Mastodon

So anstrengend war das früher:
Waschtag im Wedding

10. Februar 2025
3
Weddinger Zeitreise

Wasch­ma­schi­nen kamen in Deutsch­land erst in den 1950er Jah­ren auf den Markt. Bis sie bezahl­bar waren und in fast allen Haus­hal­ten stan­den, dau­er­te es eben­falls noch ein paar Jah­re. Wie haben die Men­schen in Alt­bau­vier­teln wie dem Wed­ding frü­her ihre Wäsche gewa­schen? Die Miets­häu­ser waren durch­aus dar­auf aus­ge­legt – aber lest selbst. 

Eine Zeit­zeu­gin berich­tet aus ihrer Kind­heit im Ber­lin der 1950er Jah­re, typisch für vie­le im Wed­ding, die sich kei­ne Wasch­frau oder eine Wäsche­rei leis­ten konnten:

“Wir leb­ten in einem alten Miets­haus. Jedes Trep­pen­haus führ­te zu acht Woh­nun­gen, die alle mit Kachel­öfen beheizt wur­den. Auch die Bäder hat­ten zylin­der­för­mi­ge Bade­öfen, die mit Holz und Koh­le betrie­ben wur­den. Im Dach­ge­schoss gab es für jeweils fünf Haus­ein­gän­ge zwei Wasch­kü­chen und zwei Tro­cken­bö­den. Um die Wasch­kü­che zu nut­zen, muss­te man sich beim Haus­meis­ter anmel­den und erhielt dann den Schlüs­sel für die Wasch­kü­che und den Tro­cken­bo­den. Ein­mal im Monat stand die Gro­ße Wäsche an, eine müh­sa­me Ange­le­gen­heit, da die Wasch­kü­che von vie­len Fami­li­en gemein­sam genutzt wur­de. Klei­ne­re Wäschen wur­den zwi­schen­durch auf dem Herd in der Küche gekocht, in einer Schüs­sel gewa­schen und in der Bade­wan­ne gespült.

Die Wasch­kü­che selbst war mit einem beheiz­ba­ren Kup­fer­kes­sel, einem email­lier­ten Aus­guss, meh­re­ren Zink­wan­nen auf Holz­bö­cken und einer Toi­let­te aus­ge­stat­tet. Die Zink­wan­nen gehör­ten den Bewoh­nern, wur­den aber gemein­schaft­lich ver­wen­det. Schon am Abend vor dem Wasch­tag wur­de die Wäsche ein­ge­weicht. Die Weiß­wä­sche kam als ers­tes in den gro­ßen Wasch­kes­sel, den mein Vater am Wasch­tag oft schon früh mor­gens befeu­er­te. Das Holz und die Koh­le muss­ten dabei müh­sam aus dem Kel­ler bis in die Wasch­kü­che hoch­ge­tra­gen wer­den – eine ech­te Her­aus­for­de­rung, vor allem für die Bewoh­ner des Erd­ge­schos­ses, die vier Stock­wer­ke nach oben muss­ten. Wir wohn­ten im drit­ten Stock, was mei­ner Mut­ter das Hoch­brin­gen der nas­sen Wäsche zumin­dest etwas erleich­ter­te. Wenn ich zur Schu­le ging, war mei­ne Mut­ter bereits in der Wasch­kü­che. Sie hat­te schon am Vor­tag einen Ein­topf vor­be­rei­tet, damit das Mit­tag­essen gesi­chert war. 

Foto: Samu­el Orsenne

Nach der Schu­le lief ich direkt zur Wasch­kü­che, und oft konn­te ich mei­ne Mut­ter im dich­ten Dampf kaum sehen. Sie stand am Wasch­brett und schrubb­te mit der Wur­zel­bürs­te, fisch­te die hei­ße Wäsche mit einer gro­ßen Holz­kel­le aus dem Kes­sel und schmiss sie in die Zink­wan­ne. Nach­dem die Weiß­wä­sche im ers­ten Gang gewa­schen war, kam sie noch­mal in den Kes­sel, um sie mit Bleich­mit­tel klar zu waschen. Die ers­te Wasch­lau­ge wur­de anschlie­ßend für die Bunt­wä­sche ver­wen­det. Der Wasch­kes­sel hat­te kei­nen Aus­lauf, wes­halb das Was­ser mit Eimern aus­ge­schöpft wer­den muss­te. Alles war klitsch­nass. Für mich als Kind waren die­se Arbei­ten span­nend, obwohl ich wuss­te, wie anstren­gend sie waren. Ab und zu durf­te ich auch mal hel­fen, rub­beln oder das Was­ser aus der Zink­wan­ne ablas­sen. Das Spül­was­ser lie­ßen wir ein­fach auf den Boden abflie­ßen, wo es in einem Abfluss ver­schwand. Am Ende muss­te der Kup­fer­kes­sel gründ­lich gerei­nigt werden.

