Reichsbürger und Verschwörungserzähler sind auch im bunten Wedding angekommen. Einzelheiten zu diesem Fakt finden sich in einer Antwort des Senats auf eine Anfrage der Abgeordneten Tuba Bozkurt (Grüne). Wir fragen Bettina Pinzl von Demokratie in der Mitte (DiM), was diese neuen Tendenzen für die Förderung des respektvollen und friedlichen Zusammenlebens bedeuten.
Was ist neu an den derzeitigen Gefährdungen der Demokratie?
Bettina Pinzl: Ab 2015 und 2016 haben Menschen auch im Familienkreis gemerkt, dass diskriminierende und/oder die Demokratie ablehnende Äußerungen getätigt werden, bei denen sie nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen. Es gab vorher Sätze, die waren in der Öffentlichkeit nicht zu hören. Nicht in der Kneipe und nicht andernorts. Die Grenze des Sagbaren hat sich verschoben. Und die hat sich seitdem verfestigt, auch durch Corona und die Verschwörungserzählungen. Wobei ich nicht sagen möchte, dass es per se mehr Menschen geworden sind, die früher Unsagbares heute äußern. Sie sind nur sichtbarer und hörbarer geworden. Die zugehörigen Einstellungen gab es schon vorher und auch lange.
Seit der Gründung von DiM 2014 lag der Schwerpunkt Ihrer Arbeit auf Anti-Rassismus. Werden Sie in Ihrer Arbeit künftig einen zusätzlichen Schwerpunkt auf Reichsbürger oder Verschwörungserzählungen legen?
Ich denke zum jetzigen Zeitpunkt nicht, dass wir einen zusätzlichen Schwerpunkt legen werden. Das liegt daran, dass wir präventiv tätig sind. Einen Menschen, der Verschwörungserzählungen glaubt, mit Argumenten zu erreichen, das ist sehr, sehr schwierig. Was wir tun können, ist zu fragen: Wie sieht es mit dem Umfeld aus? Wenn jemand solche Dinge in der Öffentlichkeit äußert oder im Familienkreis, dann wollen wir Menschen befähigen zu sagen: „Tut mir Leid, aber da bin ich nicht deiner Meinung‟. Wir setzen bei der Aufklärung an. Zum Beispiel durch die Arbeit mit Schüler:innen, denen wir Informationen geben: Was sind Reichsbürger? Wovon gehen die aus? Warum lehnen sie die Demokratie ab?
Was tut DiM, um die Demokratie zu stärken?
Der beste Schutz der Demokratie liegt darin, sie zu stärken und für sie zu werben. Damit meine ich nicht nur den parlamentarischen Teil und die Wahlen. Ich spreche von einer demokratischen Grundhaltung, einer Lebenshaltung. Die äußerst sich darin, dass ich mich einsetze für mich und die Gesellschaft, in der ich lebe. Und zwar für alle Menschen in der Gesellschaft. Das kann klein im persönlichen Umfeld anfangen. Entsprechende Projekte unterstützen wir finanziell.
Vielen Dank für das Gespräch!
Allgemeine Informationen zum Umgang mit Querdenkerthesen im Familienkreis stellt die Bundesregierung unter dem Stichwort “Umgang mit Desinformation” bereit. Konkrete Hilfe und Beratung für Familienangehörige bietet entschwoert.de.
Das Interview 12. Januar gefühhrt und erschien zuerst in der Weddinger Allgemeinen Zeitung (–> E‑Paper), der gedruckten Zeitung für den Wedding. Autor ist Andrei Schnell. Wir danken dem RAZ-Verlag!
Warum nur eingeschränktes Gendern? Wenn “Schüler:innen”, dann auch “Reichsbürger:innen”. Sei konsequent.
Hallo Jürgen, wir überlassen es unseren Autorinnen und Autoren, ob sie gendern oder nicht. Insofern findest Du auf unserem Blog die Doppelform, den Doppelpunkt, ganz selten einen Genderstern und auch ungegenderte Texte. Wenn unsere Interviewpartner:innen gendern oder nicht, resprektieren wir das natürlich auch. Das ist für uns (sprachliche) Vielfalt.