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Das Sprachcafé im Zukunftshaus an der Müllerstraße:
“Wer zu uns kommt, möchte weiterkommen”

Gespräch mit Irma Leisle, der Leiterin des ZHW und zwei Freiwilligen vom Sprachcafé
24. Juli 2024

Mehr­ge­ne­ra­tio­nen­häu­ser gibt es in Deutsch­land seit Anfang/Mitte der 2000er Jah­re, mitt­ler­wei­le sind es über 530 Häu­ser, die in den Kom­mu­nen fest ver­an­kert sind und mehr-gene­ra­tio­nell sozia­le Ver­an­stal­tun­gen und Offe­ne Treffs vor Ort anbieten.

An der Mül­lerstra­ße gibt es das Zukunfts­haus Wed­ding (ZHW). Irma Leis­le, die seit Ende 2011 am Paul-Ger­hard-Stift tätig ist, lei­tet das Fami­li­en­zen­trum, das spä­ter um das Stadt­teil­zen­trum und die der­zeit genutz­ten Räu­me erwei­tert wur­de. Es sind etwa 10 Haupt­be­ruf­li­che beschäftigt.

Das Zukunfts­haus ist regio­nal mit zahl­rei­chen ande­ren Ein­rich­tun­gen wie z.B. der Schil­ler­bi­blio­thek, der VHS Mit­te, dem Spr­en­gel­haus ver­netzt und ver­tre­ten in zahl­rei­chen Gre­mi­en wie z.B. dem Kul­tu­rel­len Bil­dungs­ver­bund Park­vier­tel, der RAG §78 Park­vier­tel, dem Arbeits­kreis Stadt­teil­ar­beit. Dar­über hin­aus nut­zen zahl­rei­che, selbst­or­ga­ni­sier­te Grup­pen die Räume.

Mari­an­ne Kris­ten und Gud­run Grei­ner, zwei der Frei­wil­li­gen vom Sprachcafé

Frau Leis­le, wie vie­le Frei­wil­li­ge sind bei Ihnen tätig?

Der­zeit sind es etwa 55 Frei­wil­li­ge ver­schie­de­ner Gene­ra­tio­nen bei uns tätig. Die Ein­satz­be­rei­che sind viel­fäl­tig. Sie gestal­ten ver­schie­de­ne Ange­bo­te wie Digi­tal­pa­ten­schaft, Haus­auf­ga­ben­hil­fe, Sprach­ca­fé, Sprach­treffs, Mobi­le Bücher­box, Stadt­teil­ju­ry für die Stadt­teil­kas­se, sowie Ver­an­stal­tun­gen wie Floh­markt, Krea­tiv­markt, Früh­lings­wo­chen usw. Das frei­wil­li­ge Enga­ge­ment im Zukunfts­haus Wed­ding bie­tet eine wich­ti­ge Platt­form für Begeg­nung ver­schie­de­ner Men­schen, die Lust haben, den Wed­ding gemein­sam zu gestalten.

Irma Leis­le, Lei­te­rin des Zukunfts­hau­ses (MGH) Wedding

Was bie­ten Sie Men­schen, die ihre Sprach­kennt­nis­se ver­bes­sern möchten?

In der Jah­res­mit­te 2022 star­te­te das Sprach­ca­fé mit dem Schwer­punkt auf der gespro­che­nen Spra­che. Mari­an­ne Kris­ten und Gud­run Grei­ner haben sich von Beginn an frei­wil­lig im Sprach­ca­fé engagiert.

Die­ses wird im Rah­men des Pro­jek­tes „Gene­ra­tio­nen ver­bin­den“ umge­setzt. Zen­tra­les Ziel die­ses Pro­jek­tes ist u.a. Senior:innen durch frei­wil­li­ges Enga­ge­ment eine akti­ve, sozia­le Teil­ha­be in der Gestal­tung der Nach­bar­schaft zu ermög­li­chen. Das Pro­jekt „Gene­ra­tio­nen ver­bin­den“ wird durch die Deut­sche Fern­seh­lot­te­rie finanziert.

Was hat Sie bei­de, Mari­an­ne Kris­ten und Gud­run Grei­ner, zum Sprach­ca­fe geführt?

