Handgeschöpftes Nepalpapier steht neben taubenblauer Keramik aus Vietnam. Im Regal warten Wein, Kaffee, Tee aus südamerikanischen Ländern, es riecht ganz leicht nach Räucherstäbchen. Im Eingangsbereich der Kapernaumkirche in der Seestraße gibt es seit vielen Jahren einen Weltladen. Doch dieser Text hat kein Happyend, denn der Weltladen Wedding schließt zum Jahresende. Der Abverkauf hat bereits begonnen.
„1992 wurde der Weltladen auf Initiative des damaligen Pfarrers eröffnet. Er hatte sich das gemütlich vorgestellt, mit einem Café“, erzählt Kurt Schmich. Schmich hilft seit 38 Jahren ehrenamtlich, den Weltladen zu betreiben, hält den Laden seit vielen Jahren am Laufen. Das es mit dem ursprünglich angedachten Café nichts wurde, wundert ihn nicht. „Dafür bräuchte man eine Klimatisierung, einen Wasseranschluss und eine Toilette“, sagt der 73-Jährige. Das ist alles nicht der Fall im Eingangsbereich der Kirche, nur eine Hälfte des zweigeteilten Ladens ist überhaupt beheizbar.
Einsatz für gerechte Handelsbeziehungen
Dritte-Welt-Läden, Eine-Welt-Läden, die später zu Weltläden wurden, entstanden in den 1970er Jahren. Sie setzen sich für einen fairen Handel ein, für mehr Gerechtigkeit zwischen den Ländern des globalen Südens und dem Norden. Faire Preise für die Produzenten, gute Arbeitsbedingungen, Bildung und Umweltschutz sind einige der Punkte, für die Weltläden einstehen. „Anfang der 1980er Jahre gab es nur eine handvoll Weltläden in Westberlin. Der Weltladen Wedding war einer davon“, erzählt Kurt Schmich. Bis auf einen entstanden alle im Umfeld der Kirchen. Schnell gab es einen regelrechten Boom und in Berlin, es entstanden bald 20 dieser Läden in Westberlin.
Inzwischen ist die Hochzeit der Weltläden vorbei. Ob das daran liegt, dass fair gehandelte Waren heutzutage im normalen Handel und in den Bioläden auch zum Standard gehören? Das Ansehen der fair gehandelten Waren hat auf jeden Fall gewonnen. „Damals, in den Anfangsjahren wurden wir in die linke Ecke gestellt, weil es hieß, wir unterstützen Kommunisten in Südamerika“, sagt Kurt Schmich. Er selbst hält den Weltladen aber nicht für ein politisches Projekt: „Es geht uns nur um die Art der Produktion und um den Menschen, der dahinter steht“. In heutigen Zeiten klingt das wirklich fast wie eine Selbstverständlichkeit.
Bezirk Mitte ist seit 2014 Fairtrade Town
Gerade in Mitte ist der Gedanke des fairen Handels inzwischen gut verankert. So ist der Bezirk seit 2014 eine der Fairtrade Towns, das Bezirksamt unterstützt Initiativen des fairen Handels. Im Weltladen kann jeder beispielsweise eine Karte mit Anlaufstellen für fairen Handel im Bezirk mitnehmen, die vom Bezirksamt herausgegeben wurde. Darauf vertreten sind vor allem die großen Einkaufsmärkte mit ihren fairen Produkten, aber auch lokale Läden wie Blumen Goldbeck oder die KAWA Kaffeemanufaktur. Der Weltladen Wedding war von Anfang an dabei, den fairen Handel in Mitte voranzutreiben und auch nach dem Aus für den Weltladen will Kurt Schmich sich weiter in den Gremien engagieren.
Neues Gesetz zwingt zur Schließung
Kurt Schmich kann nicht genau sagen, warum es immer weniger Weltläden in Berlin gibt. Doch der Trend weist für ihn eindeutig nach unten. Wenn er nachdenkt, kommt er aktuell noch auf vier Weltläden in Berlin. Zum Jahresende wird der Weltladen Wedding ebenfalls seine Türen schließen. Eine Gesetzesänderung ist der Grund. „Ab 1. Januar 2023 gilt ein neues Gesetz, das von allen kirchlichen Gemeinden auf alle Einnahmen eine Umsatzsteuer erhoben wird. Egal ob dabei Gewinne erziehlt werden oder nicht“, erklärt Kurt Schmich. Gewinne erziele der Weltladen nicht. Wenn es in der Vergangenheit dochmal Gewinn gab, dann wurde er an kirchliche oder andere wohltätige Organisationen gespendet. Kurt Schmich und seine beiden Mitstreiter:innen betreiben den Laden dabei komplett ehrenamtlich, Kurz Schmich selbst investiert etwa 15 Stunden in der Woche für das Projekt. Die Kirche lasse sie gewähren, aber wegen der neuen Gesetze draufzahlen wolle man eben nicht. Deshalb schließt der Weltladen Wedding.
Kurt Schmich schließt den Weltladen mit dem Gefühl, in den vergangenen 40 Jahren ein wenig dazu beigetragen zu haben, das Prinzip des fairen Handels voranzutreiben und in die Mitte der Gesellschaft zu tragen. „Vielleicht halten sie uns jetzt für größenwahnsinnig. Aber wir glauben schon, einen kleinen Anteil an dieser Entwicklung beigetragen zu haben“, schreibt er in einem Informationsbrief an seine Kund:innen.
Abverkauf – mit Rabatt
Nun bleibt ihm nur noch, die noch vorhandene Ware zu verkaufen. Während der Öffnungszeiten ist dafür Gelegenheit – Mittwoch von 16 bis 19 Uhr und Samstag von 12 bis 15 Uhr. Außerdem will er im Dezember zusätzlich montags von 16 bis 19 Uhr öffnen. Wer möchte, kann noch Gewürze, eine Djembe-Trommel aus Ghana, Kerzen, Blumen aus Filz, Sonnenhüte, Seife, Schokolade, Nudeln und vieles mehr aus fairer Produktion erwerben. Auf alles, was nicht verspeist werden kann, gibt es dabei 30 Prozent Rabatt. Dabei gilt weiterhin, was auf einem Zettel an der Wand steht „Im Weltladen ist nur Barzahlung möglich“.
Das ist ja so schade. Aber so hoch kann doch die Umsatzsteuer doch gar nicht sein? Da könnte man doch spenden. Ich würde es jedenfalls tun.
Liebe Christel, ich habe auch sofort an eine Soliaktion gedacht. Aber es bräuchte eigentlich mehr, als ein wenig Geld für die Steuer: eine Heizung für den Weltladen, eine größere Unterstützung durch die Gemeinde und auch jüngeren Nachwuchs…