwohner. Letztendlich hat das Oberverwaltungsgericht Berlin entschieden, dass die Umbenennung rechtens war. So konnten im Dezember 2022 die ersten Schilder in der Cornelius-Fredericks-Straße und auf dem Manga-Bell-Platz aufgestellt werden. Es war ein großes Fest mit hochrangigen Gästen. Sogar der König der Duala war aus Kamerun angereist.
Und auch zur Enthüllung der neuen Schilder an der ehemaligen Petersallee ist wieder von den aktiven zivilgesellschaftlichen Gruppen zu einem Gedenkmarsch und zu einem Festakt auf dem Manga-Bell-Platz eingeladen worden.
Anab Awale, Mitglied der SPD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Mitte, hat sich für die Umbenennung der Straßen im Afrikanischen Viertel eingesetzt. Deshalb war sie mit dabei, als am 23. August an der ehemaligen Petersallee die neuen Straßenschilder der Maji-Maji-Allee und der Anna Mungunda-Allee feierlich enthüllt wurden.
Was bedeutet der Abschluss der Umbenennung im Afrikanischen Viertel für Sie und für die Menschen in Berlin, die aus ehemalige Kolonien stammen?
Es ist ein freudiger Tag – ein Meilenstein in der Aufarbeitung unserer kolonialen Vergangenheit. Ein Tag, der von den aktiven der Zivilgesellschaft, die die Debatte angestoßen haben, mit sehr gutem Grund gefeiert wird. Es ist für mich auch ein guter Tag für die Demokratie. Denn Demokratie ist ein Prozess, in dem man für seine Meinung einsteht und, wenn man hartnäckig ist und dran bleibt, auch Meinungen verändern und damit auch Mehrheiten verändern kann. In Mitte ist aus einer Meinung einer vermeintlichen Minderheit eine Meinung der Mehrheit geworden – als Sozialdemokratin freue ich mich auch, dass es dank der SPD Rehberge war – was den Umgang mit der kolonialen Vergangenheit betrifft. So funktioniert Demokratie. Und es ist auch ein ungemein emanzipatorisch für die Menschen, die von Rassismus und Diskriminierung betroffen sind: Dank ihrem unermüdlichen Einsatz ist unsere geteilte Geschichte sichtbar, und sie bemerken und spüren, dass ihr Einbringen in politische Prozesse etwas bewirken kann .
Werden die neuen Namen zu einem anderen Blick auf die deutsche Kolonialzeit führen?
Der erste Schritt ist die Tilgung der Namen, die für das koloniale Unrecht stehen. Mit den neuen Namen kommt die Anerkennung der unterschiedlichen (historischen) Erfahrungen. Parallele Geschichten und Lebensläufe, die in unserer Gesellschaft existieren werden sichtbar gemacht. So können sich die geteilten Geschichte(n) miteinander verweben und zu einer neuen, gemeinsamen Geschichte werden.
Vom BVV-Beschluss 2016 bis heute hat die Umsetzung acht Jahre gedauert. Hat der Bezirk Mitte bei der Umsetzung Fehler gemacht?
Es gibt die politische Weisheit, die sagt: „Lange Wege sind Lernwege“. Die Umbenennung im Afrikanischen Viertel ist ein Beispiel, wie man den verwalterischen Prozess einer Umbenennung nicht machen soll. Eine Umbenennung ist ein hoch emotionaler Vorgang. Den kann man nicht ohne gut vorbereitete und moderierte Beteiligung der Anwohnenden „einfach“ umsetzen. Die damalige grüne Stadträtin für das Straßen- und Grünflächenamt, Frau Weissler, hat entschieden, einen nicht durchdachten Prozess auch noch ohne die Anwohnenden und betroffenen Communities zu machen.
