Wenn doch, dann oft mit zwei unterschiedlichen Preisen
Wer dieser Tage nach einer neuen Wohnung sucht, findet im Internet kaum noch Mietangebote im Wedding – zum Beispiel bei Immobilienscout24.de, dem Marktführer unter den deutschen Immobilienportalen mit Sitz in der Invalidenstraße 65 in Mitte. Unsere Suchanfrage erbrachte für den gesamten Ortsteil Wedding nur 33 Offerten – für ein Stadtgebiet mit 85.000 Einwohnern und deutlich mehr als 40.000 Wohnungen ist das extrem wenig. Von diesem 33 Wohnungsangeboten lagen schätzungsweise maximal zehn in preislichen Regionen, die nach dem Berliner Mietendeckel möglicherweise gerade noch zulässig wären. In den meisten Angeboten werden keine Angaben zum Baualter der Wohnhäuser gemacht, nach dem sich die Obergrenzen des Mietendeckels maßgeblich berechnen.
Gesenkte Miete nur unter Vorbehalt
Oft werden in den Angeboten auch zwei verschiedene Preislevel mit erheblichen Unterschieden angegeben, zum Beispiel für die Wohnung unter dem Titel: “WG-geeignetes DG mit 4 Bädern und 2 Terrassen im sehenswerten Erstbezug: Traumlage Malplaquetstraße”. Der zunächst eingeforderte Mietpreis der 6‑Zimmer-Luxuswohnung von knapp 200 Quadratmetern liegt bei ca 15 Euro/qm nettokalt. Unter “Ausstattung” aber heißt es: “In dem Mietvertrag wird eine Nettokaltmiete in Höhe von 2.948,38 Euro vereinbart. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass vor dem Hintergrund des Berliner Mietendeckels während des Geltungszeitraums des MietenWoG Bln lediglich eine Nettokaltmiete in Höhe von 1.130,96 Euro gefordert und entgegengenommen wird. Die vertraglich vereinbarte Miete sei aber in voller Höhe zu zahlen, sobald das MietenWoG Bln endet, außer Vollzug gesetzt wird oder in sonstiger Weise außer Kraft tritt”, der Vermieter fordere gegebenenfalls die Differenz zwischen gezahlter und vereinbarter Miete über den gesamten Zeitraum hinweg zurück.
Ähnlich verhält es sich bei einer als frisch saniert angepriesenen Wohnung in der Türkenstraße. Die Ein-Zimmer- Wohnung von 35 Quadratmetern schlägt mit 625,64 Euro zu Buche, von denen wegen des Mietendeckels vorerst aber nur 263,25 Euro gezahlt werden sollen. Für eine Zwei- Zimmer-Wohnung im selben Haus und mit derselben Hausverwaltung werden dagegen mehr als 21 Euro/qm nettokalt gefordert – ohne irgendwelche Einschränkungen. Diese Wohnung befindet sich aber im Erdgeschoss. Wenn hier vor der Sanierung noch ein Laden war, wäre sie vom Mietendeckel als Ausnahmefall zu behandeln und die überhöhten Mieten in Ordnung.
Legal sind deshalb auch die etwa 16 Euro/qm für eine Dachgeschosswohnung am Sprengelpark: 95 Quadratmeter mit drei Zimmern und Wohnküche für 1540 Euro nettokalt. Im Begleittext heißt es: “Bei der Wohnung handelt es sich um einen Neubau aus dem Jahr 2016/2017.” Stimmt das, so wäre auch hier der Mietendeckel nicht anwendbar, da er ja nur auf Wohnungen mit Erstbezug vor dem Jahr 2014 beschränkt ist. Das gilt genauso für die winzigen “Mikro-Appartments”, die möbliert bei YOUNIQ Apartment in der Müllerstraße 34 zu mieten sind: etwa 20 Quadratmeter für 536 Euro kalt. Sie sind erst seit dem Jahr 2017 auf dem Markt und werden daher vom Mietendeckel nicht berührt. Eine Zwei-Zimmer-Wohnung im Brüsseler Kiez liegt mit rund 10 Euro/qm nettokalt mutmaßlich zwar nur mäßig über dem Rahmen des Mietendeckels. Die Forderung nach einem 2‑Raum-WBS weist aber darauf hin, dass es sich um eine Sozialwohnung oder eine anderweitig öffentlich geförderte Wohnung handelt. Auch die sind von den Regelungen des Mietendeckels ausgenommen.
Insgesamt zeigt sich: Ein regulärer Wohnungsmarkt ist im Gebiet um die Müllerstraße kaum noch vorhanden. Die wenigen günstigen Wohnungen kriegt nur, wer die richtigen Kontakte zur Glücksgöttin Fortuna hat.
Text: Christof Schaffelder
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Dez.2020/Jan.2021 der Sanierungszeitschrift Ecke Müllerstraße, die ihr hier herunterladen könnt.
Ein weiteres Beispiel für die fragwürdige Entwicklung ist der Neubau in der Nazarethkirchstraße 51. Gebaut im Auftrag der Firma Berlinhaus – denen ohnehin ein Großteil des Blocks gehört – und von den Architekten noch wie folgt angepriesen:
“In Kombination mit den effizient angelegten Grundrissen entsteht somit reizvoller Wohnraum, der an das Weddinger Mietniveau angepasst ist.”
(Quelle: https://oow.berlin/wohnen-am-leopoldplatz/)
Ergebnis: Möblierte WG-Zimmer zwischen 510 und 820 EUR bei z.T. nicht mal 10 m² Raumgröße.
(Quelle: https://village‑m.de)