20.6.2018, Meinung Baum und Fluss, Park und Biene sind Begriffe, die natürlich auch jeder Stadtbewohner kennt. Zusammen mit See und Blume bilden diese Wörter ein Stückchen dessen ab, was wir als Natur kennen und mögen. Beim Langen Tag der Stadtnatur am Wochenende habe ich im Gemeinschaftsgarten Himmelbeet einen neuen Begriff gelernt: Multicodierung. Vielleicht kann er so manches grüne Fleckchen in der Stadt retten.
Mit Multicodierung ist das Konzept der Mehrfachnutzung einer Fläche gemeint, insbesondere einer Grün- oder Freifläche. Ich lernte bei einer Führung im Himmelbeet, dass der Gemeinschaftsgarten bereits ein multicodierter Raum ist, denn er bietet sehr verschiedene Nutzungsmöglichkeiten. Einige Besucher gärtnern, andere besuchen Veranstaltungen im Garten, wieder andere trinken nur einen Kaffee und essen Nudeln mit selbstgemachtem Gartenpesto. Wieder andere reparieren ihr Fahrrad oder organisieren Diskussionsrunden während nebenan im Lehmbackofen Brot und Brötchen gebacken werden. So funktioniert Multicodierung. Es bedeutet auch, dass eine Fläche intensiv von den verschiedensten Menschen genutzt wird – wie das Himmelbeet.
Und es geht noch weiter mit den Möglichkeiten! Dem Gemeinschaftsgarten, der nur zur Zwischennutzung auf dem bezirkseigenen Grundstück in der Ruheplatzstraße 12 zu Gast ist, droht derzeit die Verdrängung durch ein Fußball-Bildungsprojekt. Das muss doch nicht sein! Hätten die Bezirkspolitiker das Wort Multicodierung gekannt, hätten sie es dem sozialen Sportprojekt mitteilen können – und, schwups, hätten wir eine Fußball-Bildungszentrum mit Gemeinschaftsgarten gehabt. Welche Möglichkeiten hätte das für beide Projekte gebracht? Leider werden wir es wohl nicht erfahren, denn der Nutzungsvertrag des Gartenprojektes mit dem Bezirk Mitte endet nach der Ernte im Oktober.
In Zeiten, in denen die Stadt wächst, in denen Wohnungen ebenso dringend gebraucht werden wie Schulen, Kitas und Sportplätze, sollte die große Stunde der intelligent überlegten Mehrfachnutzungen von Flächen sein. Es macht keinen Sinn, eine Nutzung gegen die andere auszuspielen, denn alles wird benötigt in der wachsenden Stadt – auch die Grünflächen. Es macht auch wenig Sinn, großzügig Flächen für nur eine Nutzung zu verteilen, denn der Platz wird immer knapper. Die Stadtplaner kennen da ein Wort, das nicht so schön klingt, aber höchst effektvoll ist. Ich habe es am Wochenende beim Langen Tag der Stadtnatur im Himmelbeet gelernt …
Die Frage sollte nicht lauten: Garten oder Fußball? Sie sollte auch nicht lauten: Kleingarten oder Wohnung, Kita oder Park, Schule oder Studenten-WG? Wir haben bisher viel zu wenige Flächen, die verschiedene Nutzungen kombinieren. Doch könnte nicht genau das ein Teil der Lösung sein für die Platzprobleme der wachsenden Stadt? Welch‘ spannenden Möglichkeiten könnten sich ergeben!
Hoffentlich machen sich auch die Bezirkspolitiker in Mitte ganz bald mit der Idee der Multicodierung vertraut. Hoffentlich erkennen sie die Chancen, die darin liegen. Statt die knapper werdenden Flächen einer einzigen Nutzung zuzuordnen, könnten damit Flächen effizienter und für mehrere Zwecke genutzt werden.
Dominique Hensel findet die Idee der Multicodierung sehr spannend und denkt, dass in der Mehrfachnutzung von Flächen großes Potential liegt.
Liebe Dominique, eine fabelhafte Idee und es würde Menschen, die sonst nicht zusammenfinden würden, näher zueinander bringen.
Welche Möglichkeiten du da eröffnest: Büros der öffentlichen Verwaltung, die ja nur tagsüber genutzt werden, könnten nachts als Schlafplätze für Obdachlose dienen, Kirchen, die ja nur Sonntags besucht werden, könnten Freitags für das islamische Freitagsgebet offen stehen… Alle ein bisschen enger zusammenrücken bitte.
Prinzip verstanden! 🙂