Mari­an­ne Ich war von Anfang an dabei. Ich kam, um nach alters­ge­rech­ten Woh­nen zu fra­gen, und war gleich über­zeugt dabei, weil ich vom Ehren­amt im Sprach­ca­fé begeis­tert war.

Gud­run Ich hat­te von einer Bekann­ten erfah­ren, dass man ehren­amt­lich Mit­wir­ken­de sucht. Spra­che war schon immer mein Inter­es­se, ich hat­te dazu frü­her auch an der HU stu­diert. – Nun bin ich hier mit Feu­er­ei­fer dabei. Vor allem mag ich die durch­ge­hend freund­li­che Atmo­sphä­re im Paul-Ger­hardt-Stift, eine ech­te Will­kom­mens­kul­tur, die hier von allen, auch von den Haupt­be­ruf­li­chen, von Her­zen gelebt und geteilt wird.

Wie emp­fin­den Sie das Zusam­men­sein mit den Teil­neh­men­den im Sprach­ca­fé, das ein offe­ner Treff ist und auch oft spon­ta­ne Besu­che mit sich bringt?

Mari­an­ne Die Viel­falt der Besu­che­rin­nen und Besu­cher ist ange­nehm. Vie­le ver­schie­de­ne Spra­chen machen mit. Man bekommt auch etwas zurück, zum Bei­spiel durch den Aus­tausch über die Kul­tur und viel Dank und herz­li­che Umar­mun­gen. – Das Zuhö­ren ist mir sehr wichtig.

Gud­run Die Stadt­teil­müt­ter kom­men auch zu uns. Sie sind sehr wich­ti­ge Ver­mitt­le­rin­nen und Koor­di­na­to­rin­nen zwi­schen Müt­tern, die oft kein deutsch spre­chen und Fami­li­en einer­seits sowie den Behör­den ande­rer­seits. Sie kom­men zu uns, um ihre Sprach­kom­pe­tenz bei die­sen Auf­ga­ben zu ver­bes­sern. Hier sind oft das Ara­bi­sche, das Per­si­sche und das Ukrai­ni­sche gefragt.

Wie gehen Sie beim Spre­chen­ler­nen vor?

Mari­an­ne Unser Ange­bot ist auf Spon­ta­nei­tät und All­tags­spra­che auf­ge­baut. Ich gehe oft direkt auf das ein, was vor uns sicht­bar ist, bei­spiels­wei­se der hoch gehal­te­ne Dau­men als Ein­stieg für die Benen­nung der Hand­glie­der oder die Gegen­stän­de, die zwi­schen uns auf dem Tisch ste­hen. Wir spre­chen spon­tan und weder wir noch die Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer haben eine Aus­bil­dung als Sprach­leh­rer. Wir leh­ren kei­ne Gram­ma­tik, son­dern üben das Spre­chen. Wir ver­wen­den also kei­ne Bücher, Fibeln oder Gram­ma­tik­hef­te, so dass man spon­tan ein­stei­gen kann. Aber wir üben die Arti­kel der Sub­stan­ti­ve: der die das sagen wir immer an!

Die­je­ni­gen, die die glei­che Fremd­spra­che spre­chen, kön­nen sich manch­mal gut durch Erklä­run­gen ergän­zen, indem sie sich gegen­sei­tig befra­gen und dann das Ange­bot, es auf Deutsch zu wie­der­ho­len, erklär­ter, viel­leicht gefes­tig­ter auf­neh­men. Ver­stän­di­gung ist ein wich­ti­ger Bei­trag zum Zusam­men­halt in der Gesellschaft!

Gud­run Vor eini­ger Zeit habe ich zusätz­lich einen Gram­ma­tik­kurs ange­bo­ten. Die­ser Kurs lös­te sich nach und nach auf, weil vie­le in Kurs­be­su­che ein­stie­gen, um Prü­fun­gen abzu­le­gen. Auch habe ich mit die­ser Grup­pe einen Aus­flug in die Gär­ten der Welt gemacht: drei Kon­ti­nen­te und fünf Spra­chen waren zu erleben.

