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Dutzende Mietparteien im Wedding betroffen:
„Wie ein Angriff auf unser Zuhause“ – BAYERs Abrisspläne

21. Januar 2025
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Im Mettmann-Kiez in der Tegeler Straße 6 und 7 im Wedding stehen die Bewohner:innen vor einer existenzbedrohenden Situation: Die BAYER AG, seit 1993 Eigentümerin der Wohnhäuser, plant, die Mietshäuser abzureißen, um Platz für eine Baustellenzufahrt zu schaffen (wir berichteten). 22 Mietparteien sind betroffen, viele von ihnen leben seit Jahrzehnten in ihren Wohnungen. In den schon länger zum Abriss vorgesehenen Häusern der Tegeler 2 bis 5 leben nur noch drei Mieter:innen. Der BAYER-Konzern hat Großes mit seinem Gelände vor und will dort auch zahlreiche Arbeitsplätze schaffen.

Häuser Tegeler Straße

Verwertungskündigungen überraschen Mieter*innen

Vor wenigen Tagen erhielten die Mietparteien und 14 Gewerbemieter der Tegeler Str. 6 und 7 plötzlich Verwertungskündigungen. Einigen Mietparteien wurden zuvor noch Mieterhöhungen zum Februar 2025 angekündigt, sodass der Zeitpunkt der Kündigungen umso überraschender kam. Eine kurzfristig anberaumte Mieterversammlung am 9. Januar brachte kaum Klarheit – viele Mieter:innen konnten aufgrund der spärlichen Vorlaufzeit nicht teilnehmen. Am darauffolgenden Tag fanden sie die offiziellen Kündigungen bereits in ihren Briefkästen.

Eine betroffene Mieterin schildert: „Das Vorgehen der BAYER AG lässt uns sprachlos zurück. Kurz vor Weihnachten eine Mieterhöhung und nun diese plötzliche Entwicklung – es fühlt sich an wie ein Angriff auf unser Zuhause und unsere Lebensgrundlage.“

Politischer Widerstand und rechtliche Lage

Laut Bebauungsplan ist auf der Fläche bereits seit 1960 kein Wohnen mehr zulässig. Die Linke in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Mitte hatte aber im vergangenen Jahr ein Gutachten vorgestellt, das die Schutzwürdigkeit der Gebäude belegt. Im September 2024 beschloss die BVV auf Initiative der Linksfraktion, das Bezirksamt aufzufordern, den Abriss zu verhindern. Die Erledigungsfrist für eine Stellungnahme des Bezirksamts lief am 5. Januar ab. Am 17. Januar lud die SPD auf Initiative der Abgeordneten Maja Lasic zu einer Demonstration ein. Auch danach blieben viele Fragen offen.

Tegeler Straße 6 und 7

Hintergrund zur Situation

Die Wohnhäuser in der Tegeler Straße befinden sich in unmittelbarer Nähe des traditionsreichen Fabrikgeländes - das wird ihnen jetzt zum Verhängnis. Seit der Übernahme der Schering AG durch BAYER plant der Konzern, das Areal zu einem Life Science Campus zu entwickeln. BAYER investiert 150 Millionen Euro in die Modernisierung einer bestehenden Produktionshalle in der Fennstraße. Zusätzlich plant der Konzern, 170 Millionen Euro in eine neue Produktionsstätte in der Tegeler Straße zu investieren, was über 100 neue tarifgebundene Arbeitsplätze schaffen soll. Diese Investitionen sollen die Position des Standorts stärken und die über 4.000 bestehenden Arbeitsplätze sichern. Standortleiterin Dr. Bettina von Streit betont, dass der Konzern den Auszug der Mieter:innen sozialverträglich gestalten möchte, indem Umzugshilfen und Beratungen angeboten werden. Trotz dieser Maßnahmen bleiben viele Fragen offen, und die betroffenen Mieter sowie Gewerbetreibenden zeigen sich besorgt.

Eine klassische Interessenkollision: Wohnraum versus Arbeitsplätze. Man darf gespannt sein,  wie dieser Konflikt am Ende gelöst wird.

