Sonntag ist Familientag. Da sollte man mit seinen Kindern eigentlich etwas unternehmen. Leider sind aber gerade an diesem Tag die Möglichkeiten zum Besuch einer öffentlichen Bibliothek sehr eingeschränkt. Bisher jedenfalls. Denn die Schiller-Bibliothek ist seit Mitte September sonntags geöffnet: Zwischen 12 und 18 Uhr kann man sie besuchen, zumindest vorerst bis zum Ende des Jahres. Dabei stehen zwar nicht alle Angebote zur Verfügung wie unter der Woche, aber immerhin die wichtigsten: Man kann sich Bücher anschauen und ausleihen, auch Medien wie DVDs oder CDs (falls man zuhause die Möglichkeit hat, sie abzuspielen), man kann die vorhandenen Computer nutzen, oder den eigenen Laptop mit dem W-LAN-Netz der Bibliothek verbinden. Sonntags steht den Besucherinne und Besuchern jedoch kein fachkundiges Bibliothekspersonal beratend zur Seite. An den Sonntagen dürfen nämlich die Mitarbeitenden gewöhnlicher Bibliotheken nicht arbeiten. Ausdrücklich nur in wissenschaftlichen Präsenzbibliotheken lässt das bundesdeutsche Arbeitszeitgesetz eine Ausnahme zu. In der Schiller-Bibliothek beaufsichtigen daher keine ausgebildeten Bibliothekare den Sonntagsbetrieb, sondern Securitykräfte. Fachlich geschulte Mitarbeiter dürfen dagegen kulturelle Veranstaltungen durchführen, diese Ausnahme ist im Gesetz vorgesehen (laut §10 Nr. 5 "Musikaufführungen, Theatervorstellungen, Filmvorführungen, Schaustellungen, Darbietungen und andere ähnlichen Veranstaltungen"). In der Amerika-Gedenkbibliothek hat man diese Lücke schon länger erkannt und bietet hier sonntags ein buntes Kulturprogramm, das sehr gut angenommen wird. Auch die Hansa-Bibliothek im Hansaviertel hat während der Pandemie im Jahr 2020 Erfahrungen mit der Sonntagsöffnung gesammelt. Noch zum Jahresende versucht sich jetzt also die Schiller-Bibliothek.
Ob das Amt für Weiterbildung und Kultur mit dieser Aktion auch höhere Ziele verfolgt, kann nur vermutet werden. Denn im Umfeld der Schillerbibliothek wohnen ja auch etliche Abgeordnete des Deutschen Bundestags, vor allem aber viele Mitarbeitende des Bundesparlaments. Und dort wird das Arbeitszeitgesetz demnächst überarbeitet. Ein Beschluss des Bundesarbeitsgerichts macht eine Neufassung der Regelungen zur Arbeitszeiterfassung notwendig. Bei dieser Gelegenheit könnte man auch die kaum mehr nachvollziehbaren Regelungen für Bibliotheken ändern. Der Deutsche Bibliotheksverband fordert das jedenfalls energisch. Die Gesetzesnovelle sollte eigentlich Ende 2024 beschlossen werden, steckt aber wie so viele Projekte noch im stockenden Getriebe der Ampel fest. Ein Referentenentwurf, der im Februar durchsickerte, ließ die Bibliotheken freilich noch außen vor. Dabei müssten nur einige Buchstaben im Gesetzestext gestrichen werden. Statt "in Museen und wissenschaftlichen Präsenzbibliotheken" müssten in § 10 unter Punkt 7 "in Museen und Bibliotheken" Ausnahmen gewährt werden. Ob sich Abgeordnete finden, die im parlamentarischen Verfahren so eine Änderung anregen?
Autor: Christof Schaffelder
Dieser Artikel ist zuerst in der Sanierungszeitschrift "Ecke Müllerstraße" erschienen.