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„Schriftstellerhaus“: Herausholen, was in Leuten steckt

23. Februar 2020
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Foto Maja Schu­di

In der Span­heim­stra­ße in Gesund­brun­nen gibt es etwas, das es in die­ser Art und Wei­se in Ber­lin sonst nicht gibt: einen Rück­zugs- und Begeg­nungs­ort nur für Schrei­ben­de. In der Haus­num­mer 1 exis­tiert eine Aus­tausch- und Arbeits­platt­form für schrei­ben­de Pro­fis und Ama­teu­re glei­cher­ma­ßen. Die Räu­me des Schrift­stel­ler­hau­ses befin­den sich im Erd­ge­schoss. Ingrid Kaech, die Lei­te­rin des Schrift­stel­ler­hau­ses, hat vor ein paar Jah­ren die Räu­me ange­mie­tet und kom­plett umge­stal­tet. Sie küm­mert sich nun in Eigen­re­gie um sämt­li­che Belan­ge des Hau­ses, lei­tet auch die Semi­na­re und Arbeits­grup­pen. Ich tref­fe mich mit ihr, um mehr über sie und das Schrift­stel­ler­haus zu erfahren.

Wer ist Ingrid Kaech, und wie kam es 2018 zu der Grün­dung die­ses Hau­ses, will ich von ihr wis­sen. Kaech arbei­te­te bis Ende der 1990er-Jah­re als Schau­spie­le­rin, Regis­seu­rin und Dra­ma­tur­gin am Thea­ter. Ange­fan­gen hat ihr eige­ner Schreib­pro­zess mit dem Ver­fas­sen von Thea­ter­stü­cken, sagt sie. Durch eine Anzei­ge in dem Stadt­ma­ga­zin „zit­ty“ wird sie im Jahr 2000 auf die bis heu­te bestehen­de Autorin­nen­grup­pe „leich­ter­hand“ auf­merk­sam und gehört zu deren Grün­dungs­mit­glie­dern. Spä­ter lei­te­te sie meh­re­re Jah­re eine Lite­ra­tur­grup­pe in der Jus­tiz­voll­zugs­an­stalt Tegel, eine wich­ti­ge und außer­ge­wöhn­li­che Erfah­rung für sie. Die­se Arbeit gab ihr auch 2005 den Impuls, die „Schreib­Büh­ne zur För­de­rung lite­ra­ri­schen Schrei­bens“ zu grün­den und vier Jah­re lang zu füh­ren. In die­ser Zeit ent­wi­ckel­te sie mehr und mehr Ideen, wie man Schreib-Kur­se und Schreib-Semi­na­re geben könn­te und setzt die­se auch in ihren Semi­na­ren um. Ihre Moti­va­ti­on dabei: „Das aus den Leu­ten her­aus­zu­ho­len, was in ihnen steckt“, sagt Kaech. Sie selbst schreibt in die­ser Zeit zwei Bücher, eins davon ist bereits veröffentlicht.

Kaech hat­te in den letz­ten Jah­ren nicht aktiv nach einem Ort Aus­schau gehal­ten. Eine befreun­de­te Autorin gab ihr den Tipp, dass die Räu­me in der Span­heim­stra­ße 1 leer ste­hen. Die Anmie­tung war für sie der Start­schuss, nun ihren eigent­li­chen Traum umzu­set­zen. Kaech sagt: „Es gibt vie­le Lite­ra­tur­häu­ser in Ber­lin, aber es gibt kein Haus, in dem Schrift­stel­ler gepflegt wer­den.“ Die Zeit für das Schrei­ben und den schrift­stel­le­ri­schen Aus­tausch ist kost­bar gewor­den. Die Autoren müs­sen zur Siche­rung ihres Lebens­un­ter­halts sehr viel mehr Zeit und Ener­gie auf­brin­gen als frü­her. Um die­se Zeit „so maxi­mal wie mög­lich aus­schöp­fen“ zu kön­nen, gibt es jetzt die­se Räu­me, die­sen Ort.

