Seit mehr als zehn Jahren feiert die Weddinger Akustik-Rock-Band „Lari und die Pausenmusik“ (LudP) ihr Jahresabschlusskonzert am Samstag vor dem ersten Advent. In diesem Jahr lädt die Combo am 26. November um 19 Uhr ins Cineplex Alhambra in der Seestraße ein. Zusammen mit der befreundeten Band „Schnaps im Silbersee“ wollen die Weddinger in diesem Jahr einen Kinossaal bespielen. Zur Musik kommt eine filmische Dokumentation des musikalischen Jahres der Band. Auch eine Aftershow-Party steht auf dem Programm. Wir haben Lari gefragt, was das Publikum erwartet und was ihn mit dem Wedding verbindet.
Neujahrskonzert, Festivalauftritt im Sommer, Clubkonzert im Winter – das kennt man ja. Warum hat ist eigentlich ein Jahresabschlusskonzert?
Lari: Unser Jahresabschlusskonzert feiern wir bereits seit mehr als zehn Jahren im Wedding. Es ist vor allem in der letzten Zeit, wo wir immer mehr am Reisen sind und das ganze Jahr selten in Berlin spielen, ein Anliegen unsererseits, auch im Wedding für Freunde, Familie und Herzensmenschen zu spielen und Flagge zu zeigen. Und das hat sich so am Samstag vor dem ersten Advent etabliert. Ursprünglich war es ein Konzert für Freunde in einem unserer Wohnzimmer, zum Beispiel in der legendären Kneipe „Nachtschwärmer Bei Ernst“, oder dem „Ufercafe“ . Aber wo es diese Kneipen nicht mehr gibt, gehen wir jedes Jahr neu auf die Suche nach einer Herberge für eine Nacht, und sind sehr froh, sie in diesem Jahr im Alhambra Kino im Wedding gefunden zu haben.
Ihr ladet zum Konzert im Kinosaal des Alhambras in der Seestraße ein. Wieso habt ihr diesen doch eher ungewöhnlichen Konzertort ausgesucht?
Lari: Weil ich neue, a‑typische Locations immer super finde, so lange sie für diesen konkreten Abend im Wedding liegen. Ich würde gerne auch mal in nem Friseursalon spielen, oder in nem Plattenladen, oder irgendwo an der Panke, in ’ner Groß-WG – es gibt noch genug Ecken im Wedding die auf uns warten … Das ganze Jahr spielen wir, wozu uns Veranstalter und Booker einladen, einen Abend im Jahr wollen wir mal der Regisseur sein und uns einen verrückten Abend ausdenken …
Und man muss es auch ganz klar so sagen: Wir finden mittlerweile immer weniger offene Türen wo wir mit unserer Musik, unserer Meinung und unserer Idee auf offene Ohren und Herzen treffen. Wir wollen an dem Abend nicht besonders reich werden, wir als LudP schütten potentiell entstehende Gewinne dieser Abende an die anderen Bands und Beteiligten aus, und rechnen nur unsere Unkosten wie Getränke für Musiker, Technik und Mensch für die Technik, etc. ab – wir wollen nichts verdienen an dem Abend, dazu ist das ganze Jahr genug Gelegenheit, wir wollen uns einfach bei und für die Menschen bedanken, die uns schon sooo lange begleiten, pushen und unterstützen, das reicht!
Was erwartet das Publikum beim angekündigten Film: Wird das eine Liebeskomödie oder ein Action Film?
Lari: Wir sind sehr stolz und dankbar, diese Filmidee mit der Manu von MMKfilmt gemeinsam umzusetzen. Wir wissen aktuell noch gar nicht was es wird, wir durften gestern den ersten Schnitt der ersten zwei Minuten sehen – ich sage nur: ganz großes Kino! Nee, im Ernst, es ist der Versuch von uns, den Menschen mal aufzuzeigen, was alles an einer Kapelle wie LudP hängt, und nicht auf der Bühne stattfindet.
