Diesen Text schreibe ich am 15.10.2013, dem größten muslimischen Feiertag, dem Opferfest. An diesem Tag fehlen viele Kinder im Schulunterricht und im Kindergarten, größtenteils auch entschuldigt. Dennoch werden viele der Mitschüler und Erzieherinnen nicht wissen, wo die muslimischen Kinder bleiben. Trotz der hohen Zahl an Muslimen in manchen Bezirken Berlins, ist dieser Tag für viele ein stinknormaler Arbeitstag.
Weihnachten in der Türkei: wenn du mit christlicher Konfession in der Türkei aufwächst und nicht auf eine abendländliche Schule wie z.B. ein deutsches Gymnasium gehst, bist du vom Religionsunterricht befreit. Dennoch sind christliche Feiertage wie Ostern und Weihnachten ganz normale Schul- und Arbeitstage.
Mit einer (nicht besonders) deutsch-christlichen Mutter und einem (nicht besonders) türkisch-muslimischen Vater wuchs ich in der Türkei auf. Ich und mein Bruder gingen am 24. Dezember wie jeden Tag in die Schule. Als wir nach Hause kamen, war der Weihnachtsbaum aufgestellt und die Geschenke warteten. Meine türkischen Großteltern und meine Tante kamen zum Abendessen, es gab Kartoffelsalat und Würstchen aus Rindfleisch: nicht dass wir kein Schweinefleisch aßen, es gab keine Schweinewürstchen zu kaufen. Die Bescherung fand ganz traditionell erst nach dem Abendessen statt. Und am 25. wachten wir zum nächsten Schultag auf.
Die muslimische Tradition sieht vor, dass am Opferfest jeder Gläubige, der es sich leisten kann, ein männliches Tier schlachtet und das Fleisch größtenteils an Bedürftige verteilt, die es sich nicht leisten können, Fleisch zu essen. Außerdem spenden die Gläubigen 1⁄41. ihres Vermögens an Ärmere. Es versteht sich, dass Reichtum ein relativer Begriff ist und viele Muslime unsicher sind, ob sie nun vermögend sind oder nicht und wie sie ihren Besitz durch 41 dividieren sollen. Dennoch hat Spenden im Islam eine Tradition. Viele der modernen Muslime spenden auch anstelle eines buchstäblichen Opfers Geld an gemeinnützige Organisationen und unterstützen somit die humanitäre Hilfe in Krisengebieten.
Nun muss ich eine kurze Pause einlegen, denn schließlich muss ich ja zur Arbeit.
Es ist ein seltsames Gefühl, in einer Gesellschaft zu leben, in der die Feiertage, die man aus der Kindheit kennt, wenig Bedeutung haben. Umgekehrt finde ich es nicht so befremdlich. Je mehr Feiertage, desto lustiger. Heute musste ich arbeiten, während mein Bruder in der Türkei die ganze Woche frei hat. Auf meiner Arbeit gab es ein Fest (zu einem vollkommen anderen Anlass) mit Bratwürstchen vom Grill, aber ich nahm lieber die Tofuwurst. In Zeiten brutaler Massentierhaltung hätte ich am Bayram keine gequälte Mastsau runtergekriegt. Die zwei muslimischen Mütter trugen etwas zum Buffet bei, konnten aber persönlich nicht dabei sein. Wer würde auch Heiligabend freiwillig in einer Bildungseinrichtung verbringen?
Ihr werdet diesen Beitrag während der Feiertage oder nach den Feiertagen lesen. Vielleicht googeln wir mal den nächsten Ramadan, das chinesische Neujahr etc. und gratulieren unseren Kollegen aus anderen Kulturkreisen zu ihren Feiertagen. Ich hätte mich als Schüler über ein “frohe Weihnachten” unglaublich gefreut, wenn ich schon wie an jedem anderen Tag in die Schule musste.
Autor: A. Bükey
Beim Senat kann man einen interkulturellen Kalender runterladen und zwar hier:
http://www.berlin.de/imperia/md/content/lb-integration-migration/publikationen/religion/interkult_kal_2013_web.pdf?start&ts=1351780126&file=interkult_kal_2013_web.pdf
das ist noch ein langer Weg, bis es zum Id-al-Adha Mastsau-Bratwurst gibt