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Jugendarbeit soll Millionen sparen:
Ende der Jugendklub-Kultur droht

24. Januar 2024
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"Das ist ein sozialer Kahlschlag, den der Bezirk noch nicht gesehen hat", sagt Jugendstadtrat Christoph Keller (Linke). Es sei schlimmer als in den berüchtigten Sarrazin-Jahren, als der Bezirk Mitte habe zehn Einrichtungen der Jugendarbeit schließen müssen. Jetzt stünden 30 auf dem Spiel. 2,7 Millionen Euro muss Christoph Keller einsparen, alle sechs Stadträte in ihren jeweiligen Bereichen zusammen 13 Millionen.

Das Team des Familienzentrums Nauener Platz bei einer Demo gegen die geplanten Kürzungen im Jugendbereich in Mitte. Foto: BA Mitte
Das Team des Familienzentrums Nauener Platz bei einer Demo gegen die geplanten Kürzungen im Jugendbereich in Mitte. Foto: BA Mitte

Demonstrationen letzten Donnerstag (18.1.) vor dem Abgeordnetenhaus und vor dem Rathaus Mitte sowie gestern (23.1.) während der Sitzung des Senats bei seiner Bezirkstour in Friedrichshain. Die Träger der Jugendarbeit haben kurzfristig mobilisiert. Denn viele Jugendklubs, Jugendfreizeiteinrichtungen, Schulsozialarbeit und die vom Bezirk finanzierten Familienzentren könnten geschlossen werden. Bildlich gesprochen: Es droht in Mitte das Ende der Jugendklub-Kultur. Stadtrat Christoph Keller sagt, dass eine erste Berechnung seiner Verwaltung davon ausgeht, dass für 30 von 52 Einrichtungen das Geld ausgeht.

Sparen bei der Jugend gesetzeswidrig?

Mehr noch. Die drohenden Kürzungen, so argumentieren die Träger der Jugendarbeit, könnten sogar ungesetzlich sein. "Sollten die Einsparvorgaben des Senats in der angekündigten Weise umgesetzt werden, sehen wir in den daraus resultierenden Schließungen einen gravierenden Verstoß gegen die Versorgungsverpflichtungen des SGB VIII und das Kinder- und Jugendfördergesetz sowie das Familienfördergesetz." Das schreibt ein Bündnis fast aller Träger der Jugendarbeit in Mitte in einem Statement. Zur Erklärung: Viele Akteure der Jugendarbeit hatten große Hoffnungen geschöpft, als das Land Berlin Anfang 2020 das Jugendförder- und Beteiligungsgesetz beschloss. Das Gesetz verlangt, dass alle Bezirke die sogenannten freiwilligen Leistungen anbieten müssen. Zu diesem Muss gehören standortgebundene offene Jugendarbeit wie Jugendclubs oder Abenteuerspielplätze, standortungebundene offene Jugendarbeit, Erholungsfahrten, Beteiligung junger Menschen über Kinder- und Jugendbüros und Seminare. Damit schien das Gesetz die sogenannten freiwilligen Leistungen, die bei zurückliegenden Sparrunden stets als erstes vom Rotstift gestrichen wurden, abgesichert zu sein. Doch offenbar muss sich nun in der Krise zeigen, welchen Wert das Gesetz hat.

Schreckenswort Pauschale Minderausgaben

Das Sparverlangen des Senats ergibt sich aus einem Buchungstrick. Zwar hat Berlin vor einigen Wochen mit rund 40 Milliarden Euro pro Jahr seinen bislang größten Doppelhaushalt für 2024 und 2025 vorgelegt. Doch der ist ein Scheinriese. In Wahrheit enthält der Haushalt "pauschale Minderausgaben". Das sind Beträge, die wieder herausgestrichen werden müssen. Der vom Haushalt nicht gelöste Streit, was pauschal gemindert werden kann, der ist nun entbrannt. Nicht vom Einsparungen betroffen sind Pflichtleistungen, zum Beispiel Ausgaben für den Kinderschutz. Gestrichen werden könnten Jugendarbeit, Schulsozialstationen und Familienzentren.

Der Bezirk Mitte muss 13 Millionen pauschal kürzen. Die sechs Stadträte haben diese Summe auf die von ihnen verantworteten Bereiche aufgeteilt. Gespart wird an allen Ecken, an denen es möglich ist, also sogenannte "freiwillige" Leistungen erbracht werden.

