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Baum-Volksentscheid:
Wenn das Volk Bäume begehrt

25. März 2024
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"Das ist ein schönes Gesetz", sagt Heinrich Strößenreuther am 5. März in den Büroräumen des Unternehmens Ecosia in der Gerichtstraße. Gut 30 Interessierte sind gekommen, weil sie eventuell bei einer Kampagne für einen Volksentscheid pro Baum ehrenamtlich mitmachen wollen. Wenn das Projektteam den Entwurf zu einem vollständigen Gesetz formuliert hat, sollen die Berliner bei einem Volksentscheid darüber abstimmen.

Génica Schäfgen (Ecosia) und Heinrich Strößenreuther (Umweltaktivist). Foto: Andrei Schnell

Ziel: 800.000 Straßenbäume

Mit einem Beamer hat Heinrich Strößenreuther den Entwurf für ein Baumgesetz an die Leinwand projiziert. Die Worte wetterfest und hitzeresistent stehen in der Überschrift des Gesetzentwurfs. In den Paragraphen geht es viel um Bäume. So soll die Zahl der Straßenbäume in gut zehn Jahren auf 800.000 steigen. Aktuell zählt die Statistik 430.000. Für jeden gefällten Straßenbaum sollen die Ämter nach dem Entwurf drei nachpflanzen. Auf einem Kilometer Straße sollen 76 Straßenbäume stehen. Das entspricht einem Baum alle 13 Meter. Ist diese Dichte aus praktischen Gründen nicht möglich, muss eine Grünfläche oder eine Fassadenbegrünung geschaffen werden. Schafft der Senat es nicht, schnell genug Straßenbäume zu pflanzen, dann dürfen die Bürger selbst Bäume setzen. "Recht auf Baumscheibe" lautet die Formel zur Ermächtigung der Berliner. Und auch die Größe der Baumscheiben soll ein Mindestmaß erhalten, Wurzelgefängnisse wie in der Nazarethkirchstraße wären nicht mehr möglich (siehe Foto unten).

Außerdem sieht der Gesetzentwurf ein Sachverständigenrat, einen sogenannten Hitzerat, vor. Dieser soll sich unaufgefordert zu Klimamaßnahmen des Senats äußern. Zudem sollen das Land und die Bezirke Hitzeschutzpläne erarbeiten. Auch die Nutzung von Regenwasser im Sinne einer Schwammstadt wird gefordert. Landschaftspläne, wie ihn Mitte gerade für das Gebiet Pankstraße erlässt, sollen in der gesamten Stadt Berlin aufgestellt werden.

Ein Plädoyer für Bäume in den Büroräumen von Ecosia in der Gerichtstraße. Foto: Andrei Schnell

Aus dem Stand 100.000 Unterschriften "ein Zeichen"

Der Zeitplan sieht vor, dass die Volksabstimmung am Tag der Bundestagswahl im Herbst 2025 stattfindet. Auf dem Weg dorthin müssen die Aktivisten zunächst ein sogenanntes Volksbegehren starten. Rund 20.000 gültige Unterschriften braucht es dafür. Um Unterschriften, die nicht anerkannt werden, auszugleichen, zielt das Team Volksentscheid auf die doppelte Menge. Wobei: "100.000 Unterschriften wäre ein politisches Zeichen", sagt Heinrich Strößenreuther. Damit aus dem Begehren ein Entscheid werden kann, müssen im nächsten Schritt gut 180.000 Unterschriften gesammelt werden. Sollte eine Mehrheit mit Ja stimmen, würde das Gesetz ohne weitere Verhandlungen mit dem Senat in Kraft treten.

Heinrich Strößenreuhter strahlt in seinem Vortrag Anfang März aus, dass hohe Ziele erreichbar sind. Anders als beim Volksentscheid Berlin 2030 klimaneutral soll der Baum-Entscheid die Menschen mit einer anderen Ansprache, Kommunikation und Ästhetik erreichen. Außerdem wollen die Organisatoren darauf achten, dass der Senat nicht die Möglichkeit erhält, den Volksentscheid nicht zeitgleich mit der Bundestagswahl 2025 abzuhalten. Deshalb sind alle Schritte gut geplant. Beim Klima-Entscheid hatte der Senat die Abstimmung auf einen Sonntag zwei Wochen nach der Berliner Wiederholungswahl 2023 gelegt. Die Aktivisten des Baum-Entscheids kommentieren das als Sabotage.

Anschub durch Ecosia

Heinrich Strößenreuther ist Umweltaktivist. 2015 stieß er den Volksentscheid Fahrrad an. Dieser kam nicht zur Abstimmung, weil der Senat zentrale Forderungen in das Mobilitätsgesetz aufnahm. Den Volksentscheid Baum hat Heinrich Strößenreuther gemeinsam mit Maike Voss vom Center for Planetary Health Policy und Génica Schäfgen initiiert. Letztere ist verantwortlich für das Deutschlandgeschäft der Suchmaschine Ecosia. Das Unternehmen Ecosia finanziert eine Projektmanagerin, die die tägliche Arbeit beim Volksentscheid Baum koordiniert. 100.000 Euro hat die Suchmaschine, die mit ihren Gewinnen in aller Welt Bäume pflanzt, für den Start des Volksentscheids gegeben. Um die zu erwartenden weiteren Kosten zu decken, will das Organisationsteam des Entscheids Mitte April Einzelspender überzeugen. Bei einem Crowdfunding auf Startnext sollen 20.000 Euro zusammenkommen.

Muss statt Soll - Unterschied zum Klima-Anpassungsgesetz

Klimagesetze gibt es bereits. Auf Bundesebene und auch in Berlin. Mitte dieses Jahres wird das Klima-Anpassungsgesetz einen strategischen Rahmen, wie es heißt, abstecken. In Berlin gilt seit 2016 gilt in der Hauptstadt das Energiewendegesetz. Doch Heinrich Strößenreuther möchte handfesteres. "Wir wollen aus dem Konjunktiv raus", sagt er zum Zweck des Baum-Entscheids. Messbarkeit und Prüfbarkeit zeichnen den Entwurf des Gesetzes aus, über das Berlin abstimmen soll. Denn: "Unser Job ist es, dass wir in Berlin morgen gut leben können."

Link: Einzelheiten auf der Webseite des Baum-Entscheids

Baumscheibe
Solche Wurzelgefängnisse gelten künftig nicht als Baumscheibe. Foto: Andrei Schnell
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Der Text ent­stand in Zusam­men­ar­beit mit der Wed­din­ger All­ge­mei­nen Zei­tung (–> E‑Paper), der gedruck­ten Zei­tung für den Wed­ding. Autor ist And­rei Schnell.

Andrei Schnell

Meine Feinde besitzen ein Stück der Wahrheit, das mir fehlt.

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