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Wird Wedding teuer? Über die Mieten im Brunnenviertel

3. Mai 2015
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Gerüch­te machen die Leu­te im Brun­nen­vier­tel ner­vös. Man erzählt sich von rück­wir­kend erho­be­nen Miet­for­de­run­gen, von Haus­ver­käu­fen der lan­des­ei­ge­nen Ver­mie­ters dege­wo an pri­va­te Wohungs­un­ter­neh­men und von Miet­erhö­hun­gen durch vor­zei­ti­gen Aus­stieg aus För­der­pro­gram­men. Das gro­ße Ber­li­ner The­ma Mie­ten in einem klei­nen Kiez.

Sozia­ler Woh­nungs­bau ist ein vor allem ein Gesetz
Das Brun­nen­vier­tel wird domi­niert von Häu­sern, die im soge­nann­ten Sozia­len Woh­nungs­bau errich­tet wur­den. Wenn Sozia­ler Woh­nungs­bau eine Stil­rich­tung wäre, dann gäbe es rela­tiv wenig Pro­ble­me. Dem einen gefal­len halt gro­ße Bal­kons und wei­te Höfe, und der ande­re stört sich am feh­len­den Stuck. Aber es han­delt sich beim Sozia­len Woh­nungs­bau nicht um eine Stil­fra­ge, son­dern um ein Gesetz: das ist das II. Woh­nungs­bin­dungs­ge­setz. Und die­ses Gesetz wur­de so gestal­tet, dass die Bau­her­ren durch die jahr­zehn­te­lan­ge För­de­rung am Ende mehr Geld vom Staat erhal­ten als der Bau der Häu­ser je gekos­tet hat – wie der streit­ba­re Ver­drän­gungs­kri­ti­ker Andrej Holm 2010 schrieb. Auch dar­über könn­ten groß­zü­gig den­ken­de Men­schen hin­weg­se­hen, wenn nicht das Pro­blem hin­zu­tre­ten wür­de, dass die Woh­nun­gen am Ende der För­der­zei­ten in den frei­en Woh­nungs­markt wech­seln wür­den. Da ist es dann schon erlaubt zu seuf­zen: Das schö­ne För­der­geld. Bei den in den 80er Jah­ren errich­te­ten Woh­nun­gen des Brun­nen­vier­tels geschieht nun genau dies: Aus bis­lang markt­ver­schon­ten Woh­nun­gen wer­den Marktwohnungen.

Rück­wir­ken­de Mieterhöhungen
Sozialmieten im Brunnenviertel UniversaEine Hin­ter­grund­in­for­ma­ti­on: Was nur Mie­ter von Sozi­al­woh­nun­gen wis­sen, ist, dass Sozi­al­miet­ver­trä­ge ver­steck­te Staf­fel­miet­ver­trä­ge sind. Jedes Jahr stei­gen die Mie­ten „gemäß För­de­rung“, wie die Ver­mie­ter dazu sagen. Wer das schon wuss­te, kann ab hier Neu­es erfah­ren: Mie­ter im Brun­nen­vier­tel erhal­ten der­zeit rück­wir­ken­de Miet­erhö­hun­gen. 12 Mona­te und mehr rück­wir­kend wer­den zur Nach­zah­lung fäl­lig. Da wird eine im dop­pel­ten Wort­sinn über­ra­schen­de Sum­me fäl­lig. Und doch ist For­de­rung wohl recht­lich ein­wand­frei. Der bis­he­ri­ge Eigen­tü­mer die­ser Woh­nun­gen, das lan­des­ei­ge­ne Woh­nungs­un­ter­neh­men dege­wo, hat­te trotz der jähr­li­chen Miet­erhö­hun­gen den nach II. Wohung­bin­dungs­ge­setz mög­li­chen Erhö­hungs­spiel­raum nicht aus­ge­nutzt. Nach dem Ver­kauf durch die dege­wo ver­lan­gen die neu­en pri­va­ten Eigen­tü­mer nun die vol­len Miet­stei­ge­run­gen. Die­se rück­wir­ken­den Miet­erhö­hun­gen sind nach dem Gesetz mög­lich, auch wenn man sich das als Laie nicht vor­stel­len kann. Wer nicht zah­len möch­te, dem bleibt nur die außer­or­dent­li­che Kün­di­gung – mit Frist von 3 Monaten.

Trick­se­rei­en bei der degewo?

