Alle zwei Tage öffnet sich hier im Weddingweiser ein satirisch-literarisches Monatstürchen in das vergangene Jahr mit der Weddinger Lesebühne Brauseboys. Alle Texte werden nach Erscheinen auf der Seite “Weddingrückblick” gesammelt.
APRIL 2014
Fragen über Fragen (von Robert Rescue)
Das neue Megaprojekt Berlins?
Unweit der Hallen am Borsigturm entdecke ich an einer Straße das Hinweisschild »Kreuzfahrtterminal« und frage mich, was sich dahinter verbirgt? Lagern dort Ausflugsdampfer, denen der Berliner großspurig die Bezeichnung »Kreuzfahrtschiff« gibt? Wohin geht die Kreuzfahrt? Von Tegel nach Wannsee? Oder ankert dort die »Queen Elisabeth«, die sich mühsam ihren Weg durch die Spree gebahnt hat? Hat Berlin tatsächlich einen Nordberliner Hafen zum »Terminal« ausgebaut, weil aus dem BER nichts wird? Ich kann es nicht sagen, ich bin an dem Schild nur vorbeigefahren. Zuvor hatte ich über ein anderes Schild nachgedacht, auf dem stand: »Phosphat-Eliminationsanlage«.
Abends beim Delikatessenimbiss „Zur Mittelpromenade“
„Eine Currywurst mit Pommes zum Mitnehmen.“ Jedes Mal denke ich, dass meine Bestellung eindeutig formuliert sein müsste. Jedes Mal liege ich falsch.
„Auf die Pommes was drauf?“ „Nein, nur Salz.“
„Die Wurst mit Darm oder ohne?” „Mit Darm.“
„Soll ich die Wurst schneiden?” „Ja.“
„Normal gewürzt oder spezial?” „Normal.“
Ich habe mich noch nie getraut, die Spezialwürze zu nehmen. So wie ich das Gericht sonst esse, ist es schon eine Qual. Die Spezialwürze ätzt mir bestimmt den Magen-Darm-Trakt weg.
„Brauchen sie eine Plastiktüte?” „Nein.“
„Gabel gefällig?” „Das haben Sie mich noch nie gefragt.“
„Immer mal wieder was Neues, meint der Chef. Getrennt oder zusammen?“ „Bezahlen?“
„Nein, das Gericht. Pommes und Wurst auf eine Pappe oder getrennt?“ „Getrennt.“
Bestimmt muss man jeden Tag mehrmals hierher kommen und stets das gleiche bestellen, bis die Verkäuferin einen erkennt und die lästige Fragerei aufhört. „Wollen sie das Gericht zum Mitnehmen oder hier essen?“, höre ich es hinter mir, als ich schon ein paar Schritte gegangen bin. Ich bleibe stehen, schaue auf das Bündel Papier in meiner rechten Hand, überlege einen Moment und gehe dann zurück.
„Zum Mitnehmen.“ „Ach so, dann ist ja alles gut.“
Die Vertrautheit der Weddinger
Ich gehe die Malplaquetstraße entlang. Dicht hinter mir geht eine Mutter mit ihrem Sohn und spricht mit ihm. »Ich habe die Schnauze voll, ich lass nicht mehr zu, dass er dich besucht. Ich rufe ihn morgen an und sage ihm, er soll sich fernhalten. An den Wochenenden macht er ja auch nichts mit dir. Da kannst du die Zeit auch mit mir verbringen. Der Typ zahlt keinen Unterhalt, fährt aber ein dickes Auto.« Sie geht an mir vorbei und ich habe das Gefühl, dass sie mich die ganze Zeit absichtlich an ihrem Monolog hat teilhaben lassen.
»Wie sehen sie das?«, fragt sie mich plötzlich. »Der Typ zahlt keinen Unterhalt, fährt aber ein dickes Auto«, wiederholt sie. »Eine gute Entscheidung von ihnen«, stimme ich ihr zu. An der Ecke biegt sie ab, dreht sich zu mir um und meint: »Dabei bin ich da ja nicht ganz unschuldig. Habe ich mir ja selber eingebrockt, als ich mir den Typ damals angelacht habe.« Sie wendet sich abermals ihrem Sohn zu und redet weiter auf ihn ein, während sie ihren Weg fortsetzen.
Vom 11.12. bis 10.1. des neuen Jahres präsentieren die Herren Paul Bokowski, Robert Rescue, Volker Surmann, Frank Sorge und Heiko Werning außerdem an über 20 Terminen ihre traditionelle Jahresbilanz “Auf Nimmerwiedersehen 2014″ im Comedyclub Kookaburra (Schönhauser Allee 184). Schauen Sie auch dort hinein und helfen den Weddinger Vorlesern dabei, den Prenzlauer Berg zu “degentrifizieren”.