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Nach der Umbenennung der Petersallee im Wedding:
Wir müssen Geschichten miteinander verweben

26. August 2024
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Anab Awa­le, Mit­glied der SPD-Frak­ti­on in der Bezirks­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung (BVV) Mit­te, hat sich für die Umbe­nen­nung der Stra­ßen im Afri­ka­ni­schen Vier­tel ein­ge­setzt. Des­halb war sie mit dabei, als am 23. August an der ehe­ma­li­gen Peter­s­al­lee die neu­en Stra­ßen­schil­der der Maj-Maji-Allee und der Anna Mun­gun­da-Allee fei­er­lich ent­hüllt wurden.

Foto: Michail Stangl

Es war ein lan­ger Weg, und er ist noch nicht zu Ende. Schon 2012 hat­ten Initia­ti­ven begon­nen, die Umbe­nen­nung der Stra­ßen im Afri­ka­ni­schen Vier­tel zu for­dern. 2016 hat die BVV Mit­te dazu einen Beschluss gefasst, 2018 hat das Bezirks­amt die Umbe­nen­nung ange­ord­net. Es folg­te eine erbit­ter­te Aus­ein­an­der­set­zung von Befür­wor­tern und Geg­nern, bei denen das Bezirks­amt Mit­te kei­ne gute Figur mach­te. Flug­blät­ter, Wider­sprü­che, Kla­gen der Anwoh­ner. Letzt­end­lich hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin ent­schie­den, dass die Umbe­nen­nung rech­tens war. So konn­ten im Dezem­ber 2022 die ers­ten Schil­der in der Cor­ne­li­us-Fre­de­ricks-Stra­ße und auf dem Man­ga-Bell-Platz auf­ge­stellt wer­den. Es war ein gro­ßes Fest mit hoch­ran­gi­gen Gäs­ten. Sogar der König der Dua­la war aus Kame­run ange­reist.
Und auch zur Ent­hül­lung der neu­en Schil­der an der ehe­ma­li­gen Peter­s­al­lee ist wie­der von den akti­ven zivil­ge­sell­schaft­li­chen Grup­pen zu einem Gedenk­marsch und zu einem Fest­akt auf dem Man­ga-Bell-Platz ein­ge­la­den worden.

Foto: SPD-Frak­ti­on Berlin-Mitte

Anab Awa­le, Mit­glied der SPD-Frak­ti­on in der Bezirks­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung (BVV) Mit­te, hat sich für die Umbe­nen­nung der Stra­ßen im Afri­ka­ni­schen Vier­tel ein­ge­setzt. Des­halb war sie mit dabei, als am 23. August an der ehe­ma­li­gen Peter­s­al­lee die neu­en Stra­ßen­schil­der der Maji-Maji-Allee und der Anna Mun­gun­da-Allee fei­er­lich ent­hüllt wur­den.


Was bedeu­tet der Abschluss der Umbe­nen­nung  im Afri­ka­ni­schen Vier­tel für Sie und für die Men­schen in Ber­lin, die aus ehe­ma­li­ge Kolo­nien stam­men?

Es ist ein freu­di­ger Tag – ein Mei­len­stein in der Auf­ar­bei­tung unse­rer kolo­nia­len Ver­gan­gen­heit. Ein Tag, der von den akti­ven der Zivil­ge­sell­schaft, die die Debat­te ange­sto­ßen haben, mit sehr gutem Grund gefei­ert wird. Es ist für mich auch ein guter Tag für die Demo­kra­tie. Denn Demo­kra­tie ist ein Pro­zess, in dem man für sei­ne Mei­nung ein­steht und, wenn man hart­nä­ckig ist und dran bleibt, auch Mei­nun­gen ver­än­dern und damit auch Mehr­hei­ten ver­än­dern kann. In Mit­te ist aus einer Mei­nung einer ver­meint­li­chen Min­der­heit eine Mei­nung der Mehr­heit gewor­den – als Sozi­al­de­mo­kra­tin  freue ich mich auch, dass es dank der SPD Reh­ber­ge war – was den Umgang mit der kolo­nia­len Ver­gan­gen­heit betrifft. So funk­tio­niert Demo­kra­tie. Und es ist auch ein unge­mein eman­zi­pa­to­risch für die Men­schen, die von Ras­sis­mus und Dis­kri­mi­nie­rung betrof­fen sind: Dank ihrem uner­müd­li­chen Ein­satz ist unse­re geteil­te Geschich­te sicht­bar, und sie bemer­ken und spü­ren, dass ihr Ein­brin­gen in poli­ti­sche Pro­zes­se etwas bewir­ken kann .

