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Wedding in Zahlen:
Welche Stadträte was zu sagen haben

24. April 2024
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Der eine schafft es, mit wenigen Worten Bedeutsames zu sagen. Der andere hat auch nach Stunden des Redens nichts gesagt. Wir haben dennoch mal gezählt, wie oft sich die Stadträte in unserem Bezirk an die Medien wenden. Als Indiz dafür, wie sehr die sechs Bezirksentscheider die Öffentlichkeit suchen.

Statistik Zahlen
Im Uhrzeigersinn: Bürgermeisterin Stefanie Remlinger, Jugendstadtrat Christoph Keller, Stadtrat für Stadtentwicklung Ephraim Gothe, Stadtrat für Bürgerdienste Carsten Spallek, Schulstadtrat Benjamin Fritz und Stadträtin für Straßen Dr. Almut Neumann. Grafik Andrei Schnell

Fast täglich eine Mitteilung

126-mal haben sich die Bürgermeisterin und die Stadträte im letzten halben Jahr an die Presse gewandt. Das ist nicht jeden Tag eine Wortmeldung, aber in den zurückliegenden 180 Tagen doch beinahe täglich. Nicht alle Pressemitteilungen haben direkt etwas mit der Arbeit der Politiker zu tun. Nicht selten unterschreibt der Stadtrat eine Mitteilung nur deshalb, weil eben einer unterschreiben muss. So führt die Bürgermeisterin Stefanie Remlinger (Grüne) zwar die Liste der Texte an die Presse mit 52 Nachrichten an. Doch in Wahrheit ist in diesen vor allem von Ausstellungsankündigungen zu lesen, denn die Bürgermeisterin steht auch der Weiterbildung und der Kultur vor. Mitteilungen, die sich auf ihre eigenen Entscheidungen beziehen, sind in der Unterzahl.

Lässt man die Bürgermeisterin außen vor, dann führt die kürzlich zurückgetretene Stadträtin Dr. Almut Neumann (Grüne) den Wunsch nach Kontakt zu den Medien an. Den sperrigen Begriff Verkehrswende hat sie in pressegerechte Häppchen zerteilt. Gegen sie wirkt Carsten Spallek (CDU) geradezu pressescheu. Im Mittelfeld liegen Benjamin Fritz (CDU) mit zehn Mitteilungen, Christoph Keller (Linke) mit elf und Ephraim Gothe (SPD) mit 16. Die Tiefgründigkeit der Nachrichten schwankt bei den Dreien allerdings erheblich.

Schulstadtrat: wennschon, dennschon

Benjamin Fritz

Fangen wir mit dem Positiven an: Benjamin Fritz hält sich zwar mit Mitteilungen zurück. Andererseits: Wenn er sich meldet, dann mit echten Neuigkeiten aus seiner Zuständigkeit. Zum Beispiel dann, wenn das landeseigene Unternehmen Howoge einen Erbaurechtsvertrag mit dem Bezirk unterschreibt, damit das neue Gymnasium in der Schulstraße gebaut werden kann. Oder wenn die Entscheidung fällt, dass die Anna-Lindh-Schule saniert wird und die Schüler in den Neubau in der Reinickendorfer Straße einziehen werden. Oder wenn der Stadtrat sagen möchte, wie es nach dem Brand an der Erika-Mann-Grundschule weitergehen soll. Benjamin Fritz ist auch derjenige, der kundtut, wann er Bürgersprechstunden anbietet. Wennschon ans Mikro, dennschon richtig.

Bürgermeisterin ist ein Fan der Kultur

Stefanie Remlinger

Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger ist nicht nur das politische Gesicht des Bezirks, sie steht auch dem Amt für Weiterbildung und Kultur vor. Sie sagt selbst, dass sie dieses Amt mag. Und diese Zuneigung merkt man an der Anzahl der Mitteilungen. 32 von 52 Informationen für die Presse betreffen städtische Galerien, Kunst und Kultur. Jedoch eine Frage an dieser Stelle: Ist die regelmäßig verwendete Überschrift "Die kulturellen Höhepunkte in Mitte" ironisch gemeint? Oder denkt der zuarbeitende Autor dieser beinahe wöchentlich erscheinenden Reihe wirklich, dass Chefin Stefanie Remlinger die vom Bezirk finanzierten Ausstellungen, Gespräche und Lesungen tatsächlich für das Beste hält, was das gesamte Kulturleben in Mitte zu bieten hat?

Als Bürgermeisterin, also mit übergreifenden und den gesamten Bezirk betreffenden Themen, hat sich Stefanie Remlinger 16-mal zu Wort gemeldet. So gesehen schwimmt sie mit den anderen Stadträten mit.

Randthema Jugend ein Wort geliehen

Junge Menschen glauben, dass es nichts Wichtigeres auf der Welt gibt als ihre Angelegenheiten. Das ist entwicklungspsychologisch okay. Um so krasser fällt jungen Leuten auf, wie wenig sie in der politischen Debatte vorkommen. Gegen das öffentliche Abwinken hat Stadtrat Christoph Keller immerhin elf Informationen gestellt. Davon betreffen fünf seinen Bereich Jugend, zwei Familie (Kitas) und vier den Bereich Gesundheit. Zu Beginn dieses Jahres drohte seitens des Senats eine massive Kürzung im Jugendbereich. In dieser Situation hat der Stadtrat seine Möglichkeiten, sich an die Öffentlichkeit zu wenden, genutzt.

