Am 25. Mai wird über die Zukunft des Tempelhofer Feldes abgestimmt. Sind die Menschen nun kurz vor der Wahl noch unentschieden oder längst entschieden? Die Werbefachleute von Senat und Initiative vermuten ersteres und versuchen auf den letzten Metern noch unwiderlegbare Argumente herbeizuziehen. Autor Andrei Schnell hat in seinem privaten Umfeld dagegen ausgemacht, dass die Wahl bereits gelaufen ist.
Besuch bei Freunden, die man nur selten sieht, weil sie jedes Wochenende in der Uckermark verbringen. „Ja, sagen Sie, so sind sie die Berliner. Da haben sie ein Stückchen Mini-Brandenburg und es fällt ihnen nichts besseres ein, als es zuzubauen.“ Und dann holen sie den Rotwein raus, setzen sich auf ihr Flurstück und schauen 16 Kilometer bis zum Horizont über grüne Wiese.
Bei den Schwiegereltern in Zehlendorf wird über das Thema Tempelhofer Feld höflich drei Minuten gesprochen. „Ach, das ist schon vernünftig, dass da ein bisschen gebaut wird.“ Und dann wird stundenlang über das Baby von William und Kate geredet.
Im Wedding kenne ich einen Mitmenschen, der seine Kindheit in der Türkei verbracht hat. Die Wahl interessiert ihn nicht so. „Darf ich überhaupt wählen“, fragt er ratlos.
Aus Mitte ins Brunnenviertel gezogene Eltern, denen ich in Kindergarten oder Schule begegne, sagen: „Ja Wohnungen sind schon gut, braucht Berlin. Aber das Feld ist schon auch einmalig. Man kann ja zum Glück beides ankreuzen. Soll der Bessere gewinnen.“
Ein Freund, der im Schillerkiez fast direkt am Feld wohnt, sagt: „Alle reden vom Tempelhofer Feld. Es heißt aber Tempelhofer Freiheit. Kapieren die das nicht?“ Er befürchtet zehn Jahre Baustelle vor seinem Fenster, „wie am Potsdamer Platz damals, wo die ewig gebaut haben.“
Im Job liegen Flyer aus. Flyer, die für 100% Tempelhof werben. Jemand hat sie hingelegt. Niemand weiß wer. Gesprochen wird darüber auf der Arbeit nicht. Ist schließlich Politik.
Text: Andrei Schnell, Fotos: Dominique Hensel