Wer­den die neu­en Namen zu einem ande­ren Blick auf die deut­sche Kolo­ni­al­zeit füh­ren?

Der ers­te Schritt ist die Til­gung der Namen, die für das kolo­nia­le Unrecht ste­hen. Mit den neu­en Namen kommt die Aner­ken­nung der unter­schied­li­chen (his­to­ri­schen) Erfah­run­gen. Par­al­le­le Geschich­ten und Lebens­läu­fe, die in unse­rer Gesell­schaft exis­tie­ren wer­den sicht­bar gemacht. So kön­nen sich die geteil­ten Geschichte(n) mit­ein­an­der ver­we­ben und zu einer neu­en, gemein­sa­men Geschich­te wer­den.

Vom BVV-Beschluss 2016 bis heu­te hat die Umset­zung acht Jah­re gedau­ert. Hat der Bezirk Mit­te bei der Umset­zung  Feh­ler gemacht?

Es gibt die poli­ti­sche Weis­heit, die sagt: „Lan­ge Wege sind Lern­we­ge“. Die Umbe­nen­nung im Afri­ka­ni­schen Vier­tel ist ein Bei­spiel, wie man den ver­wal­te­ri­schen Pro­zess einer Umbe­nen­nung nicht machen soll. Eine Umbe­nen­nung ist ein hoch emo­tio­na­ler Vor­gang. Den kann man nicht ohne gut vor­be­rei­te­te und mode­rier­te  Betei­li­gung der Anwoh­nen­den „ein­fach“ umset­zen. Die dama­li­ge grü­ne Stadt­rä­tin für das Stra­ßen- und Grün­flä­chen­amt, Frau Weiss­ler, hat ent­schie­den, einen nicht durch­dach­ten Pro­zess auch noch ohne die Anwoh­nen­den und betrof­fe­nen Com­mu­ni­ties zu machen.
Bei der Umbe­nen­nung des Net­tel­beck­plat­zes hat man den Pro­zess jetzt anders gestal­tet, obwohl es gar kei­ne Anwoh­nen­den gibt und hier eine Umbe­nen­nung nach dem Stra­ßen­ge­setz auch ohne Betei­li­gung mög­lich ist. Aber hier sind die betrof­fe­nen Com­mu­ni­ties genau­so ein­ge­bun­den wie der Spät­i­la­den ums Eck aber auch die Nutzer*innen des Plat­zes, bspw. durch eine Infor­ma­ti­ons- und Aus­tausch­ver­an­stal­tung am Platz selbst.  Und das Bezirks­amt hat gelernt, dass es sinn­voll ist, wenn es den Pro­zess nicht selbst mode­riert, son­dern Expert*innen von Betei­li­gungs­pro­zes­sen dies machen.

Was muss noch gemacht wer­den und wo?

Die Umbe­nen­nung der Stra­ßen ist nur ein ers­ter Schritt. Es ist ent­schei­dend, dass wir die­se neu­en Namen und die damit ver­bun­de­nen Geschich­ten fest in unse­re Bil­dungs­ar­beit inte­grie­ren, ähn­lich wie nach dem Zwei­ten Welt­krieg und nach dem Mau­er­fall, als die Auf­ar­bei­tung der NS-Zeit und der DDR-Ver­gan­gen­heit in die Schul­bil­dung auf­ge­nom­men wur­de. Als ich als sechs­jäh­ri­ges Kind aus Soma­lia nach Stutt­gart kam, da wur­de die Kolo­ni­al­zeit in der Schu­le nicht gut behan­delt, weil es mit dem Ton des Bedau­erns „Das waren unse­re Kolo­nien, und wir haben sie ver­lo­ren” bespro­chen wur­de. Wir müs­sen sicher­stel­len, dass die kolo­nia­le Ver­gan­gen­heit Deutsch­lands umfas­send und kri­tisch in Schu­len, Muse­en und öffent­li­chen Dis­kur­sen behan­delt wird. Zusätz­lich soll­ten wir wei­ter gegen insti­tu­tio­nel­len Ras­sis­mus kämp­fen, der heu­te noch tief in unse­ren gesell­schaft­li­chen Struk­tu­ren ver­wur­zelt ist, wie es die Erfah­run­gen von vie­len in die­ser Gesell­schaft beschrei­ben. Gedenk­or­te und eine akti­ve Erin­ne­rungs­kul­tur sind not­wen­dig, um die Ver­gan­gen­heit nicht nur zu erken­nen, son­dern auch ihre lang­fris­ti­gen Aus­wir­kun­gen auf unse­re heu­ti­ge Gesell­schaft zu ver­ste­hen und anzu­ge­hen.
Dafür möch­te ich auch im Sin­ne der kri­ti­schen Auf­ar­bei­tung der deut­schen Kolo­ni­al­ver­gan­gen­heit die Schwar­ze VHS im Bezirk Mit­te wei­ter stär­ken und den Bücher­be­stand der städ­ti­schen Biblio­the­ken um Autor*innen erwei­tern, die sich als Black und Peo­p­le of Colour ver­ste­hen oder aus dem Glo­ba­len Süden stam­men.

