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Wilde Romanze mit der Stadtnatur

20. Juni 2017
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Führung "Ost-West-Romanze" beim Langen Tag der StadtNatur am 18. Juni 2017. Hier: an der Strelitzer Straße. Foto: Hensel
Lin­den­blü­ten ern­ten an der Stre­lit­zer Stra­ße. Foto: Hensel

Lin­den­blü­ten kann man essen, klar. Da gibt es ja auch Tee, den kennt man. Aber wie ist es mit Ahorn­blät­tern oder jun­gen Rot­bu­chen­trie­ben von der Hecke am Weg? Am Sonn­tag (18.6.) fiel eine Grup­pe von Stadt­er­kun­dern auf dem Mau­er­strei­fen an der Ber­nau­er Stra­ße dadurch auf, dass sie beim unschein­ba­ren Grün­zeug stopp­te und Blü­ten und Blät­ter ver­kos­te­te. Es war Lan­ger Tag der Stadt­na­tur und die Grup­pe war unter­wegs im Rah­men der Füh­rung „Ost-West-Roman­ze“.

Es ist erstaun­lich, wie viel Wis­sen im Lau­fe der Jahr­zehn­te und Jahr­hun­der­te ver­lo­ren gegan­gen ist. Die Groß­müt­ter wuss­ten noch, dass die jun­gen Blät­ter und zar­ten Früch­te des Ahorns wun­der­bar schme­cken, wes­halb der Baum auch als Salat­baum bezeich­net wur­de. Moder­ne Stadt­men­schen schau­en irri­tiert, wenn man ihnen sagt, das Blatt da mal in den Mund zu ste­cken zu kos­ten. Kath­rin Scheu­rich hat die zwan­zig Teil­neh­mer der Tour am Sonn­tag dazu ermuntert.

Führung "Ost-West-Romanze" beim Langen Tag der StadtNatur am 18. Juni 2017. Hier: Nordbahnhofpark. Foto: Hensel
Im Nord­bahn­hof­park wächst Bei­fuß. Kath­rin Scheu­rich (rechts) zeigt ihn den Tour­teil­neh­mern. Foto: Hensel

Am Nord­bahn­hof star­tend spa­zier­te die Grup­pe auf dem ehe­ma­li­gen Mau­er­strei­fen an der Ber­nau­er Stra­ße ent­lang, kos­te­te und staun­te. „Wir sam­meln immer nur wenig – damit die Insek­ten auch etwas haben“, gab ihnen die Natur- und Umwelt­päd­ago­gin beim Brom­beer­strauch am Anfang der Füh­rung mit auf den Weg. Vie­les gab es zu erfah­ren. An einem Sau­er­kirsch­baum etwa erin­ner­te Kath­rin Scheu­rich an die Her­kunft der Bäu­me: Die Japa­ner waren von der Tei­lung Ber­lins so erschüt­tert, dass sie eine Spen­den­samm­lung durch­führ­ten und 900.000 Kirsch­bäu­me kauf­ten, die am Grenz­strei­fen in Ber­lin und Bran­den­burg gepflanzt wur­den. Der Kirch­baum, von dem die Tour-Teil­neh­mer nasch­ten, gehö­re ver­mut­lich zu die­sen Bäu­men – so wie zum Bei­spiel die Kir­schen am Bahn­hof Wollankstraße.

Vie­le inter­es­san­te Geschmacks- und Aha-Erleb­nis­se sowie Details aus der Zeit der deutsch-deut­schen Tei­lung mar­kier­ten den Weg auf dem Mau­er­strei­fen. Natür­lich durf­te auch der Hin­weis auf die Web­sei­te www.mundraub.org nicht feh­len. Auf der Sei­te wird auf­ge­führt, wo an wel­che Obst­bäu­me im öffent­li­chen Raum fin­det und wo man Früch­te ern­ten darf.

Führung "Ost-West-Romanze" beim Langen Tag der StadtNatur am 18. Juni 2017. Hier: gesammelte Pflanzen. Foto: Hensel
Eine Hand voll Stadt­na­tur: Kir­schen, Hop­f­en­trie­be, Brom­beer- und Lin­den­blü­ten und Buchen­blät­ter. Foto: Hensel

„Wo einst Betre­ten durch Schieß­be­fehl ver­bo­ten war, wach­sen heu­te lecke­re Wild­kräu­ter“, hat­te Kath­rin Scheu­rich ver­spro­chen. Und tat­säch­lich hat­ten die Teil­neh­mer der Füh­rung am Ende so vie­le Kräu­ter, Blät­ter und Blü­ten gesam­melt, dass dar­aus im Wein­lo­kal Mau­er­win­zer Wild­kräu­ter­but­ter, blü­ten­sü­ßer Kräu­ter­quark, lecke­rer gebra­te­ner Hop­fen und Brenn­nes­sel-Chips gemacht wer­den konn­ten. Dazu gab es Weiß­wein – einer aus dem Wes­ten, einer aus dem Osten des Lan­des – und selbst­ge­mach­te Holun­der­li­mo­na­de. Das war eine schö­ne und beson­ders lecke­re Roman­ze von Ost und West an einem his­to­ri­schen Ort.

Für Kath­rin Scheu­rich war die Tour beim Lan­gen Tag der Stadt­na­tur eine Pre­mie­re. Sie bie­tet sonst Groß­stadt­safa­ris für Fami­li­en, Wild­kräu­ter­werk­stät­ten, Füh­run­gen auf dem Tem­pel­ho­fer Feld und in der his­to­ri­schen Mit­te Ber­lins an – immer zeigt sie dabei die leben­di­ge und ess­ba­re Stadt. Auch im Sol­di­ner Kiez ist sie aktiv, bringt den Kin­dern dort im Rah­men des vom Quar­tiers­ma­nage­ment geför­der­ten Pro­jek­tes „Schu­le im Wald“ Natur­er­fah­run­gen. Wer die Ost-West-Roman­ze ver­passt hat: beim Lan­gen Tag der Stadt­na­tur im kom­men­den Jahr soll sie wie­der im Pro­gramm sein.

Text und Fotos: Domi­ni­que Hensel

4 Comments Leave a Reply

  1. Ein klei­ne Konkretisierung:

    http://www.das-japanische-gedaechtnis.de/themenbereiche-a‑z/orte/berlin-japanische-kirschbaeume-an-dem-berliner-mauerweg.html

    Ent­lang dem Ber­li­ner Mau­er­weg und an sons­ti­gen Orten in Ber­lin und an ande­ren Regio­nen wie z.B. Pots­dam wur­den nach der Wie­der­ver­ei­ni­gung Tau­sen­de von japa­ni­schen Kirsch­bäu­men auf Grund einer gross­zü­gig ange­leg­ten Spen­den­ak­ti­on in Japan durch den japa­ni­schen Fern­seh­sen­der TV Asahi Cor­po­ra­ti­on, die 1 Mil­lio­nen Euro erbrach­te, ange­pflanzt ( saku­ra cam­paign). Aus Freu­de über den Fall der Mau­er wur­den die­se Mit­tel in japa­ni­schen Kirsch­bäu­men, bzw.zur Anschaf­fung von Kirsch­bäu­men von den Spen­dern bestimmt.

    Inzwi­schen sind die ursprüng­lich 2.000 Bäu­me auf über 10.000 angewachsen.

    • Das ist inter­es­sant. Bei der Füh­rung wur­de hin­ge­gen gesagt, dass von den gespen­de­ten Bäu­men nur noch ein paar hun­dert übrig sind. Obst­bäu­me wer­den ja nicht so alt. Ins­fern dan­ke für die Ergänzung!

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