Bezirk fordert Flexibilität beim Sparen

Welche 30 Einrichtungen Mitte aufgeben könnte, darüber nachzudenken, sei es zu früh, sagt Stadtrat Christoph Keller. Jetzt gehe es darum, dass die Träger der Jugendarbeit solidarisch sind, laut sind, die Landespolitik auf die besonderen Probleme im Bezirk Mitte aufmerksam machen. Denn Mitte stehe besonderen Rahmenbedingungen gegenüber. So müsse Mitte im Vergleich zu anderen Bezirken überdurchschnittlich viel einsparen. Gleichzeitig existieren Sonderprobleme, wie die hohe Miete für den Ausweichstandort der Anna-Lindh-Grundschule. "Wenn diese sechs Millionen Euro vom Bezirk anders erbracht werden könnten, dann wäre uns schon geholfen", sagt Christoph Keller. Anders erbracht bedeutet hier: flexibler. Denn der Senat hat allen Bezirken enge Bedingungen für das Sparen gesetzt. So spart der Bezirk zum Beispiel null Euro, wenn er Personal verzögert einstellt. Außerdem habe der Senat dem Bezirk auf der einen Seite hohe Einnahmen bei der Parkraumbewirtschaftung vorgegeben, aber gleichzeitig diese überhöhten Vorgaben als riskant bewertet, sodass Mitte mit diesem Geld nicht rechnen dürfe. "Wir brauchen Signale vom Land, dass wir Einsparungen anderweitig erbringen können", fasst der Stadtrat seine Forderung nach mehr Flexibilität zusammen.

Erste Kündigungen ausgesprochen

Die Einsparungen bedrohen die Beschäftigten in der Jugendarbeit unmittelbar. Viele von ihnen arbeiten bei freien Trägern, die im Auftrag des Bezirks Jugendklubs oder Schulstationen betreiben. Die Verträge zwischen Bezirk und Träger laufen üblicherweise zwei Jahre - parallel zum Haushalt. Doch die Einsparvorgaben des Senats zwingen Mitte dazu, diese Verträge vorerst bis lediglich 30. April zu befristen. Auslauffinanzierung heißt diese Befristung. Konsequenz: Die Träger beginnen, ihren Beschäftigten zu kündigen. Zur eigenen Absicherung, weil sie nicht wissen, wie stark sie von den Kürzungen betroffen sein werden. Schließlich sind 30 von 52 Einrichtungen mehr als die Hälfte. Damit ist für jeden Träger offensichtlich, dass es unwahrscheinlich ist, dass der Kelch an ihm vorübergeht.

Christoph Keller
Stadtrat Christoph Keller. Foto: Andrei Schnell

Für Stadtrat Christoph Keller sind die Einsparungen unverständlich. Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hat nach dem Gipfel gegen Jugendgewalt (Stichwort Silvesterkrawalle in Neukölln) gesagt, die anstehende Aufgabe sei ein Marathon, kein Sprint. "Doch jetzt nimmt er uns die Laufschuhe weg", so der Bezirkspolitiker.

Andrei Schnell

Meine Feinde besitzen ein Stück der Wahrheit, das mir fehlt.

4 Comments

  1. Wie die 445 Milliarden des Bundes verwendet werden, verraten diese Klickgrafiken: https://www.bundeshaushalt.de/DE/Bundeshaushalt-digital/bundeshaushalt-digital.html. Die Tortendiagramme werden bei jeder Auswahl eines Stücks detailierter.
    Für den Gesamthaushalt habe ich nach schellem Blick ins Internet immerhin Tabellen gefunden beim Statistischen Bundesamt: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/01/PD24_013_711.html. Demnach umfasst der öffentliche Sektor 1,4 Billionen Euro. Davon 450 Milliarden Bundeshaushalt, 380 Milliarden Länderhaushalte, 260 Milliarden alle kommunalen Haushalte, 600 Milliarden Sozialversicherung.

  2. Hallo

    überall muss gespart werden ... hier bei der Jugend , möglich das die Polizei nur noch an 4 Tagen pro Woche Streife fahren kann , weil kein Geld für Benzin mehr da ist (sagt die Innensenatorin)
    Es müssen Wohnungen gebaut werden ... die Baukosten steigen also wird weniger gebaut... gleichzeitig wird über eine Magnetschwebebahn geredet
    Zuhause muss man(n) / Frau weniger heizen, kochen, duschen um über die Runde zukommen...
    Der Bund nimmt angeblich 1 Billion an Steuern ein !!!! Wahnsinn !!!
    Wo bitteschön bleibt das ganze Geld... rätselhaft??
    Sehr seltsame Zeiten

    nette Woche noch

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