Das Auf­hän­gen der Wäsche auf dem Tro­cken­bo­den war eben­falls immer ein Erleb­nis. Zwi­schen den auf­ge­häng­ten Laken und Bett­be­zü­gen konn­te man wun­der­bar hin- und her­lau­fen, doch mei­ne Mut­ter hat­te immer Angst, dass die fri­sche Wäsche dabei wie­der dre­ckig wur­de. Jede Fami­lie hat­te ihre eige­ne Wäsche­lei­ne, die man jedes Mal neu span­nen und am Ende wie­der sorg­fäl­tig auf­rol­len muss­te. Die Wäsche wur­de mit ein­fa­chen Holz­klam­mern aufgehängt.

Am Abend war mei­ne Mut­ter dann völ­lig erschöpft und dach­te bestimmt schon an die nächs­te Auf­ga­be: die gro­ßen Wäsche­stü­cke muss­ten noch zur Man­gel gebracht wer­den und die klei­ne­ren Tei­le bald auf das Bügel­brett. Die Man­gel, die ‚Rol­le´, war eine gro­ße elek­tri­sche Pres­se, die in der Hin­ter­stu­be des Sei­fen­händ­lers stand und gegen eine Gebühr genutzt wer­den konn­te. Dabei roll­te ein schwe­rer Holz­kas­ten über run­de Holz­stan­gen, auf die die Wäsche auf­ge­rollt wur­de, am Ende kam das soge­nann­te Roll­tuch. Wenn der Kas­ten am Tisch­ende ange­kom­men war, kipp­te er leicht, sodass mei­ne Mut­ter die Wäsche ent­neh­men konn­te. Als Kind hat­te ich immer Angst, dass der schwe­re Kas­ten her­un­ter­fal­len könnte.

Obwohl es damals schon Wäsche­rei­en in der Stadt gab, zogen es die meis­ten Haus­frau­en vor, ihre Wäsche selbst zu waschen, um sicher­zu­ge­hen, dass sie sorg­fäl­tig behan­delt wur­de und län­ger hielt. Das war nicht nur gründ­li­cher, son­dern half auch, das Haus­halts­bud­get zu schonen.”

Erin­nert ihr euch an die Gro­ße Wäsche? Gibt es in euerm Haus auch noch sol­che Räu­me im Dach­bo­den? Teilt ger­ne eure Erin­ne­run­gen in den Kommentaren. 

3 Comments Leave a Reply

  1. Die Wäsche­man­gel im Neben­raum unse­rer Dro­ge­rie mach­te so schau­er­li­che Geräu­sche das ich mich als klei­ner Jun­ge dort nicht hin­ein­trau­te ‚ich emp­fand die­ses für mich rie­si­ge Teil als bedroh­lich. Die­ser Laden war in der Müllerstr.in der Ein­kaufs­zei­le gegen­über der Stra­ßen­bahn­hal­le .Da es noch sel­ten Kühl­schrän­ke gab wur­de hier fast täg­lich ein­ge­kauft ‚so mein Erin­ne­rung aus den spä­ten 50 er Jahren

  2. Mei­ne Oma hat­te das Wasch­brett und die Rie­sen­töp­fe ihrer alten Wasch­kü­che noch und zeig­te mir, wie sie sich damals einen Bruch durch das Anhe­ben der schwe­ren Last geho­ben hat. Für den Rest ihres Lebens muss­te sie mit einem Bruch­band herumlaufen.

    Die Wasch­kü­che im Miets­haus habe ich als klei­ner Jun­ge noch erlebt, aber es stan­den bereits elek­tri­sche Wasch­ma­schi­nen dar­in. Da habe ich mei­ner Mut­ter ein biss­chen hel­fen kön­nen. Als ich, im Alter ab unge­fähr 10 Jah­ren, die Wäsche selbst­stän­dig mach­te (gegen Tasche­geld-Auf­schlag), stand die Wasch­ma­schi­ne bereits in der Wohnung.

    Bis heu­te bre­che ich mir kei­nen ab, wenn ich die Wäsche auf einen Wäsche­stän­der hän­ge. Sowas irre Geld und Ener­gie-Ver­schwen­des wie einen Elek­tro-Trock­ner, nur damit heu­te die ganz Fau­len das Wäsche-Auf­hän­gen ein­spa­ren kön­nen, gab es damals noch nicht.

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

MastodonWeddingweiser auf Mastodon
@[email protected]

Wedding, der Newsletter. 1 x pro Woche



Unterstützen

nachoben

Auch interessant?