Wo sich die Ramler und die Swinemünder Straße treffen, da geht es schon seit langer Zeit verquer. Seit fast 15 Jahren engagieren sich Bewohner:innen, Schulkinder und viele Eltern für eine verbesserte Verkehrssicherheit an der Stelle. Das Quartiersmanagement, das direkt an der Kreuzung sein Büro hat, unterstützt die Bemühungen ebenfalls seit Jahren. 2009 hat es deshalb sogar mal eine Demonstration gegeben. Jetzt endlich soll die so lange gewünschte Verkehrssicherheit an der Kreuzung mit den drei Kitas und einer Schule kommen, doch jetzt gibt es neue Probleme: die Verkehrswende und die Klimakrise. Und wieder ärgern sich die Bürger:innen.
Ein Exkurs vorweg: Damals, Anfang der 2000er Jahre war die Forderung nach mehr Verkehrssicherheit praktisch nie ein versteckter Seitenhieb gegen den motorisierten Verkehr. Das Wort Verkehrswende war noch gar nicht erfunden. Den Eltern der Kita- und Schulkinder ging es einfach darum, dass ihre Sprösslinge gefahrlos über die Straße kommen. Sie hatten Sorgen: Ein Mal war vor der Schule ein Kind beim Überqueren der Straße leicht verletzt worden. Das Sicherheitsgefühl verschlechterte sich mit den Jahren immer weiter, je mehr Eltern ihre Kinder mit dem Auto zur Schule brachten und je mehr PkW über die Ramlerstraßen eine Abkürzung zur Behmstraße suchten. Eine Ampel müsse her, Querungshilfen, Zebrastreifen, irgendwas, sagten die Menschen im Kiez.
Verkehrssicherheit im Fokus
Vor vier Jahren präsentierte der Bezirk Mitte seine Umbaupläne. Wer sie betrachtet, kann die langjährige Diskussion um die Sicherheit darin wiederfinden. „Wir haben verstanden!“, sagt das ganze Planwerk. Der Gehweg wird an der Kreuzung komplett mit Pollern gesichert, an allen vier angrenzenden Straßenabschnitten wurden Zebrastreifen vorgesehen, eine weitere Straßenverengung, Gehwegvorstreckung genannt, eingeplant. Die Eltern aus dem Jahr 2009 wären sicherlich sehr zufrieden gewesen.
Doch in der Kreuzung steckt auch weiterhin der Wurm und das liegt an den langen Zeiträumen, die zwischen Ideen, Planungen und Umsetzung liegen. 2009 ist lange her und auch zwischen Planung und Umsetzung des aktuellen Umbaus (ab April) liegen mindestens vier Jahre. Die Welt hat sich zwischendurch weitergedreht: Schon das Wort Verkehrsberuhigung lässt heutzutage bei vielen Menschen den Puls steigen. Die Zeiten haben sich geändert, der öffentliche Raum wird nach und nach neu verteilt – überwiegend zugunsten von Fahrradfahrenden und Fußgänger:innen. Das Wort Klimakrise ist aufgetaucht, eine Anpassung an sich ändernde Umweltbedingungen rückt stärker in den Fokus des Handelns. Vor diesem Hintergrund steht auch der geplante Umbau der Kreuzung und der Swinemünder Straße ab der Rügener Straße plötzlich wieder in der Kritik.
Bürger:innen wollen klimaangepasste Planung
Dieses Mal führt der Brunnenviertel e.V. das Wort der Kritiker:innen. Aufgeschreckt wurde er durch eine kurze Mitteilung von Bezirksstadträtin Dr. Almut Neumann. Demnach sollen in Vorbereitung der Baumaßnahme im Februar zehn Bäume gefällt werden. Nach Abschluss der Bauarbeiten im Oktober 2023 sollen laut Dr. Neumann vier neue Bäume und mehrere Blütensträucher neu gepflanzt werden. In einem offenen Brief schreibt der Stadtteilverein: „Auch die geplante Nachpflanzung von lediglich vier Bäumen ist nicht akzeptabel. Damit verschlechtert sich das Kiezklima weiter.“ Zwischen Bauplanung und Bauausführung liegen, so der Stadtteilverein, mehrere Jahre. Inzwischen sei man bei der Klimapolitik auf einem anderen Stand als zur Zeit der Planung. Das müsse berücksichtigt werden.
Eine Kreuzung – zwei Herangehensweisen
Der Konflikt, der sich jetzt auftut, war schon bei der Bürgerbeteiligung 2018 zu spüren. Die wichtigste Botschaft, die die Amtsmitarbeiter:innen den anwesenden Bürger:innen damals mit den Planungsunterlagen mitgebracht hatten, war die Erhöhung der Sicherheit. Gleich danach wurde aber betont, dass auf jeden Fall so gut wie alle Parkplätze für die Autos erhalten bleiben. Auch wichtig war: auf der asphalitierten Straße könne man besser fahren als auf dem Kopfsteinpflaster. Für das Straßenbegleitgrün hatte man dagegen wirklich nicht viele warme Worte übrig.
Dem gegenüber saßen Bürger:innen, die nach Diagonalsperren fragten und nach der Möglichkeit, auf der Grünfläche neben der Heinrich-Seidel-Grundschule gemeinschaftlich (auch mit der Schule) zu gärtnern und die sich sehr detailliert über die Radwegführung informierten. Ihnen ging es auch um Sicherheit – für die Radfahrenden. Sie fragten, ob das kleine Stückchen Swinemünder ab der Rügener Straße nicht Fahrradstraße werden könnte – in Verlängerung der bereits verkehrsberuhigten Swinemünder. Sie fragten, ob die kleine Straße vor dem Quartiersmanagement für den Autorverkehr gesperrt werden könnte. Insgesamt war deutlich zu merken, dass die Planer:innen vom Bezirk ganz andere Prioritäten gesetzt hatten als die Bürger:innen.
Im offenen Brief beklagt der Brunnenviertel e.V. nun die geplante Versiegelung der Straße mit Asphalt (wegen der Aufhitzung im Sommer) und zu wenige Nachpflanzungen von Bäumen beziehungsweise deren Fällung. Der Verein denkt bei einer Umbaumaßnahme im Jahr 2022 offenbar vor allem an die nötige Klimaanpassung der Stadt. Wenn der Bezirk nicht nur flickt, sondern mehr als 2,1 Millionen Euro in die Hand nimmt, um einen Straßenabschnitt umzubauen, sollte dieser Aspekt vielleicht wirklich stärker Berücksichtung finden. Die Erhöhung der Verkehrssicherheit ist wichtig. Verkehrssicherheit allein ist bei einem Umbau heutzutage nicht mehr ausreichend, Klimaanpassungsmaßnahmen müssen immer mitgedacht werden.
Ein Text zum selben Thema ist auf dem Redaktionsblog der Bürgerredaktion im Brunnenviertel erschienen. Er enthält auch den kompletten offenen Brief des Brunnenviertel e.V.: Umbau der Swinemünder in der Kritik