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Mehr als die Hälfte hat Migrationshintergrund:
Mitte internationalisiert sich rasant – die Verwaltung hinkt noch hinterher

30. März 2025
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Berlin-Mitte ist längst ein internationaler Bezirk. Deutlich mehr als die Hälfte der Einwohner hat einen persönlichen Migrationshintergrund, stammt also entweder selbst aus dem Ausland oder hat zumindest einen Elternteil, der eingewandert ist. Gut 37 % der Einwohner in unserem Bezirk besitzen keine deutsche Staatsbürgerschaft, etwa 20 % sind eingebürgerte Deutsche oder deren direkte Nachkommen – und nur von etwa 42 % der Bevölkerung in Mitte haben beide Elternteile seit ihrer Geburt eine west- oder ostdeutsche Staatsbürgerschaft.

In der Verwaltung des Bezirks arbeiten dagegen nach wie vor ganz überwiegend Deutsche ohne Migrationshintergrund. Nach den Ergebnissen einer Befragung von Mitarbeitenden der Berliner Verwaltung im vergangenen Jahr haben bislang nur 23,8 % der insgesamt 3326 Beschäftigten des Bezirks Mitte den besagten migrantischen Hintergrund. Der Wert liegt dabei nur geringfügig über dem Durchschnittswert der Berliner Verwaltung (21,7 %).

Mit 57,8 % verfügt Mitte dagegen über einen größeren Bevölkerungsanteil mit Migrationshintergrund als jeder andere Bezirk und jede Kommune in Deutschland. Lediglich Hamburg-Mitte kommt uns mit 55 % noch nahe. Auch in Berlin-Neukölln bilden Menschen mit Migrationshintergrund mit 50,7 % noch die Mehrheit, Friedrichshain-Kreuzberg liegt nach den aktuellen Daten der Einwohnermeldestatistik knapp unter dieser magischen Schwelle.

Seit 2014 ist die Zahl der im Bezirk Mitte gemeldeten Menschen ohne deutschen Pass um etwa 41.000 angestiegen, die der Einwohner mit deutscher Staatsbürgerschaft dagegen um etwa 2000 gefallen – und das, obwohl hier zum Teil deutlich mehr als 1000 Personen pro Jahr neu eingebürgert werden. Dabei zeigt sich einmal mehr: Wer neu nach Berlin zieht, der wohnt am liebsten zunächst in zentralen Bereichen der Stadt. Erst später, wenn man Orientierung gewonnen, seine Lebensverhältnisse stabilisiert und einen festen Arbeitsplatz gefunden hat, sucht man sich einen Lebensort in der Außenstadt oder im Umland.

Rathäuser in Mitte (Foto Rathaus Mitte: Hensel)

An diesem Muster hat sich grundsätzlich wenig geändert – wohl aber die Herkunftsgebiete der Menschen, die neu nach Berlin ziehen. So kamen in den 2000er Jahren noch etwa zwei Drittel der neuen Bewohner von Mitte aus anderen deutschen Bundesländern. Jetzt, in den 2020er Jahren, sind es weniger als ein Drittel. Und der Rest kommt von immer weiter her: Zwischen 2012 und 2018 wuchs Berlin vor allem aufgrund des Zuzugs aus anderen EU-Ländern. In diesem Zeitraum schnellte die Gesamtzahl der EU-Bürger in Berlin um 46 % in die Höhe. Seitdem aber stagniert dieses Wachstum, es ziehen inzwischen fast genauso viele EU-Bürger aus Berlin weg wie hier neu ankommen. Viele EU-Staaten kämpfen nämlich mit ähnlichen demografischen Problemen wie Deutschland. Auch dort gehen die "Babyboomer" in Rente und können von den zahlenmäßig wesentlich schwächeren "Millennials" nicht ersetzt werden.

