Alle haben es längst gewusst: bevor der Wedding kommt, wird er einfach verdrängt. Aufgehübscht, totsaniert und am Ende kommt die Ferienwohnung. Diese angstvolle Verheißung wurde ein Jahr nach der ersten Grobanalyse nun durch eine bezirksweite Analyse des Stadtraumes noch einmal bestätigt. Jetzt soll durch drei Erhaltungsgebiete die “typische Berliner Mischung” auch bei uns im Wedding erhalten werden. Während andere noch über die Wirkung solcher Maßnahmen diskutieren, bleibt man in der Genter Straße 33 bis 45 scheinbar ganz entspannt.
Milieuschutz mal drei
Der Wedding wird im sogenannten “Stadtraum 2: Wedding Zentrum” in diesem Jahr gleich um drei Erhaltungsgebiete reicher. Gemäß ihrer Lage werden die unter anderem auch “Milieuschutzgebiete” genannten Bereiche auf die Namen “Seestraße”, “Leopoldplatz” sowie “Sparrplatz” getauft. In diesen Bereichen seien zirka drei Viertel aller Wohnungen neben enormem Aufwertungs- auch einem besonderem Verdrängungspotential ausgesetzt.
Alle Wohnhäuser in den im zweiten Jahresquartal zu schaffenden Erhaltungsgebieten, sollen in Zukunft vor diesem Prozessen also geschützt werden. Das bedeutet, die Umwandlung in Eigentumswohnungen soll unter Genehmigungsvorbehalt gestellt, Grundrissänderung sowie Zusammenlegung von Wohnungen grundsätzlich ausgeschlossen werden und auch die Nutzungsänderung von Wohnungen in Gewerberäume soll nicht mehr möglich sein. All das soll gemeinsam mit Einführung eines gebietsspezifischen Mietspiegels helfen, die “typische Berliner Mischung” zu erhalten bleiben, so heißt es bei Baustadtrat Spallek (CDU). Die Wirkkraft solcher Maßnahmen darf durchaus diskutiert werden.
Eine Ausnahme in der Genter Straße
Umfassen die Erhaltungsgebiete aber wirklich alle in ihnen befindlichen Wohnhäuser? Nun ja, nicht ganz. Zwischen dem Erhaltungsgebiet “Sparrplatz” und dem Erhaltungsgebiet “Seestraße” prangt auf der Karte ein auffallend weißer Fleck. Und wie es der Zufall so will, auf diesem weißen Fleckchen Wedding steht ein Wohngebäude. Dessen Adresse: Genter Straße 33 bis 45.
Genau hier, an der Genter Straße Kreuzung Ostender Straße verläuft die zukünftige Erhaltungsgrenze. Auf der Seite eine saubere Fassade; die auf der anderen scheint schon in die Jahre gekommen. Einige alte Hertha-Fahnen fristen trotz sportlichem Höhenflug ein eher stiefmütterliches Dasein. Einige Balkone der Genter Straße scheinen regelrecht verwaist. Dass ausgerechnet hier eine Erhaltungsgrenze verlaufen soll, erschließt sich nicht sofort.
Der Grund ist weniger offenkundig, aber dennoch schnell gefunden: Die Wohnanlage zwischen Zeppelinplatz, Genter Straße, Ostender Straße und Limburger Straße gehört der EVM Berlin eG – ehemals “Erbbauverein Moabit”. Die Genossenschaft wurde 1904 unter anderem von Adolf Damaschke gegründet und zählt heute zirka 11.000 Mitglieder in mehr als 5.100 Wohnungen in ganz Berlin.
Im Wedding zählen ungefähr fünf bis sechs Prozent der Wohnhäuser zu den genossenschaftlichen Bauten, in ganz Berlin rechnet man mit ungefähr zehn Prozent. Aufgrund ihrer besonderen Organisationsstruktur sind sie von den Erhaltungsgebieten nicht nur im Wedding, sondern zum Beispiel auch in Moabit generell ausgeschlossen. Die Wohnanlage an der Genter Straße ist also nur ein Beispiel – in der Sprengelstraße steht übrigens eine weitere.
Eine Baugenossenschaft verfolgt unter anderem übrigens das Ziel, seinen Mitgliedern besonders günstigen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Hat man einmal Genossenschaftsanteile erworben und die Wohnung bezogen, muss man als Bewohner zum Beispiel nicht automatisch weitergehende Modernisierungsmaßnahmen akzeptieren. Auch Mieterhöhungen sind nur in dem Rahmen zu erdulden, wie es auch die Nachbarn tun.
Genossenschaft als Ausweg?
Man kann sich gut vorstellen, dass der Wedding trotz des zaghaften Milieuschutzes auch in Zukunft rasante Preissteigerungen erleben wird. Allein im Planungsraum Rehberge sind die Kaltmieten im oberen Segment von 6,50 pro Quadratmeter im Jahr 2011 auf mehr als 14 Euro pro Quadratmeter im Jahr 2013 angestiegen – laut Steckbrief des Stadtplanungsausschuss.
Da erscheint der Eintritt in eine Genossenschaft als durchaus probates Mittel, um sich gegen drastische Preissteigerungen auch langfristig abzusichern. Als wären die genossenschaftliche Wohnungsangebote nicht ohnehin schon völlig überlaufen, werden sie sich wohl auch in Zukunft großer Beliebtheit erfreuen.
Links:
http://www.berlin.de/ba-mitte/aktuelles/pressemitteilungen/2016/pressemitteilung.440962.php
Danke für die Info!!
Könntet Ihr bitte in Zukunft eure Quellen angeben und verlinken, dann ist das auffinden weiterer Infos erheblich leichter.
Gern geschehen!
Alle Informationen sind auf der Webseite des BA Mitte einsehbar, hier:
http://www.berlin.de/ba-mitte/politik-und-verwaltung/aemter/stadtentwicklungsamt/stadtplanung/staedtebaufoerderung/erhaltungsgebiete/
LG