Wenn mal liest: „Boah, die bekommen 500 Euro für das Konzert“, ist der Neid oft groß. Erzählt man aber, dass wir einmal in der Woche regelmäßig für vier Stunden proben, dass wir Miete zahlen, dass wir technische Materialien und Co. regelmäßig finanzieren müssen, dass wir Einnahmen durch die Anzahl der Musizierenden und der Bandkasse zu gleichen Teilen teilen, dass wir laufende Kosten haben für zum Beispiel Webhosting, dass wir tagelang auf der Autobahn, im Zug sind, nicht an unseren Liebsten dran sind, dann beginnt man vielleicht zu verstehen, wieso ein „gut bezahlter Gig“ sehr relativ ist… Manu verfolgt und begleitet uns schon eine Weile, ich bin sehr gespannt und freue mich endlich mich selbst als Actionheld auf der Leinwand zu bewundern …
Wieso zieht es Euch mit den Konzerten immer wieder in den Wedding, was ist für Euch das besondere an unserem Stadtteil?
Lari: Also zunächst, Wedding ist meine Heimat, ich bin hier aufgewachsen, wohne jetzt mit meiner eigenen Familie hier, und bestimmt ist der Wedding schon irgendwie in meine DNA übergegangen. Egal wo wir spielen, in Hessen, neulich in Baden-Württemberg oder in Moabit drüben auf der anderen Seite der Putlitzbrücke – immer spricht uns wer an, dass er früher im Wedding gewohnt habe, dass seine Kinder nun dort wohnten, dass seine Lieblingskneipe, die Arbeitsstelle (selten!), oder sonst was ihm mit dem Wedding verbindet – Wedding ist und bleibt der Nabel der Welt!
Wedding ist für mich vor allem aber auch dieses Gefühl der Freiheit und Toleranz. Ey, scheiß egal wie du aussiehst, ob du im Minirock, im Bademantel oder mit preußischer Pickelhaube auf die Straße gehst – du bist okay, du bist vielleicht sogar einer von uns, es ist schön das du da bist… Das finde ich sonst selten draußen, woanders. Klar habe ich hier auch mein starkes Netzwerk, kenne so viele Leute, Initiativen, politisch, kulturell ist der Wedding ja schon lange ein heißes Pflaster, und hier bin ich gefühlt ganz nah am Zahn der Zeit, bekomme auch die Zahnschmerzen mit, frage mich nachts aufm Heimweg, ob ich eigentlich Teil der Lösung oder Teil des Problems des Weddings bin… Der Wedding ist so meine Schablone im Kopf, die ich über andere Orte und Menschen lege, wenn ich mir überlege, ob die Menschen cool sind, oder wie du es hier eigentlich findest – Wedding, oder Nicht- Wedding… Und, man glaubt es kaum, oft ist mehr Wedding in anderen Orten, Menschen, Projekten als man auf dem ersten Eindruck glauben mag.
Bei Eurer Musik geht es nicht nur um die Musik, es geht auch stark um die Texte. Habt ihr eine Botschaft an die Welt?
Lari: Ich habe früher Punkrock gemacht, meine Band mit zirka 13 Jahren hieß „Die Stillen Denker“. Ein gutes Konzert war es, wenn der Pogo abging, mensch vor der Bühne danach schweißnass war, und du im Anschluss an den Gig dich mit all den schönen und aufregenden Menschen zusammen besoffen hast. Es war völlig Banane damals, ob ich „Anarchie“, „Kommunismus“ oder „Wedding“ ins Mikrophon gebrüllt habe, es ging im Pogotanz völlig unter. Diese Erfahrung habe ich lange mit mir herumgetragen, ich liebe den Punk und die Punkmusik, aber LudP ist ein Gegenentwurf dazu, es soll um Text, Ansprache, Ansage und Provokation gehen – ich möchte gehört werden, mit den Texten und Themen der Lieder. Da muss es dann nicht immer gleich um die große Weltrevolution gehen, aber ’ne kleine Revolution im Alltag reicht ja auch schonmal für den Anfang…
Wo probt ihr, wo schreibt ihr neue Lieder und welchen Anteil hat der Wedding daran?