Der größte Vermieter im Brunnenviertel - die degewo.
Ein Haus des größ­ten Ver­mie­ters im Brun­nen­vier­tel, der degewo.

Es ist nicht leicht, die kom­ple­xen Zusam­men­hän­ge ein­fach zu erklä­ren. Hier ein zwei­ter Ver­such mit einer ande­ren Beob­ach­tung im Brun­nen­vier­tel. Es wird von unfai­ren Miet­erhö­hun­gen durch vor­zei­ti­ge Rück­zah­lung von För­der­mit­teln aus dem II. Wohn­bin­dungs­ge­setz berich­tet. Ziel sei es, das Mie­ten­bünd­nis des Lan­des Ber­lin zu umge­hen, obwohl die dege­wo die­sem Bünd­nis bei­getre­ten ist. Das Mie­ten­bünd­nis hät­te eine Begren­zung der Bestands­mie­ten (nicht Neu­ver­mie­tung!) auf 5,70 Euro pro Qua­drat­me­ter ver­langt. Indem die dege­wo die För­der­mit­tel vor­zei­tig zurück­zahlt, ver­lie­ren die betrof­fe­nen Woh­nun­gen den Sta­tus Sozi­al­woh­nung. Damit han­delt es sich um Woh­nun­gen des frei­en Woh­nungs­mark­tes. Sie gehö­ren nicht mehr zum Mie­ten­bünd­nis. Bemer­kens­wert dabei ist, dass die auf die­se Wei­se ab dem 1. April 2015 „frei­en“ Woh­nun­gen für die Bestands­mie­ter teu­rer wer­den als der Miet­spie­gel sie bewertet.

Alter­na­ti­ven?
Die dege­wo ver­öf­fent­lich­te eine Pres­se­mit­tei­lung, in der die schlüs­sel­lo­se Tür gefei­ert wird. Ob das die Leu­te der­zeit inter­es­siert? Ande­re reden dage­gen durch­aus über Mie­ten. Zum Bei­spiel „Dia­log extrem“ am 15. April. Der Ansatz von „Dia­log Extrem“ ist gut, wird doch so das The­ma Mie­ten the­ma­ti­siert, auch wenn man Sprü­che des Exper­ten Dr. And­re Schlü­ter aus­hal­ten muss: „Mie­te ist Ent­eig­nung – Ber­lin braucht mehr Eigen­tum”.  Lang­fris­tig gese­hen, wird reden allein wahr­schein­lich nicht rei­chen. Des­halb hat sich das Mie­ten-Volks­ent­scheid gegrün­det. Ziel ist die Grün­dung eines Wohn­raum­för­der­fonds und die Umwand­lung der lan­des­ei­ge­nen Woh­nungs­un­ter­neh­men in Anstal­ten öffent­li­chen Rechts. Ob damit Pro­ble­me gelöst wer­den, ist unge­wiss. Aber es kommt Bewe­gung in das Thema.

PS: Die­ser Arti­kel beschäf­tigt sich mit der dege­wo. Der Grund ist ein­fach: sie ist im Brun­nen­vier­tel der mit Abstand größ­te Ver­mie­ter. Um einen ein­sei­ti­ge Sicht zu ver­mei­den, hat der Autor vor Ver­öf­fent­li­chung die Pres­se­ab­tei­lung der dege­wo um ihre Sicht gebe­ten – und kei­ne Ant­wort erhalten.

Text und Fotos: And­rei Schnell 

Andrei Schnell

Meine Feinde besitzen ein Stück der Wahrheit, das mir fehlt.

5 Comments Leave a Reply

  1. Hal­lo, ich woh­ne im Brun­nen­vier­tel im Wed­ding. Ich habe die Dege­wo ange­schrie­ben. Sie haben zurück geschrie­ben, dass sie gar nix ver­kauft haben. Daher mei­ne Fra­ge, woher habt ihr eure Infos?

    • Hal­lo Laura,

      ich habe mit Men­schen gespro­chen, die Post von neu­en Eigen­tü­mern haben. Hat die dege­wo in der Ant­wort an Dich geschrie­ben, wie es zu den neu­en Eigen­tü­mern gekom­men ist? 

      And­rei

    • Ganz for­mal ist das natür­lich rich­tig. Ver­wal­tungs­re­for­men ändern aber am Lebens­ge­fühl der Brun­nen­viert­ler nichts. Sie sind Wed­din­ger, schon immer.

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