Die stärkste Zuwanderung nach Berlin kam 2023 aus der Ukraine (fast 12.000), gleichzeitig kehrten aber auch mehr als 6000 Personen wieder dorthin zurück. Unterm Strich wuchs die ukrainische Bevölkerung Berlins um etwa 5500. Die stärkste Netto-Zuwanderung kam 2023 dagegen aus der krisengeschüttelten Türkei (7300) und die zweitstärkste aus Indien (6000), mit dem im März 2023 ein Migrationsabkommen in Kraft getreten war. Ähnliche Partnerschaften wurden seitdem mit zahlreichen Ländern auf unterschiedlichen Kontinenten vereinbart: Kolumbien, Marokko, Kenia, Usbekistan, Ghana, Georgien und Moldau. Mit den Philippinen und mit Kirgisistan wird aktuell verhandelt.

Man kann also davon ausgehen, dass auch in den kommenden Jahren wieder Menschen aus allen Kontinenten zu uns kommen werden. Für seine Verwaltung sucht der Bezirk Mitte deshalb mit besonderem Nachdruck neue Mitarbeitende mit Migrationshintergrund. Aber natürlich sind dafür sehr gute Deutschkenntnisse Voraussetzung, bei Beamten sogar eine EU-Staatsbürgerschaft. In der Wirtschaft ist man flexibler, im IT-Bereich etwa spricht man fast überall inzwischen regulär Englisch am Arbeitsplatz. Möglicherweise müssen sich irgendwann auch Teile der Verwaltung diesem Trend anpassen. An den Hochschulen hat dieser Prozess schon begonnen, hier werden auch immer mehr Lehrveranstaltungen auf Englisch abgehalten. Vielleicht gibt es irgendwann auch "English speaking counters" in den Bürgerämtern.

Oder "offices" im Stadtplanungsamt? Denn auch die Investoren kommen ja zunehmend aus dem Ausland.

Autor: Christof Schaffelder

Dieser Artikel ist zuerst in der Sanierungszeitung Ecke Müllerstraße erschienen.

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2 Comments Leave a Reply

  1. Wie viele Schüler verlassen die Schule ohne Abschluß, wie verteilt sich deren ethnische Zuordnung? Die Antwort erspare ich mir. Schlechte Deutschkenntnisse sind kein Ausschlußkriterium, im Vordergrund steht die Prüfung der kognitiven Kompetenz der Bewerber, woraus sich nebenbei Rückschlüsse auf deren IQ ergeben. MSA oder gar Abitur sind als Eintrittskarten längst bedeutungslos angesichts mangelhafter Anforderungen in öffentlichen Schulen. Bei Durchsicht schriftlicher Prüfungsunterlagen und im persönlichen Gespräch mit jungen Bewerbern kann einem das kalte Grausen kommen. Unfähigkeit in Zusammenhängen zu denken, teilweise fehlen selbst Mindeststandards, einem Thema sachlich zu folgen. Und ich weiß, wovon ich rede.
    Als Anfang der Zweitausender der Wowereit-Senat den sog. Solidarpakt beschloß, verpaßte man die einmalige Gelegenheit etwa 20.000 inkompetenten oder dauerkranken Mitarbeitern betriebsbedingt zu kündigen. Die mußte und muß man durchschleppen bis zur Berentung. Auch ein Grund für den grottenschlechten Zustand der Berliner Administration. Dazu kommt: Wer auch nur ansatzweise Verstand hat, bewirbt sich bei den in Berlin ansässigen Bundesbehörden oder weicht in andere Bundesländer aus.
    Die niedrige Migrantenquote im Öffentlichen Dienst des Bezirks Mitte ist sicher nicht Ausdruck von Diskriminierung, sondern fehlender Kompetenz der Bewerber und im Verhältnis schlechter finanzieller Anreize.

  2. Eine Statistik mit Kreuztabellierungen nach "Alter und Wohndauer" und "Wohndauer und Nationalität" kann sicherlich aufschlussreich(er) sein.

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