Lari: Ich kann nur über das schreiben, was mich emotional sehr bewegt. Wütend, freudig – egal, aber es muss eine Schwingung in mir auslösen. Als ich zum Beispiel zum zweiten Mal Hans Falladas Roman „Jeder stirbt für sich alleine“ gelesen habe, war ich stark in Emotionen. Als ich hinten im Glossar dann noch las, dass das quasi Nachbarn von mir in der Amsterdamer Straße waren, musste ich dazu ’nen Lied schreiben. So geht es mir oft: da ist was, ein Thema, ’ne Aussage, die lange in meinem Kopf gärt, und dann setze ich mich irgendwann abends in die Küche wenn die Kids schlafen, oder auf Reisen im Zug, und versuche mich zu einem bestimmten Thema, Gefühl auszukotzen.
Wenn ich dann in die Revision gehe, liegt da schon meist ein halb fertiges Stück Text, was von mir geputzt, sortiert und erfasst werden will. Dann nehme ich das Ding mit zur nächsten Probe, oder schick es der Gang vorab, und es entwickelt sich. Ich denke an Lieder wie „Warum Wilmersdorf?“, „Wedding bleibt Hart!“, „Wir bleiben Alle!“, oder eben „Otto und Elise“, die haben alle ihren Ursprung in Beobachtungen im Kiez, oder aus Gesprächen mit aktiven Menschen von hier vor Ort, und es gibt ’ne Menge Aktivitäten und Organisationen, die ich unterstützenswert finde oder die einfach ’ne echt wichtige Arbeit hier vor Ort ganz kommunal machen, da kommt man dann so auf seine Gedanken.
Proben tun wir jeden Dienstag in einem eigenen Proberaum, im Herzen des Weddings, in einer christlichen Kirche. Unser Proberaum ist ein wenig eine Mischform aus Musiklabor, Lagerraum, privater Kneipe, Rückzugsort, kreativem Mekka und einfach einem Raum mit hässlichen Leuchtstoffröhren an der Decke und einem ziemlich markanten Eigengeruch. Es ist auch der Familie klar: gehe ich in meinen Proberaum, verlasse ich, wenn auch nur temporär, die Kosmos aus Windeln wechseln, Kita Elternabend, Einkauf, Wohnungsputz, Energiekrise und Elendsverwaltung, und tauche in meinen ganz intimen Schutzbereich ein, das gilt es zu bewahren, und sowas brauche ich auch!
Eine Frage noch: Was genau ist Pausenmusik?
Lari: Die Pausenmusik ist meine Band und Gang, meine Trümmertruppe. Zunächst gestartet mit Platze und Markus als Überbrückunsprojekt (Pausenmusik) einer kreativen Pause meines damaligen Duos „Das LariFari“ , haben sich mittlerweile einige Menschen unter der Flagge der Pausenmusik versammelt, und wir sind ein Stück des Weges gemeinsam gegangen. Da ich selbst kein klassisch ausgebildeter Musiker bin, war und bin ich stets abhängig von Menschen die meine Lieder und Texte musikalisch begleiten, veredeln und mit mir gemeinsam aus Scheiße Gold machen – die Pausenmusik.
Das sind Lari und die Pausenmusik
Lari und die Pausenmusik besteht aktuell aus vier Musikern. Neben Lari, Texter und Motor der Band, spielt nun über viele Jahre Teds die Stromgitarre. Den Bass bedient die treue Seele und der begeisterte Sonnenbrillen-Sammler Wanja. Der Job am Schlagwerk ist ebenfalls wieder fest besetzt. Live werden die drei von Mimi W. aus Lübeck unterstützt.
Karten für das Kinokonzert im Cineplex Alhambra am 26. November um 19 Uhr gibt es online über die Webseite des Kinos.
Lari for Präsident, oder Kanzler, oder zumindest Bürgermeister vom Wedding.
Meine Stimme hast du!
Gruß
Große Vorfreude, diese Jungs sind so richtig klasse!
Ein riesen Fan!