Am 11. Februar wird die Bundestagswahl 2021 auch im Wedding wiederholt. Zumindest teilweise. Im Großen und Ganzen wird es ein symbolischer Wahlgang werden. Aber im Detail kann es spannend werden. Wer wählt, wer wird gewählt, wie stehen die Chancen?
Ampelmehrheit im Bund nicht gefährdet
Im Bundestag haben SPD, Grüne und FDP zusammen 417 der insgesamt 736 Sitze. Auf Berlin entfallen 29 Sitze, von denen die Ampelparteien bislang 17 stellten. Es ist schnell ausgerechnet, dass selbst im Extremfall – wenn SPD, Grüne und FDP alle ihrer aktuell 17 Berliner Stimmen verlieren würden – die Regierungsparteien mit 400 Sitzen weiterhin die Mehrheit im Bundestag hätten.
Szenario 1 – niemand geht wählen
Was passiert, wenn die Menschen die Wiederholung der Wiederholungswahl so unwichtig finden, dass niemand hingeht? Im Wahlkreis 75 – das ist der ehemalige Bezirk Wedding – hat vor zweieinhalb Jahren Hanna Steinmüller (Grüne) das Direktmandat gewonnen. Und das mit 45.870 Stimmen gegenüber 34.072, die die Zweitplatzierte Annika Klose (SPD) erreichte. Würde nun Anfang Februar niemand zur Wahl gehen und die Stimmen der betreffenden Kieze gingen damit verloren, dann stünde es 36.219 zu 27.721. Hanna Steinmüller bliebe Siegerin des Direktmandats.
Szenario 2 – alle wiederholen, aber wählen CDU
Die Wahlbeteiligung lag 2021 in Mitte bei gut dreiviertel aller Wahlberechtigten. Gehen ungefähr so viele Menschen erneut zur Wahl wie vor zweieinhalb Jahren, aber sie entscheiden sich dieses Mal für die CDU, dann könnte die CDU in den betreffenden Kiezen fast 30.000 Stimmen hinzugewinnen. Dann würde CDU-Direktkandidatin Ottilie Klein mit fast 50.000 Kreuzen gewinnen. Gut, es ist unwahrscheinlich, dass wirklich alle Menschen, die zur Nachwahl aufgerufen sind, ihre Stimme wechseln. Deshalb hier die Grenze, ab der Ottilie Klein gewinnen würde: 85 Prozent. Das heißt, 85 Prozent der Wähler müssten am 11. Februar Ottilie Klein wählen und niemand dürfte für Hanna Steinmüller votieren, damit das Direktmandat wechselt.
Zweitstimmen
Bei der Siegerin im Bezirk Mitte, Hanna Steinmüller (Grüne), lag das Ergebnis bei Erst- und Zweitstimmen dicht beieinander (45.870 Erst- und 46.120 Zweitstimmen). Bei Ottilie Klein von der CDU dagegen unterscheiden sich beide Werte deutlich. Direkt erhielt sie 20.002 Stimmen, bei der Partei setzten 16.856 ihr Kreuz. Wenn die CDU es schafft, bei der Wiederholungswahl zuzulegen, dann würde der Wechsel der Präferenz vor allem bei den Zweitstimmen einen Effekt zeigen. 2021 zogen fünf Politiker für die CDU in den Bundestag, davon zwei über die Landesliste. Legt die CDU nun zu, würde Klaus-Dieter Gröhler profitieren. Er steht auf Platz fünf der Landesliste. Der 58-jährige Jurist tritt in Charlottenburg-Wilmersdorf an. Das heißt, die CDU kann nur gewinnen. Je mehr Wähler sie mobilisiert, desto besser für sie.
Annika Klose ist vor zweieinhalb Jahren über Platz vier der Landesliste in den Bundestag eingezogen. Sie ist eine von sieben Volksvertretern, die aus Berlin und Mitglied der SPD sind. Vor ihr liegen Michael Müller und Kevin Kühnert. Beide haben ihren Wahlkreis direkt gewonnen. In Charlottenburg-Wilmersdorf beziehungsweise Tempelhof-Schöneberg. Allerdings beide knapp. Geht der Trend entgegen SPD und Grüne und für die CDU, dann ist es möglich, dass einer oder beide über die Liste einziehen und nicht über das Direktmandat. Wie eng es unter diesen Bedingungen für Annika Klose wird, ist schwer vorherzusehen. Für die Abgeordnete ist es wichtig, so viel wie möglich Wähler und Mitglieder in den betreffenden Wahlbezirken zu überzeugen, am 11. Februar wählen zu sehen.
Viel Symbolik
Auch wenn die Konsequenzen der Wahl klein sind, viel Symbolik wird dennoch in ihr stecken. Wie gut werden die Linken abschneiden, nachdem Sahra Wagenknecht geräuschvoll die Partei verlassen hat? Wie werden sich großen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus auf dem Wahlzettel bemerkbar machen? Wie heftig fällt für die Ampelparteien der Negativtrend der Umfragen auf dem ersten Stimmzettel des Wahljahres 2024 aus?
Es geht um jeden sechsten Stimmzettel
Gut 80 Wahllokale (Wahlbezirke) und knapp 40 Briefwahllokale gab es in den Ortsteilen Wedding und Gesundbrunnen bei der Bundestagswahl 2021. Wiederholt wird diese Wahl am 11. Februar in 14 dieser Wahlbezirke und in sieben der Briefwahlbezirke. Alle Wahlberechtigten, die in den entsprechenden Gebieten wohnen, werden per Brief zu Wahlwiederholung eingeladen.
Noch einmal zur Wahl aufgerufen sind die Menschen im Kiez Kattegatstraße, südlich der Seestraße, am Bärbel-Bohley-Ring, Tegeler Straße und Ravenéstraße. Eine Karte mit den Kiezen, in denen die Wahl wiederholt wird, bietet die Webseite www.wahlen-berlin.de.
Unklar ist, wie viele Bürger von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen werden. Vor zweieinhalb Jahren haben in den Ortsteilen Wedding und Gesundbrunnen knapp 55.000 Menschen bei der Bundestagswahl mitgemacht. Ist die Wahlbeteiligung ähnlich hoch wie vor zweieinhalb Jahren, dann würden gut 9000 Menschen wählen gehen. Rund jeder Sechste.
Die Wiederholung der Bundestagswahl 2021 ist in Berlin aufgrund der massiven Pannen bei der Organisation der Wahl laut Verfassungsgerichtsurteil teilweise nötig.
danke für den Artikel, habe mich schon die ganze Zeit gefragt, warum der Wedding auch mit Wahlplakaten zugestellt ist.
Lieber Andrei, vielen Dank für die ausführliche und gut verständliche Wahlhilfe.