7 Comments Leave a Reply

  1. Jetzt muss ich doch noch einmal nachfragen: Um welchen Bebauungsplan soll es sich denn handeln? Es gibt den Baunutzungsplan von 1958/1960 der grundsätzlich immer noch gilt, aber von dem gerne abgewichen wird (wenn der Bauherr das möchte). Und dann gibt es einen Bebauungsplan III-134 von 1978, der aber die Wohnbebauung nicht mit einschließt. Es gibt ja im Planungsrecht den schönen Ausdruck "im Sinne der Planung". Aus meiner Sicht, entspricht es dem Sinn der Planung, dass die Wohnbebauung explizit nicht in den Bebauungsplan von 1978 aufgenommen wurde, weil dort eben Menschen leben.
    Interessant ist aber, dass es einen B-Plan in Aufstellung gibt: Nr. 1-61 von 2009: "Der Bebauungsplan schafft die planungsrechtlichen Voraussetzungen für gewerbliche Nutzungen (Gewerbegebiet). Mit dem Bebauungsplan wird der vorhandene Gewerbestandort planungsrechtlich gesichert und weiter­entwickelt." Seit 2009 ist es also gar nicht mehr Priorität den Wohnraum zu erhalten.
    Naja, die Initiativen werden das alles schon wissen. Schade, dass der Bezirk andere Schwerpunkte setzt. Da muss man sich über Verdruss bei den Wahlen dann nicht wundenr.

    • ich weiß nur das hier Menschen wohnen und auch Gewerbe hier angesiedelt ist, ebenso Künstler und eine Kindertagesstätte.
      Bayer AG hat über 20- seitige Kündigungen verschickt, manche mit drei und manche mit neun Monaten Kündigungsfrist. Sie haben Grafiken gezeigt wo sichtbar wird welche Häuser dem Bauprojekt weichen sollen, und ein orange markietes Gebiet auf dem dann angeblich auch wieder Wohnraum entstehen soll, obwohl nicht ersichtlich ist ob dieses Gelände überhaupt der Bayer AG gehört.

  2. Ich finde ja mindestens mittel-skandalös, dass der Abriss laut Artikel nur für eine BaustellenZUFAHRT erfolgen soll. Also nicht etwa für einen Neubau selbst, sondern nur für Baustelleneinrichtung. Dabei ist direkt an der Fennstraße eine Parkplatz gelegen, der dafür genutzt werden könnte. Die Fennstraße selbst natürlich auch.
    Die Behörden bekleckern sich aber in der Frage der Wohnungsnot auch nicht mit Ruhm. Ich habe selbst erlebt, wie wir im Architekturbüro einen Antrag auf Zweckentfremdung (sprich Abriss) einer Wohnung gestellt haben. Schließlich hatte in dem kleinen Haus, das wir abbrechen mussten, vorher mindestens eine Person gelebt. Das Amt teilte dann mit, dass auf dem Gelände eh nur Betriebswohungen zugelassen wären und wir daher unseren Antrag zurückziehen sollen. Dass das bei so einer großen Zahl von Wohnungen nicht anders ist, wundert mich.

  3. In Kontrast zu den Fotos dieser propper wirkenden soliden Immobilien stehen die vier rechtlichen Anforderungen, die eine Verwertungskündigung entsprechend Paragraf 573 BGB nach überhaupt rechtfertigen.
    Siehe den Link von 2022 deutschesmietrecht.de/kuedigung unter dem Stichwort Verwertungskuendigung.
    Auf weitere genauere Begründung darf man gespannt sein!

    • sicherlich aber es gibt auf jeden Fall auch auf dem jetzigen Gelände genug alternative Fläche für die Werksfeuerwehr und die Häuser könnten stehen bleiben. Darum ist es für uns als Anwohner/Mieter nicht gut nachvollziehbar warum diese Häuser auch noch abgerissen werden sollen. hatten wir vor Jahren schon auf der anderen Straßenseite. dort wurden 3 Wohnhäuser abgerissen unter angeblichen Bebauungsplänen. jetzt ist dort eine Wiese

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