Und die­ser Ort bie­tet eine gan­ze Men­ge. Es gibt Schreiba­ben­de, an denen in drei Durch­gän­gen je 25 Minu­ten kon­zen­triert über aus­ge­wähl­te The­men geschrie­ben wird. Danach wer­den die Tex­te vor­ge­le­sen, aber nicht von der Grup­pe kom­men­tiert. Die­se Art des Schrei­bens kann gut „inne­re Pro­zes­se beschleu­ni­gen“, sagt Kaech. Und damit meint sie auch „zu sich zu ste­hen und zu eige­ner Kraft zu kommen.“

Wer ein struk­tu­rier­tes Feed­back zu bereits geschrie­be­nen Tex­ten braucht, kann zu den Text­aben­den kom­men. Die­se fin­den mitt­wochs alle 14 Tage statt. Einen län­ge­ren Schreib­pro­zess ver­fol­gen die Dran­blei­ben-Grup­pen. Die­se Grup­pen tref­fen sich an sie­ben Ter­mi­nen alle 14 Tage. Hier sind auch Leu­te dabei, die lang­fris­tig an einem Roman arbeiten.

Kaech bie­tet im Schrift­stel­ler­haus auch meh­re­re Cowor­king-Arbeits­plät­ze an. Jeder, der einen Ort braucht, um in Ruhe, aber nicht allein zu schrei­ben, kann sich hier von 10 bis 22 Uhr einen Platz mie­ten. Und die­ser Platz ist wirk­lich schön. Mit Blick zu einem begrün­ten Innen­hof sitzt man in einem geschmack­voll ein­ge­rich­te­ten Raum. Die der­zei­ti­gen Prei­se ste­hen hier. Dazu kom­men noch The­men-Semi­na­re und natür­lich Lesun­gen. Bei den The­men-Semi­na­ren han­delt es sich um Tages- oder 2 Tagesseminare.-

„Wel­ches Lieb­lings­buch haben Sie eigent­lich?“ fra­ge ich Kaech zwi­schen­durch. Nein, es gibt für sie nicht das eine Lieb­lings­buch, aber sie ver­ehrt Dos­to­jew­ski und ganz beson­ders die israe­li­sche Schrift­stel­le­rin Zeru­ya Shalev.

Und wel­che Wün­sche gibt es für die Zukunft, will ich zum Schluss wis­sen. „Dass es noch wei­ter­geht“, sagt Kaech. Dass soll auch der Zusatz „Pha­se 1“ im Namen „das Schriftstellerhaus/phase 1“ zum Aus­druck brin­gen. In Pha­se 2 soll­te mög­lichst eine finan­zi­el­le Sicher­heit für das Haus erreicht wer­den und in der letz­ten Pha­se, Pha­se 3, soll alles grö­ßer wer­den. Das bedeu­tet mehr Platz für Semi­na­re und Ver­an­stal­tun­gen, sogar Über­nach­tungs­mög­lich­kei­ten für Leu­te, die nicht aus Ber­lin kom­men. Das ist ein gro­ßer Traum, denn ein wun­der­bar leben­di­ges Haus soll es sein – das Schrift­stel­ler­haus in Berlin.

Text: Maja Schudi
Bil­der: Maja Schu­di und das Schriftstellerhaus/phase1

Das Schriftstellerhaus/phase1
Span­heim­stra­ße 1, 13357 Berlin
www.das-schriftstellerhaus.de

Die­ser Text erschien zuerst auf der Web­site des Quar­tiers­ma­nage­ments Badstraße


Heu­te am Sonn­tag, den 23.02.2020 fin­det ein kos­ten­lo­ses Fil­me­vent “TEL AVIV ON FIRE” im Rah­men der Rei­he “Süß und sal­zig” im Schrift­stel­ler­haus statt. Hier ist der Face­book-Event. Es geht um 16.00 Uhr los.

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