Man könnte die Kugelbar als hippen Ort für erlebnishungrige Bargänger und feierwütige Freizeit-Kegler beschreiben. Oder man fragt die Betreiberin Ann, wie sie sich den Neustart der Location im Februar gedacht hat. Denn diese Bar will ein Ort für alle sein. Für weniger betuchte Weddinger, die für ihr Bier nicht mehr als 2,50 Euro ausgeben können. Für Touristen, die nur noch hier ein Stück Berlin finden, das es anderswo längst nicht mehr gibt. Aber auch für junge Leute, die diesen außergewöhnlich offenen Ort zu schätzen wissen, der im Untergrund zugleich eine geschlossene Zeitkapsel bildet.
Auf den ersten Blick merkt man der Kugelbar kaum die Veränderung an. Schon im Laufe der letzten zehn Jahre hatte der Flachbau, die frühere Kegel-Stube, über den Kiez hinaus als Kugelbahn Wedding eine gewisse Bekanntheit erlangt. Viele Jahre war die Kugelbahn von Schließung und Abriss bedroht, und so wurde jahrelang nichts mehr investiert. Dann kam Corona und der Versuch, als Kultur-Späti zu überleben. Aber jetzt ist die Zeit der Unsicherheit vorbei, für die nächsten Jahre steht die Existenz des Flachbaus nicht mehr in Frage.
Für Ann, die die Bar jetzt allein betreibt, ist die Kugelbar ein Hobby, „ihr Herzensprojekt“, wie sie es nennt. Ihr geht es, dank Hauptjob, nicht ums Geldverdienen, sondern darum, der auch in der Grüntaler Straße sichtbaren Gentrifizierung etwas entgegenzusetzen. „Es ist ein Angebot für meinen Kiez, in dem ich mich schon so lange pudelwohl fühle“, sagt die gebürtige Brandenburgerin. Da es immer weniger Orte gibt, an dem alt und jung, arm und reich, Weddinger und Auswärtige einfach so zusammenkommen können, setzt die Bar mit ihrem neuen Konzept auf dem alten auf, ohne es eins zu eins zu kopieren. „Back to the roots“, sagt die 43-Jährige, „eine Bar, wo Konzerte, Filmaufführungen und DJ-Sets stattfinden können.“ Die Attraktion, die Kegelbahn, ist abends über Monate hinweg ausgebucht. Ann liebt ausgefallene Ideen und ist offen für alles, was den Ort einem breiten Publikum zugänglich macht. So sei bald ein Speed-Dating für 80-Jährige geplant. Wer hingegen einen Kindergeburtstag ausrichten will, rennt bei ihr ebenfalls offene Türen ein.
So bedacht wie der nach zwei Seiten offene Barraum mit den riesigen Panoramafenstern jetzt eingerichtet ist – Ann hat versucht, Vintage-Möbel aus der Entstehungszeit der Kegel-Stube Mitte der 1960er-Jahre zusammenzutragen -, so sehr zieht es viele Gäste natürlich in den Untergrund. Wobei Untergrund ein falsches Wort ist, Partykeller trifft es eher. Denn unten befindet sich der langgezogene Veranstaltungsraum mit angeschlossener Kegelbahn. Beamer, Soundanlage und Discokugel bieten die Grundlage, um eine Feier in ein Event zu verwandeln.
Hinter der Glasscheibe erstreckt sich die Kegelbahn, die dank einer optischen Täuschung wie ein spitz zulaufender Raum aussieht. Hier können die Gäste auf zwei Bahnen gegeneinander antreten und versuchen, alle Neune umzukegeln. „So etwas gibt es in Berlin immer seltener“, sagt Ann. Selbst hat sie in ihrer Kindheit mit ihrer Oma oft gekegelt. Auch die beiden Kreidetafeln an der Wand der Kegelbahn lösten bei den Gäste positive Gefühle aus, hat Ann beobachtet. Eine wohlige Erinnerung an früher, vielleicht an die Schule, vielleicht einfach nach einer vergangenen Zeit. Denn das ist dieser Ort definitiv, eine eingefrorene Reminiszenz an die Zeit der Kiezkneipen, als es oben noch Bockwurst, Schultheiß-Bier und jede Menge Zigarettenrauch gab. Den werdet in der rauchfreien Kugelbar zwar nicht finden, Schultheiß hingegen schon, aber auch zwei Sorten Bier (böhmisches und Augustiner) vom Fass.
Man merkt Ann durchaus an, dass sie einmal gründlich durchgelüftet hat, um die Strapazen der Corona-Zeit und des Zwangs, irgendwie Einnahmen zu erzielen, vergessen zu machen. Sie hat zum Beispiel viel Geld in neue Sanitäranlagen, eine Schankanlage, neue Heizungsrohre und Mobiliar investiert. Das Ergebnis: eine Bar für den Kiez, für Auswärtige und Einheimische, für Hipster und Senioren, für Familien und Kneipengänger, die Anschluss suchen. Hauptsache, nicht auf Profit angewiesen zu sein. Ann bekommt viele Anfragen für Privatveranstaltungen, die sie aber auf ein Minimum beschränken will. Das dadurch eingenommene Geld soll dabei helfen, die Preise für die Nachbarn aus dem Soldiner Kiez, niedrig zu halten. „Ich habe mir vor der Übernahme genau überlegt, was ich machen kann, was mir gut tut“, beschreibt Ann ihren Ansatz. „Und wenn mir das gelingt, kann man das nicht mit Geld bezahlen!“ Hoffen wir also, dass der Rubel, vor allem aber die Kugel, immer rollt.
Kugelbar, Nichtraucherbar, Grüntaler Str. 51, Do-So ab 19 Uhr (am Wochenende bis 3 Uhr geöffnet)
Fotos: Andaras Hahn