Eini­ge Anwoh­ner haben sich bis zuletzt gegen die Umbe­nen­nung gewehrt. Wie kann die in Lager gespal­te­ne Anwoh­ner­schaft wie­der zusam­men kom­men?

Alle wird man in einer Demo­kra­tie nie glück­lich machen kön­nen. Und ein Zurück wird es defi­ni­tiv nicht mehr geben. Lei­der ist der Betei­li­gungs­pro­zess im Afri­ka­ni­schen Vier­tel unglück­lich ver­lau­fen. Aber jetzt geht es wei­ter, denn jetzt geht es erst rich­tig los. Nach der Umbe­nen­nung muss die Umge­stal­tung kom­men. Auf dem Man­ga-Bell-Platz ist ja wirk­lich nicht viel los. Da müss­te man sich auch ohne die Umbe­nen­nung etwas ein­fal­len lassen.Hier muss ein  Lern- und Erin­ne­rungs­ort ent­ste­hen. Ein Beschluss der BVV Mit­te dazu liegt seit 2021 vor. Es gibt so vie­le Ansatz­punk­te, etwas aus dem Platz zu machen: Was stand da frü­her? Was ist mit  der Fried­rich-Ebert-Sied­lung gleich dane­ben? Und wie steht dies in Zusam­men­hang mit der geteil­ten Geschich­ten  in der Kai­ser­zeit? Bei schö­nem Wet­ter könn­te ich mir hier auch ein Thea­ter­stück vor­stel­len. (Anmer­kung der Redak­ti­on: Ein Thea­ter­stück, das das Afri­ka­ni­sche Vier­tel aus Sicht eines Afri­ka­ners beschreibt, wur­de bereits 2023 in Ber­lin auf­ge­führt). Und natür­lich muss es einen offe­nen Dia­log geben: „Wie wol­len wir den Platz wie­der bele­ben?“ Das wäre dann auch die Chan­ce, die Anwoh­nen­den wie­der zusam­men zu bringen.

Rolf Fischer

Ich lebe gerne im Wedding und schreibe über das, was mir gefällt. Manchmal gehe ich auch durch die Türen, die in diesem Teil der Stadt meistens offen stehen.

5 Comments Leave a Reply

  1. Ich habe 14 Jah­re im soge­nann­ten Afri­ka­ni­schen Vier­tel gewohnt, habe zwar einen Migra­ti­ons­hin­ter­grund: bin aber kein Afri­ka­ner. Auch kein Eng­län­der. Ein Immo­bi­li­en­händ­ler stand mal empha­tisch mit­ten auf der Tür­ken­stra­ße (in Mün­chen gibt’s übri­gens auch eine ange­se­he­ne), und pries die­se hier als “bevor­zugt” ange­bo­ten, weil das Vier­tel am Schil­ler­park ruhig sei usw.
    Aber, lie­be Leu­te, wenn ich über die Kon­go­stra­ße, Togo­stra­ße ging, dabei die Lüde­ritz­stra­ße berüh­ren muss­te, hatt ich immer ein schlech­tes Gewis­sen. Von der Peter­s­al­lee, dem Nach­ti­gal­platz usw. mit den Sch*-Namen nicht zu reden. Auch nicht von der Bis­marck­stra­ße, Hein­rich-von-Treit­sch­ke-Stra­ße und ähn­li­chen Erin­ne­run­gen an Reak­tio­nä­re. End­lich tut sich was, auch wenn ich es etwas ver­lo­gen fin­de, was für mich min­des­tens nach Schön­fär­be­rei klingt.
    Habe da Erfah­run­gen mit den GRÜNEN in Frank­furt am Main, denen Umbe­nen­nun­gen ein Her­zens­an­lie­gen war. Obwohl ich dort und auch hier in Ber­lin für die­se poli­ti­sche Bewe­gung arbei­te­te – daher Ver­gan­gen­heits­form, denn macht Umbe­nen­nung mein Gewis­sen rein und glücklich?

