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Anna-Lindh-Schule im Wedding:
"Unsere Kinder brauchen endlich Ruhe" – Mutter kämpft gegen Kürzungen

18. Juni 2025

Die Anna-Lindh-Grundschule hat turbulente Jahre hinter sich: Schimmelbefall in ihrem Gebäude an der Guineastraße, pandemiebedingter Unterrichtsausfall, zwei Umzüge und der Schulbetrieb in einem Bürogebäude ohne Hof oder Turnhalle. Seit Februar ist die Schule nun zurück in einem nagelneuen Schulgebäude an der Reinickendorfer Straße – doch kaum beginnt sich der Schulalltag zu normalisieren, drohen neue Einschnitte: Die Bildungsverwaltung hat Kürzungen bei der Lehrerzuweisung angekündigt. Das bedeutet: Klassen werden zusammengelegt, Lehrkräfte versetzt.

Für Cosima Kießling, Mutter zweier Töchter in der ersten und fünften Klasse, ist das ein untragbarer Zustand. „Die Klassenzusammenlegung in der sechsten Klasse ist ein harter Schlag – gerade, weil viele Kinder auf eine Gymnasialempfehlung hinarbeiten“, sagt sie. Ihre Familie sei der Schule treu geblieben – trotz aller Widrigkeiten: „Wir haben gehofft, dass mit dem Umzug endlich Ruhe einkehrt.“

Doch diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Denn aufgrund sinkender Schülerzahlen – eine Folge der Krisenjahre – greift nun der Personalschlüssel. Weil viele Eltern ihre Kinder während der schwierigen Zeit an andere Schulen ummeldeten, ist die offizielle Schülerzahl gesunken – was rechnerisch zu einem „Überhang“ an Lehrerstellen führt. Die Konsequenz: Klassen werden neu zusammengesetzt, Lehrkräfte mit geringer Dienstzugehörigkeit sollen gehen.

Verlust von Stabilität nach Jahren der Belastung

Dass ausgerechnet jetzt, nach einer langen Phase des Ausnahmezustands, wieder Unruhe in den Schulalltag einkehrt, stößt bei vielen Eltern auf Unverständnis. In einem offenen Brief an Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch bringt die betroffene Mutter die Situation auf den Punkt: „Kann man denn nicht wenigstens jetzt den Anstand besitzen und der Schule die nötige Zeit geben, sich zu etablieren?“ Der Brief zeichnet ein detailliertes Bild der Ereignisse seit 2022: Damals musste die Schule kurzfristig wegen Schimmel geschlossen werden – ein seit Jahren bekanntes Problem, für das es keine rechtzeitige Lösung gab.

Der Ersatzstandort – ein ehemaliges Bürogebäude am Saatwinkler Damm – stellte keine echte Alternative dar: kein Pausenhof, keine Aula, keine Turnhalle, keine regulären Klassenräume. Die schulischen Abläufe wurden durch Shuttlebusse, Improvisation und Belastung für das gesamte pädagogische Personal geprägt.

„Ein Jahr sollte das Minimum sein“

Cosima Kießling macht keinen Hehl daraus, dass sie die Leistungen der Lehrkräfte schätzt – gerade unter diesen Bedingungen. „Die sind auf dem Zahnfleisch gegangen. Es ist nicht in Ordnung, dass jetzt sechs oder sieben von ihnen einfach versetzt werden – nur weil sie die Dienstjüngsten sind.“ Sie fordert eine Übergangsfrist: „Mindestens ein Jahr, besser zwei, sollte man der Schule geben, damit sich alles neu sortieren kann.“ Auch für die Schulgemeinschaft sei eine längere Phase der Stabilität notwendig – viele Eltern würden sich nun wieder für die Schule entscheiden, zumal benachbarte Schulen, wie die Erika-Mann-Grundschule, ebenfalls Einschränkungen wie fehlende Sporthallen hätten.

Verwaltungslogik trifft pädagogische Realität

Im offenen Brief wird deutlich, dass die Kritik der Eltern nicht die Verwaltung als Ganzes verneint – vielmehr richtet sie sich gegen eine aus ihrer Sicht unflexible Umsetzung des Ressourcenschlüssels. Dass nach so vielen Krisenjahren erneut rein nach Zahlen gehandelt werde, sei schwer nachvollziehbar. „Als hätten für die Kinder nicht schon die Strapazen der Corona-Pandemie und der Umzug genügt, wurden vertraute Bezugspersonen auseinandergerissen – und nun passiert das wieder“, heißt es in dem Schreiben.

Besonders problematisch sei, dass gerade die Kinder, die in den letzten Jahren am stärksten betroffen waren, nun erneut Stabilität verlieren – zum Beispiel durch den Wegfall von Klassenlehrkräften oder durch Einschnitte bei der Inklusion. Die Schule versuche unterdessen, neue pädagogische Konzepte umzusetzen und wieder ein positives Lernumfeld zu schaffen – doch das werde nun konterkariert.

Appell an die Schulverwaltung

Die Forderung der Eltern ist klar: Die Kürzungen sollen zumindest für das kommende Schuljahr ausgesetzt werden. Nur so könne die Anna-Lindh-Grundschule nach Jahren der Belastung eine echte Chance auf Erholung bekommen. Dass dies nicht nur im Interesse der Eltern und Lehrer:innen, sondern vor allem der Kinder sei, betonen sowohl Cosima Kießling als auch die 80 Unterzeichnenden des offenen Briefes.

„Ich wünsche mir, dass man der Schule einfach mal Luft zum Atmen lässt“, sagt Kießling. „Die Kinder haben so viel mitgemacht – jetzt wäre es an der Zeit, ihnen ein verlässliches Schulumfeld zu bieten.“

Joachim Faust

hat 2011 den Blog gegründet. Heute leitet er das Projekt Weddingweiser. Mag die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen gleichermaßen.

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