Bei der Umbenennung des Nettelbeckplatzes hat man den Prozess jetzt anders gestaltet, obwohl es gar keine Anwohnenden gibt und hier eine Umbenennung nach dem Straßengesetz auch ohne Beteiligung möglich ist. Aber hier sind die betroffenen Communities genauso eingebunden wie der Spätiladen ums Eck aber auch die Nutzer*innen des Platzes, bspw. durch eine Informations- und Austauschveranstaltung am Platz selbst. Und das Bezirksamt hat gelernt, dass es sinnvoll ist, wenn es den Prozess nicht selbst moderiert, sondern Expert*innen von Beteiligungsprozessen dies machen.
Was muss noch gemacht werden und wo?
Die Umbenennung der Straßen ist nur ein erster Schritt. Es ist entscheidend, dass wir diese neuen Namen und die damit verbundenen Geschichten fest in unsere Bildungsarbeit integrieren, ähnlich wie nach dem Zweiten Weltkrieg und nach dem Mauerfall, als die Aufarbeitung der NS-Zeit und der DDR-Vergangenheit in die Schulbildung aufgenommen wurde. Als ich als sechsjähriges Kind aus Somalia nach Stuttgart kam, da wurde die Kolonialzeit in der Schule nicht gut behandelt, weil es mit dem Ton des Bedauerns „Das waren unsere Kolonien, und wir haben sie verloren” besprochen wurde. Wir müssen sicherstellen, dass die koloniale Vergangenheit Deutschlands umfassend und kritisch in Schulen, Museen und öffentlichen Diskursen behandelt wird. Zusätzlich sollten wir weiter gegen institutionellen Rassismus kämpfen, der heute noch tief in unseren gesellschaftlichen Strukturen verwurzelt ist, wie es die Erfahrungen von vielen in dieser Gesellschaft beschreiben. Gedenkorte und eine aktive Erinnerungskultur sind notwendig, um die Vergangenheit nicht nur zu erkennen, sondern auch ihre langfristigen Auswirkungen auf unsere heutige Gesellschaft zu verstehen und anzugehen.
Dafür möchte ich auch im Sinne der kritischen Aufarbeitung der deutschen Kolonialvergangenheit die Schwarze VHS im Bezirk Mitte weiter stärken und den Bücherbestand der städtischen Bibliotheken um Autor*innen erweitern, die sich als Black und People of Colour verstehen oder aus dem Globalen Süden stammen.
Einige Anwohner haben sich bis zuletzt gegen die Umbenennung gewehrt. Wie kann die in Lager gespaltene Anwohnerschaft wieder zusammen kommen?
Alle wird man in einer Demokratie nie glücklich machen können. Und ein Zurück wird es definitiv nicht mehr geben. Leider ist der Beteiligungsprozess im Afrikanischen Viertel unglücklich verlaufen. Aber jetzt geht es weiter, denn jetzt geht es erst richtig los. Nach der Umbenennung muss die Umgestaltung kommen. Auf dem Manga-Bell-Platz ist ja wirklich nicht viel los. Da müsste man sich auch ohne die Umbenennung etwas einfallen lassen.Hier muss ein Lern- und Erinnerungsort entstehen. Ein Beschluss der BVV Mitte dazu liegt seit 2021 vor. Es gibt so viele Ansatzpunkte, etwas aus dem Platz zu machen: Was stand da früher? Was ist mit der Friedrich-Ebert-Siedlung gleich daneben? Und wie steht dies in Zusammenhang mit der geteilten Geschichten in der Kaiserzeit? Bei schönem Wetter könnte ich mir hier auch ein Theaterstück vorstellen. (Anmerkung der Redaktion: Ein Theaterstück, das das Afrikanische Viertel aus Sicht eines Afrikaners beschreibt, wurde bereits 2023 in Berlin aufgeführt). Und natürlich muss es einen offenen Dialog geben: „Wie wollen wir den Platz wieder beleben?“ Das wäre dann auch die Chance, die Anwohnenden wieder zusammen zu bringen.
