Viel besungen, viel geschmäht: die Panke, der letzte Nebenfluss der Spree und nach dieser das zweite Ur-Berliner Fließgewässer. Die Menschen haben dem knapp 30 Kilometer langen Fluss übel zugesetzt: Gerbereien und Färbereien, Papiermühlen und die Entwässerung der Rieselfelder haben das einst so fischreiche Gewässer verschmutzt – heute haben nur zwei besonders hartnäckige Fischarten überlebt. Das ungehemmte Wachstum der Millionenstadt Berlin rückte auch der Panke zu Leibe, die immer weiter eingeschnürt und verengt wurde.
Der Name Panke soll vom slawischen Wort für „Fluss mit Strudeln“ abstammen. Mit häufigen Hochwassern ist auch bei diesem scheinbar harmlosen Flüsschen durchaus zu rechnen, zuletzt passierte dies 2012. Zahlreiche Maßnahmen sollten den Schutz vor Überschwemmungen verbessern, aber dem Ökosystem Panke hat man damit den Garaus gemacht. Das äußert sich etwa in harten Uferverbauungen und einer Trennung des Gewässers vom Umland.
Dies soll sich nun ändern. Zwar ist eine Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union nur der offizielle Anlass für die Umgestaltung der Panke. Doch die beteiligten Länder Brandenburg und Berlin haben den geschichtsträchtigen und doch so unscheinbaren Fluss zu einem Modellprojekt erklärt, der auch in der Fachwelt große Beachtung findet: nahezu auf der gesamten Länge, davon allein 17 Kilometer auf dem Boden der Millionenstadt Berlin, werden kleine und große Baumaßnahmen projektiert. Durch sie soll die Panke auf weiten Strecken ein neues Bett erhalten, windungs- und somit abwechslungsreicher fließen und wieder in einen guten ökologischen Zustand gebracht werden. 23 % des Ausbaugebiets liegen in den Ortsteilen Gesundbrunnen und Wedding.
Perlenkette von Maßnahmen
Gerade weil nicht auf dem gesamten Pankelauf neue Wege für die Panke hergestellt werden sollen, erhoffen sich die Planer viel von der Strahlwirkung: an einzelnen Abschnitten werden große naturnahe Umgestaltungen vorgenommen, während an den dazwischen liegenden Bereichen nur kleinere Maßnahmen erfolgen können. Anderen Nutzungen wird dadurch ebenso Rechnung getragen wie dem zukünftigen Ökosystem Panke.
Wie an einer Perlenkette aufgereiht sollen möglichst auf landeseigenen Flächen ökologische Schwerpunkte entstehen. An den dazwischen liegenden Abschnitten soll hingegen die so genannte Mindesthabitatausstattung für kleine, aber wirkungsvolle Verbesserungen sorgen. Insgesamt, so das Kalkül der Experten, kann es aber gelingen, den Fluss ökologisch aufzuwerten.
Auenland in Berlin
An einigen Stellen sehen die Planer das Potenzial für Sekundärauen, wo sich der Fluss bei Hochwasser auf weiten Flächen in seiner natürlichen Dynamik ausbreiten kann. Der Flusslauf soll so verändert werden, dass Mäander, also Flusswindungen, entstehen. Hier kann das Wasser mal schnell, mal langsam fließen und damit den Bedürfnissen verschiedener Fische und Pflanzen Rechnung tragen. So mögen Forellen und Bachneunaugen strömungsreiche Gewässer, während sich Hechte in den ruhigeren Abschnitten wohler fühlen. Auch bleibt der Wasserstand in den Auen nicht immer gleich hoch, worauf sich die Flussbewohner in einem natürlichen Gewässer eingestellt haben. Diese Sekundärauen werden mit standortgerechten, dem Gewässertyp entsprechenden Gehölzen und Pflanzen ausgestattet. Ein Beispiel: bis 1989 scherte sich die Panke wenig um die Berliner Mauer, die sie an der Nordbahn zwischen Wedding und Pankow unterquerte. Auf dem ehemaligen Mauerstreifen neben dem Kinderbauernhof Pinke-Panke wurde nach 1990 ein großes Rückhaltebecken angelegt. Hier soll eine große Flusswindung entstehen, da viel Platz zur Verfügung steht.
Nur wenige hundert Meter flussabwärts befindet sich eine weiteres Rückhaltebecken, das das Eingangstor zur geschlossenen städtischen Mietskasernenbebauung Berlins darstellt. Die Planer haben es wegen des benachbarten Französischen Friedhofs “Franzosenbecken” genannt.Auch hier kann auf einer größeren Fläche ein windungsreiches Flussbett mit angrenzendem Feuchtgebiet geschaffen werden. Ebenso ist am Luisenbad, wo es einen Nebenarm gibt, die Schaffung einer Aue vorgesehen.
Wanderstrecke für Fische
14 Querbauwerke mit unterschiedlichen Absturzhöhen verhindern, dass Fische und wirbellose Gewässertiere die Panke hinaufschwimmen können. Im Zuge der Planung werden diese Querbauwerke aufgelöst bzw. umgebaut und die ökologische Durchgängigkeit der Panke wieder hergestellt. Zum Beispiel wird an der heutigen Pankemündung der Absturz der Panke in das Vorbecken des Nordhafens am Sellerpark in einen so genannten “Raugerinnebeckenpass” umgebaut, den Fische passieren können.
Die in den 1980ern errichtete Rechenanlage an der Schulzendorfer Straße soll Treibgut auffangen. Da sie aber ebenfalls die Fischpassierbarkeit einschränkt, werden einige Gitterstäbe entfernt. Auch an der Schönwalder Brücke befindet sich eine betonierte Schwelle mit zehn Zentimetern Höhenunterschied, die abgebaut werden soll.
Das Verhalten der Menschen einplanen
Heute bietet sich die Chance, dass der naturnah zu gestaltende Fluss die Lebensqualität entlang der Panke weiter erhöht. Trotzdem sind die Interessenkonflikte, die sich bei einem Stadtfluss zwangsläufig ergeben, eine Unwägbarkeit bei den ökologischen Planungen. Die Vermüllung des Flusses ist ein allgegenwärtiges Phänomen im innerstädtischen Pankeabschnitt, wo die Panke heute schnell abfließt. Mit der weit reichenden ökologischen Umgestaltung eines ausgeprägten, vollständig vom Menschen überformten Stadtflusses wie der Panke betreten die Planer Neuland. Die Aufgabe der Planer liegt nämlich nicht nur darin, ein Stück Stadtnatur zu schaffen. Auch wie die Stadtbewohner mit ihren unterschiedlichen Interessen mit einem naturnahen Fluss umgehen werden, birgt enormes Konfliktpotenzial. Die Verbesserung des ökologischen Zustands der Panke endet daher nicht mit dem Abschluss der Bauarbeiten. Es wird ebenso wichtig sein, ein Unterhaltungs- und Pflegekonzept für die städtischen Abschnitte zu entwickeln. Darin liegt die zweite, ebenso große Herausforderung.
Die Unterlagen zum Planfeststellungsverfahren werden noch bis zum 28.7.2015 in der Bibliothek am Luisenbad ausgelegt. Die Einwendungsfrist endet am 11. August.