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Kleine und große Geschichten aus dem Wedding:
Kiez-Momente: Gurkenakrobatik

18. August 2025

Unsere Autor:innen sind nicht nur im Wedding unterwegs – sie sind mittendrin im Alltag. Im Supermarkt, auf dem Spielplatz oder beim Schlendern durchs Viertel: Überall warten Geschichten, Geräusche, Begegnungen. Und manchmal schreiben uns sogar Leser:innen direkt. So entstehen sie – diese kleinen, echten Kiezmomente. Alles Wedding.

Der Gurkenkönig

Im Gemüseladen Eurogida in der Müllerstraße an der Kasse:

Der Kassierer ist ein stämmiger Kerl mit dunklem Bart und Stiernacken, der auch Türsteher in einem Club sein könnte. Er trägt schwarze Handschuhe und liegt lässig auf seinem Drehstuhl, als wäre es der Schalensitz seines Maserati. Vor mir ein eleganter Herr mit gebräuntem Gesicht und gestutztem weißen Bart. Als er meine Avocados (3 Stück ein Euro) auf dem Band sieht, fängt er ein Gespräch an. Wo ich die denn her hätte? Auf dem Markt habe er heute keine gefunden und so weiter. Schon hat er seine Finger auf meiner Ware und drückt sie. Ja, die seien genau richtig, lobt er. Ich lege demonstrativ eine Aluminiumstange zwischen sein Obst und meins. Dann fängt der mit dem Kassierer eine Diskussion an, ob er ihm einen Euro mehr zahlen könne, damit er sich hinterher dann noch die Avocados holen könne. Der Kassierer schaut ihn stoisch an. „6 Euro 50" ist alles, was er sagt. „Er versteht mich nicht", sagt der Mann resigniert zu mir und zuckt die Schultern. Da ruft der Kassierer seinem Kollegen drei Regale weiter etwas zu und kommandiert den Avocado-Mann: „Du gehst zu ihm. Und 7 Euro 50." Das wäre geklärt. Ich verabschiede mich und wünsche meinem Gemüsefreund viel Glück.

Jetzt bin ich dran. Wortlos wird mein Einkauf über die Kasse gezogen. Aber bei der Gurke stutzt er. Das Etikett ist abgefallen. „Die musst du wiegen lassen", brummt er und zeigt mit der Gurke nach da wo ich her komme. „Die hat dein Kollege schon gewogen", brumme ich schlecht gelaunt zurück. Ein Blick, dann ein schneller Dreh auf dem Stuhl, ein Ruf und meine Gurke fliegt durch den halben Laden, bis sie der Mann an der Waage auffängt. Rückwärts geht es vorsichtiger über eine alte Frau mit Kopftuch, von Hand zu Hand. Jetzt hat meine Gurke ein Etikett, „0,57 Euro".Die Show gab`s kostenlos dazu.  

Rolf Fischer

Die Krähen und die Schrippe

Was bin ich froh, gelernt zu haben, die Kamera schussbereit zu fassen und sofort auszulösen, wenn ich in den Augenwinkeln Passanten erkenne, die mir gleich ins Bild treten. Wer als Fotograf*in das nicht beherrscht, verliert im Stadtleben eine Menge Motive und Gelegenheiten.

Nun gut. Was haben wir denn da? Schon wieder Vögel! Ja, ich habe es mit den Tauben, Spatzen und Krähen, denn diese begleiten mich tatsächlich täglich zwischen Leo und Brüsseler Kiez auf allen Wegen, jedenfalls auf dieser Diagonalverbindung über`n Rathausplatz zum Zeppi.

Und was gibt es heute für einen Schnappschuss? Glück gehabt! Eine Krähe thront auf ihrer Beute, einer Schrippe. Bevor ich auf die umständliche Idee komme, eine Fabel daraus zu machen, bleibe ich pragmatisch.

Was für ein gefundenes Fressen, für beide von uns! Und obendrein ist das Backwerk noch so komfortabel zu besteigen, weich unter den Krallen und von oben mit dem Schnabel prima zu erreichen: pick & mampf. Mit Wohlgefühlen lässt sie sich das schmecken, fast hätte ich gedacht, sie verzieht den Schnabel zum breiten Grinsen, als schon ein weiteres Vogeltier ihrer Art herbeieilt und in gebührendem Abstand aber eindeutig teilhaben wollend daneben steht. Aber warum schaut die zweite Krähe mich fragend an? Bin etwa ich für Gerechtigkeit unter Krähen zuständig?

Und wie es so ist in der Großstadt, gönnt einem kaum jemand ein schönes Bild: Jemand naht und stampft boshaft mit dem Fuß auf, aus dem Sichtschatten der Hampel-Stele hervortretend.

Nun gut, das Ergebnis kann man sich denken: die bittende Krähe hebt ab und die andere steht weiterhin siegesgewiss auf ihrem Schrippen-Podest, solange noch Krume dranne ist!

Renate Straetling

Mitgekriegt im Wedding

Auf dem Plötzensee fahren zwei Frauen auf einem Tretboot. Ganz vorne auf dem Bug sitzt ein Hund. Der will unbedingt sehen, wieso am Heck so viel Wasser aufgewirbelt ist. Er springt zwischen den Frauen hindurch, verschätzt sich - und landet mit einem großen Klatscher mitten im Wasser.

Und jetzt seid ihr dran!

Ihr habt etwas gesehen oder erlebt, das in die Kiez-Momente gehört? Dann schickt uns eure Entdeckung – gern mit Foto – an:
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Und wenn ihr Lust auf mehr Wedding habt: Bleibt dran! Wir sammeln weiter für euch – kleine und große Geschichten aus dem Kiez.

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Die ehrenamtliche Redaktion besteht aus mehreren Mitgliedern. Wir als Weddingerinnen oder Weddinger schreiben für unseren Kiez.

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