  2. Ein Freund von mir lebt in der Cornelius-Fredericks-Str.
    Er hat­te eini­ges an Ärger durch die Umstellung.
    Bei den Steu­er­erklä­run­gen muss­te er die alten mit dem alten Stra­ßen­na­men machen und die 2023 mit dem neu­en. Gesagt hat ihm das kei­ner, erst durch Anru­fe beim Els­ter Ser­vice kam er weiter.
    Das das Amt am Ende die Ände­rung so gepusht und Anwoh­ner bzgl der Kon­se­quen­zen nur schlecht infor­miert hat, war echt ärger­lich für die Anwohner.

  3. Maji-Maji-Allee? Wird nicht an die Anwoh­ner gedacht, die jetzt ihren Per­so­nal­aus­weis­weis auf eige­ne Kos­ten ändern las­sen müs­sen? Wenn man wo anruft und sei­ne Adres­se mit­tei­len muss und der Ange­ru­fe­ne auch beim 10. Mal nicht ver­steht? Aus­ser­dem fin­de ich, dass das unse­re Geschich­te ist, auch wenn das nicht gera­de ruhm­reich war. Damit, dass ich Stras­sen umbe­nen­ne, ist die ja nicht weg. Auch der Nach­ti­gal­platz, ich dach­te, dass der nach dem Vogel benannt wurde.

    • Haben Sie den Arti­kel eigent­lich gele­sen? Nie­mand hat behaup­tet, dass es dar­um geht, die Geschich­te zu til­gen. Es geht ein­zig dar­um, nicht mehr an die Täter zu erin­nern son­dern an die Opfer.
      Falls Sie Schwie­rig­kei­ten haben, jeman­den den Stra­ßen­na­men mit­zu­tei­len, soll­ten Sie es mal mit Buch­sta­bie­ren probieren.
      Im Übri­gen: „Für die Umschrei­bung der Mel­de­an­schrift in den Aus­weis­do­ku­men­ten der Anwoh­nen­den wer­den im Bür­ger­amt Oslo­er Stra­ße ab dem 26.08.2024 bis zum 31.10.2024 Son­der­ter­mi­ne zur Ver­fü­gung gestellt, die unter der Ser­vice­num­mer 115 mit Hin­weis auf die Umbe­nen­nung zu reser­vie­ren sind. Für die Umschrei­bung fal­len kei­ne Gebüh­ren an. Auch eine Ände­rung der Anschrift in der Kfz-Zulas­sungs­be­schei­ni­gung Teil l bzw. im Fahr­zeug­schein ist kostenfrei. „

  4. Die Besied­lung des Pla­ne­ten ist eine von Gewalt gepräg­te bei end­li­chem Raum­an­ge­bot. Unter­wer­fung und Über­la­ge­rung ansäs­si­ger Kul­tu­ren die Regel. Was geschieht, wenn Neu­zeit auf Stein­zeit trifft? Die Heim­ge­such­ten als mensch­lich Gleich­ge­stell­te aner­ken­nen? Die über­le­ge­ne Kul­tur zeigt sich sel­ten tole­rant. Das wehr­un­fä­hi­ge Zivil als Bei­fang, dies ist der Weg zur Skla­ve­rei. Natür­lich war Herr Peters kei­ner von den Guten, aller­dings aus der Sicht der Post­mo­der­ne. Gefei­ert wur­de der Voll­zug eines Ver­wal­tungs­ak­tes, dürf­tig, wohl­feil, geschichts­ver­ges­sen. Dazu pas­send, der Arti­kel. Wann wid­met man sich der Malplaquetstraße?

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