Stadtentwicklung im Geheimen

Die Stadt geht alle an, denn alle benutzen sie. Mit dieser Vorannahme wirkt es erstaunlich, wie wenig der Stadtrat für Stadtentwicklung Ephraim Gothe der Allgemeinheit mitzuteilen hat. Unter seinen 16 Mitteilungen befinden sich größtenteils Einladungen zu Kiezspaziergängen. Die Mitteilungen betreffen also oft gerade nicht die Stadt- und Kiezentwicklung. Zugutehalten muss man dem Stadtrat, dass nicht jeden Tag ein Karstadt schließt oder irgendwo ein aufregendes Hochhaus gebaut wird. Andererseits passiert durchaus viel, worüber er als Stadtrat entscheidet; Stadt entwickelt sich Tag für Tag. Nur spricht er nicht darüber. Schade bei dem spannenden Thema.

Ephraim Gothe ist außerdem zuständig für das Facility-Management - also für die Gebäudewartung. So hatte sich der Bezirk zum Beispiel das Ziel gesetzt, dass das Facility-Management Substanz, Bauwert und
Nutzbarkeit der bezirkseigenen Häuser erhält. Welche Schalter legt er dafür um? Fazit: Bitte mehr verraten!

Funkstille in den Bürgerdiensten

Die meisten Leute dürften beim Wort Bezirksamt an das Bürgeramt, also an die Bürgerdienste denken. Hier gibt es alles: Heiratsurkunde, BerlinPass, Wohnungsummeldung, Ausweis, Wohngeld. Dennoch meldet sich der zuständige Stadtrat Carsten Spallek fast nie mit einer Pressemitteilung zu Wort. Vier Nachrichten in einem halben Jahr. Weil alles rund läuft? Oder weil gar nichts läuft? Und falls er intern etwas ändert - welche Strategie verfolgt der Stadtrat? Zum Beispiel lautete das Ziel des Bezirks, dass alle Bürger innerhalb von 14 Tagen ihr Anliegen im Bürgeramt erledigen können. Was hat Carsten Spallek bislang unternommen, um dieses politisch gesteckte Ziel erreichen?

Aus dem Geschäftsbereich Soziales hört man von Carsten Spallek, wenn ein Ehrenamtspreis vergeben werden soll. Ist das wirklich alles, mit dem sich die politische Führung dieses Amtes an die Öffentlichkeit wenden kann? Wie läuft es bei der Organisation des Sozialamtes, was will der Stadtrat verbessern?

Verkehrsstadträtin informiert am häufigsten

Almut Neumann

Fangen wir mit dem Positiven an und hören auch mit dem Positiven auf. Zu den Paradoxien des politischen Geschäfts gehört es, dass die kürzlich zurückgetretene Stadträtin für Straßen und Grünflächen sich von den Bürgern oft anhören muss, dass sie nicht informiert wurden. Gleichzeitig hat Almut Neumann mit 33 Mitteilungen an die Presse von den sechs Stadträten am fleißigsten Nachrichten gestreut. Zudem betrafen über die Hälfte ihrer Nachrichten unmittelbar ihre politische Verantwortung. Fünfmal informierte sie aus dem Ordnungsamt (Zahl der abgeschleppten Autos), 18-mal aus dem Straßenamt (Poller, Fahrradstraßen, Parklets, Bänke). Nur den zehn Einladungen zu Exkursionen des Umweltamtes lag keine politische Nachricht zugrunde. Weiter so, kann man nicht sagen. Aber man kann sagen: vielleicht später einmal weiter so.

Pressemitteilungen sind für jeden

Das Wort Pressemitteilung führt vielleicht zu der irrigen Annahme, hier würden exklusive Nachrichten an Medienvertreter geschickt. Das Gegenteil ist richtig. Auf www.berlin.de/ba-mitte/aktuelles/pressemitteilungen darf jeder lesen, was die Stadträte für mitteilenswert halten. Nicht immer sind die Texte auf den Punkt geschrieben, wie man es von den Nachrichten in Funk und Zeitung gewohnt ist. Wer als regelmäßiger Leser die manchmal drögen Texte tapfer liest, dem entgeht weniger. Und: Wer nicht jeden Tag auf der genannten Webseite nachschauen will, der abonniert dort den Newsletter.

PS: Dieser Text ist Teil der Reihe Wedding in Zahlen. In Teil 1 ging es um die Frage, wie repräsentativ das Bezirksamt bei Alter, Geschlecht, Bildung und Herkunft ist.

Andrei Schnell

Meine Feinde besitzen ein Stück der Wahrheit, das mir fehlt.

2 Comments Leave a Reply

    • Frau Dr. Neumann hat im März bekanntgegeben, dass sie zu Mitte April zurücktritt. Der Beitrag betrachtet rückblickend die vergangenen sechs Monate, wo Frau Dr. Neumann noch im Amt war.

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