Das Sprach­ca­fé hat aber den Schwer­punkt auf der nied­rig­schwel­li­gen Kon­ver­sa­ti­on, es geht um das Los­schna­cken. Vie­le haben schon Eng­lisch – und Fran­zö­sisch­kennt­nis­se und ein Sprach­ge­fühl auch für Deutsch. Und man kann mit klei­nen Sät­zen viel errei­chen. Wir neh­men oft Bild­wör­ter­bü­cher zu Hil­fe, um The­men aus­zu­su­chen. Auch Wim­mel­bil­der sind eine gute Grundlage.

Wie ist es mit der Moti­va­ti­on der Gäs­te im Sprachcafé?

Gud­run Wer zu uns kommt, möch­te wei­ter­kom­men im Spre­chen. Man­che der Frau­en haben eine gro­ße Fami­lie wie Kin­der, pfle­ge­be­dürf­ti­ge Eltern und sind umso moti­vier­ter, ein­mal in der Woche ein­mal Zeit für sich in Anspruch zu neh­men. Man­che Ehe­män­ner schi­cken ihre Frau­en sogar hier­her, denn wer soll­te ihnen sonst das Deutsch­spre­chen beibringen?

Mari­an­ne So man­ches Mal führt das Sprach­ca­fé auch zum Anfreun­den und Ver­net­zen der Teil­neh­men­den. So haben heu­te zwei ihre Tele­fon­num­mern aus­ge­tauscht, um sich ein­mal zu tref­fen. Wir sind etli­che Frei­wil­li­ge, die im Sprach­ca­fé die Gäs­te betreu­en, und auch wir selbst haben uns unter­ein­an­der bes­ser kennengelernt.

Gud­run Ja, ein­mal kam Mari­an­ne völ­lig hei­ser im Sprach­ca­fé an. Sie berich­te­te mir von einem Bas­ket­ball­tur­nier, wo sie als Zuschaue­rin begeis­tert mit­ge­brüllt hat­te, und so stell­te sich her­aus, dass wir bei­de gern Sport­events sehen. Nun gehen wir oft gemein­sam, zu den „Füch­sen“ und auch zum Fußballplatz.

Was tei­len Sie im All­ge­mei­nen durch das Sprach­ca­fé mit den Teilnehmenden?

Mari­an­ne Die Herz­lich­keit und die Dank­bar­keit, die wir erfah­ren, ken­nen wir als Deut­sche nicht so aus­ge­prägt. Wir sind auch bei wei­te­ren Aktio­nen im Zukunfts­haus ehren­amt­lich aktiv, beim Kuchen­ver­kauf bei Stadt­teil­fes­ten oder auch an der Bar bei Kon­zer­ten: Da erlebt man gute Laune.

Was wün­schen Sie sich noch?

Gud­run Sehr wich­tig ist, dass sol­che Ange­bo­te geför­dert wer­den, weil es grund­le­gend wich­tig ist für unse­re städ­ti­schen, mul­ti-kul­tu­rel­len Nachbarschaften!

Fotos: Rena­te Straetling

Zukunfts­haus Wed­ding (MGH), Stadt­teil- und Familienzentrum

Mül­lerstr. 56–58, 13349 Berlin

Tel: 030−45005−131
www.pgssoziales.de

https://vska.de/vska-berlin/projekte/berliner-stadtteilzentren

https://www.berliner-familienzentren.de/familienzentren-des-programms/mitte/familienzentrum-zukunftshaus-wedding

https://www.mehrgenerationenhaeuser.de

https://www.seniorennetz.berlin

https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/engagement-und-gesellschaft/mehrgenerationenhaeuser/mehrgenerationenhaeuser-74018

https://www.bafza.de/engagement-und-aktionen/mehrgenerationenhaeuser/bundesprogramm-mehrgenerationenhaus-miteinander-fuereinander-2021–2028

Renate Straetling

Jg 1955, aufgewachsen in Hessen; ab 1973 Studium an der FU Berlin, Sozialforschung, Projekte und Publikationen.
Selfpublisherin seit 2011
www.renatestraetling.wordpress.com
Im Wedding seit 2007.
Mein Wedding-Motto:
Unser Wedding: ein großes lebendiges Wimmelbild ernsthafter Menschen!

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