…wenn eine Menschentraube vor der Kirche steht und kaum Einer die gleiche Sprache des Anderen spricht.
Wie jeden Sonntag laufe ich auf dem Weg zum türkischen Bäcker an der katholischen St. Petrus Kirche in der Bellermannstraße vorbei, der Gottesdienst ist gerade vorüber. Also schlängele ich mich durch die Menschentraube auf dem Gehweg hindurch und höre in den Gesprächen der Gläubigen mindestens fünf verschiedene Sprachen.
Wenig später beiße ich daheim genüsslich in mein geliebtes Croissant und lese dabei die Sonntagszeitung. Doch schon auf der Titelseite vergeht mir der Appetit. Wie kann es sein, dass unser Bundespräsident in seiner Gedenkrede zur entsetzlichen Progromnacht am 9. November 1938 immer noch das fordern muss, was in ganz Deutschland selbstverständlich sein sollte: “Wir wollen ein Land sein, das offen ist”. Wie kann es sein, dass 75 Jahre nach den Gräueltaten der Nazis an den Juden rechtes Gedankengut in ganz Europa zunimmt und der Artikel mit dem Satz endet: “Es ist kalt geworden in unserer Gesellschaft”.
Doch dann erinnere ich mich an die bunte Menschentraube vor der roten Backsteinkirche um die Ecke. Lächelnd genieße ich mein türkisches Croissant weiter und denke: Hier im Wedding bin ich Mensch, hier darf ich und Jeder es sein.
Das war der erste Beitrag unserer neuen Serie „Wedding ist…“. Zukünftig werden Weitere folgen und das Lebensgefühl von Menschen im Wedding beschreiben. Wir freuen uns über eure Beiträge zur Serie „Wedding ist…“ an [email protected]
Das ist fein geschrieben. Bin hier geboren und wenn ich mir unsere Vielfältigkeit anschaue, macht mich das jeden Tag auf‘s neue glücklich.