Ich habe 14 Jahre im sogenannten Afrikanischen Viertel gewohnt, habe zwar einen Migrationshintergrund: bin aber kein Afrikaner. Auch kein Engländer. Ein Immobilienhändler stand mal emphatisch mitten auf der Türkenstraße (in München gibt’s übrigens auch eine angesehene), und pries diese hier als “bevorzugt” angeboten, weil das Viertel am Schillerpark ruhig sei usw.
Aber, liebe Leute, wenn ich über die Kongostraße, Togostraße ging, dabei die Lüderitzstraße berühren musste, hatt ich immer ein schlechtes Gewissen. Von der Petersallee, dem Nachtigalplatz usw. mit den Sch*-Namen nicht zu reden. Auch nicht von der Bismarckstraße, Heinrich-von-Treitschke-Straße und ähnlichen Erinnerungen an Reaktionäre. Endlich tut sich was, auch wenn ich es etwas verlogen finde, was für mich mindestens nach Schönfärberei klingt.
Habe da Erfahrungen mit den GRÜNEN in Frankfurt am Main, denen Umbenennungen ein Herzensanliegen war. Obwohl ich dort und auch hier in Berlin für diese politische Bewegung arbeitete – daher Vergangenheitsform, denn macht Umbenennung mein Gewissen rein und glücklich?
Ein Freund von mir lebt in der Cornelius-Fredericks-Str.
Er hatte einiges an Ärger durch die Umstellung.
Bei den Steuererklärungen musste er die alten mit dem alten Straßennamen machen und die 2023 mit dem neuen. Gesagt hat ihm das keiner, erst durch Anrufe beim Elster Service kam er weiter.
Das das Amt am Ende die Änderung so gepusht und Anwohner bzgl der Konsequenzen nur schlecht informiert hat, war echt ärgerlich für die Anwohner.
Maji-Maji-Allee? Wird nicht an die Anwohner gedacht, die jetzt ihren Personalausweisweis auf eigene Kosten ändern lassen müssen? Wenn man wo anruft und seine Adresse mitteilen muss und der Angerufene auch beim 10. Mal nicht versteht? Ausserdem finde ich, dass das unsere Geschichte ist, auch wenn das nicht gerade ruhmreich war. Damit, dass ich Strassen umbenenne, ist die ja nicht weg. Auch der Nachtigalplatz, ich dachte, dass der nach dem Vogel benannt wurde.
Haben Sie den Artikel eigentlich gelesen? Niemand hat behauptet, dass es darum geht, die Geschichte zu tilgen. Es geht einzig darum, nicht mehr an die Täter zu erinnern sondern an die Opfer.
Falls Sie Schwierigkeiten haben, jemanden den Straßennamen mitzuteilen, sollten Sie es mal mit Buchstabieren probieren.
Im Übrigen: „Für die Umschreibung der Meldeanschrift in den Ausweisdokumenten der Anwohnenden werden im Bürgeramt Osloer Straße ab dem 26.08.2024 bis zum 31.10.2024 Sondertermine zur Verfügung gestellt, die unter der Servicenummer 115 mit Hinweis auf die Umbenennung zu reservieren sind. Für die Umschreibung fallen keine Gebühren an. Auch eine Änderung der Anschrift in der Kfz-Zulassungsbescheinigung Teil l bzw. im Fahrzeugschein ist kostenfrei. „
Die Besiedlung des Planeten ist eine von Gewalt geprägte bei endlichem Raumangebot. Unterwerfung und Überlagerung ansässiger Kulturen die Regel. Was geschieht, wenn Neuzeit auf Steinzeit trifft? Die Heimgesuchten als menschlich Gleichgestellte anerkennen? Die überlegene Kultur zeigt sich selten tolerant. Das wehrunfähige Zivil als Beifang, dies ist der Weg zur Sklaverei. Natürlich war Herr Peters keiner von den Guten, allerdings aus der Sicht der Postmoderne. Gefeiert wurde der Vollzug eines Verwaltungsaktes, dürftig, wohlfeil, geschichtsvergessen. Dazu passend, der Artikel. Wann widmet man sich der Malplaquetstraße?