Meinung (25.09.2018) Das Favourites Film Festival im City Kino Wedding endete am Wochenende. Autor Andrei Schnell würde dem Festival, wenn er es wie ein Hotel bewerten müsste, 4,5 von fünf Sternchen geben. Weil es ein Festival ist, dem es gelingt, Widersprüche zu versöhnen. Und ein halber Punkt Abzug, weil es immer etwas zu meckern geben muss.
Ein * für das Konzept
Widerspruch eins: einen unterhaltenden, aber bedeutungsvollen Film bitte. Ich gehe gern ins Kino. Gern zu Tom Cruise oder Daniel Craig. Wo diese Herren mitspielen, wird der Film zwar vollkommen leer, aber sie vertreiben verdammt gut die Zeit. Ich weiß, ich sollte zum International Uranium Filmfestival gehen (9. – 14. Oktober 2018 im Zeiss-Großplanetarium sowie im Kino in der Kulturbrauerei) oder zum 1. Human Rights Film Festival Berlin (noch bis zum 26. September in den Hackeschen Höfen). Dort sind garantiert sehr bedeutsame Filme zu sehen. Aber ich ahne, etliche Filme dort werden nur wenig unterhalten. Deshalb ist das Favourites Film Festival für mich genau richtig, weil es nur Filme zeigt, die mir einerseits etwas mitteilen und andererseits irgendwo auf der Welt auch ein paar Leuten gefallen haben – und deshalb einen Publikumspreis gewonnen haben.
Ein * für die Filme
Widerspruch zwei: die Filme sollen verglichen werden, obwohl jeder einzelne unvergleichbar ist. Selbst die wenigen, die ich geschafft habe anzusehen, kann ich nur schwer in eine Reihenfolge bringen. Sie waren alle unterschiedlich. Hatten nicht einmal alle ein Thema wie beim – alternativen – Porn Film Festival (23. bis 28. Oktober) Auf dem Stimmzettel schnurrt alles auf drei, vier oder fünf Sternchen zusammen – wie in der Schule alles in eine Note gepresst wird. Dabei sind die Filme unterschiedlich. Der eine nachdenklich, der andere mit starken Bildern, der dritte mit überwältigender Erzählung. Am Ende bleibt ein Bild hängen, im Film waren es nur zwei Sekunden, die mich nicht mehr loslassen, nicht mehr wegschieben lassen.
Ein * für den Festivalort
Widerspruch drei: bitte ein großes, jedoch ein kleines Kino. Ich gehe gern ins Kino, aber nicht gern ins Multiplex; das hat für mich etwas von Flughafen, wo ich abgefertigt werde. Ich gehe aber auch nicht gern in kleine Kinos, wo der Sitz knarrt und ich die Haare vom Vordermann im Mund habe. Aber wirklich großartige Säle wie zum Beispiel im Staatstheater Cottbus sind selten. Dort ist das Filmfestival Cottbus (6. bis 11. November) zu sehen. Auch das City Kino Wedding, wo das Favourites Film Festival gastiert, ist so ein besonderes Kino. Ein Glücksfall, dass dieses Kino im Wedding liegt. Mit roten Plüschstühlen. Mit großem Saal. Mit Wendeltreppe. Ein besonderer Ort für den besonderen Moment, der Kino heißt.
Ein * für die Organisatoren
Widerspruch vier: es geht nur um die Kunst, das heißt auch ums Geld. Anna Jurzik und Paula Syniawa organisierten das Favourites Film Festival in diesem Jahr zum 8. Mal. Und sie arbeiten daran, dass eine Nummer neun geben wird. Die Internationalen Filmfestspiele Berlin – Berlinale vom 7. bis 17. Februar – haben eine sichere Förderung. Doch für das Favourites Film Festival müssen die Hauptsponsoren, zum Beispiel die Berliner Sparkasse, jedes Jahr neu überzeugt werden. Andere Hauptsponsoren wie das Aktives Stadtzentrum Müllerstraße müssen einen Weg finden, um weiterhin unterstützen zu dürfen. Außerdem muss Kontakt gehalten werden mit Filmfestivals in aller Welt, um an die Filme zu kommen, die einen Publikumspreis gewannen. Und man will auch den einen oder anderen Regisseur oder Schauspieler überreden, auf einen Sprung vorbei zu schauen. Und nicht zu vergessen: Das zweite Festival-Standbein in Bremen muss betreut werden.
Ein halber * für die Atmosphäre
Widerspruch fünf: Es ist alles gut, aber es muss was zu mosern geben. Wenn ich Hotels bewerte, gäbe ich gern volle Punktzahl. Aber ich denke immer, dass das unfair wäre, weil ja bestimmt Hotels existieren, die noch besser sind. Deshalb bewerte ich grundsätzlich mit 4,5 Punkten, und meine damit, dass alles gut war. Wie bei der Hotelbewertung auf einem Onlineportal gab es auch beim Favourites Film Festival Sternchen zu vergeben. Auf kleinen Kärtchen galt es anzukreuzen, wie viele Sterne ich dem soeben gesehenen Film zuordne. Ich gebe dem Festival vier Sternchen und noch ein halbes. Zu mosern habe ich: Wenn ich aus dem Film herauskomme, voller Eindrücke, voller ungeordneter Gefühle, dann wäre es nicht schlecht, erst einmal einen Espresso einzunehmen. Gut, das City Kino ist nicht Kulturbrauerei, wo (vom 22. November bis 1. Dezember) das Around the World in 14 Films läuft. Die Auswahl an fußläufig erreichbaren Bars, Restaurant und Kneipen ist dort groß. Aber auch das City Kino bietet Möglichkeiten: Warum nicht für das Festival eine Bar in der Garderobe im Erdgeschoss einrichten? Oder den Saaleinlass von den hinausströmenden Zuschauern trennen? Dann verführte mich die vorhandene Bar im Obergeschoss zu einen Sekt.
Andrei Schnell lobt das Favourites Film Festival, aber achtet darauf, dass er nicht über den Klee lobt.
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