Hass und Gewalt sind in sozialen Netzwerken ebenso an der Tagesordnung wie draußen auf den Straßen. Das hat mit Meinungsfreiheit nichts mehr zu tun, vor allem, wenn es um Menschenleben geht.
Am Donnerstag in der Böttgerstraße. Ein zweifacher Vater wird erstochen, weil er einen Parkplatz blockiert haben soll. Das Opfer hatte einen Mercedes Vito gekauft und fährt in die Straße am Gesundbrunnen, um ihn seinen Kumpels zu zeigen. Als der Mitarbeiter einer Pizzeria einparken will, passt er nicht in die Parklücke. Er steigt aus, doch der Fahrer eines schwarzen Jeeps will selbst dort parken. Es kommt zu einem Streit, bei dem der Vito-Fahrer ein Messer in den Bauch gerammt bekommt und im Krankenwagen an seinen Verletzungen verstirbt. Wegen einer Parklücke!
Hier hat sich ein Rechtsabbieger illegal auf die Busspur gemogelt und bedrängt einen Radfahrer
An der Amrumer Straße wurde der rechte Fahrstreifen als Radspur ausgewiesen (leider nicht auch als Busspur). Die vorher lebensgefährliche Strecke ist jetzt für große und kleine Radfahrer sicher. Es stimmt: Wenn ich dort einmal mit einem Auto entlangfahre, muss ich im Berufsverkehr ein paar Minuten länger im Stau stehen. Manchmal reißt Fahrer:innen der Geduldsfaden und sie fahren am Stau vorbei, obwohl die Strecke von vielen Fahrrädern befahren wird. Ich beobachte dort häufig, dass Einsatzwagen die breite Spur ebenfalls nutzen können, um Leben zu retten und schneller zu den Opfern zu kommen als früher. Auf unserer Facebookseite wird gewettert, dass Autos jetzt einige Momente länger für die Strecke brauchen – dass Fahrradfahrer jetzt wesentlich gefahrloser durchkommen, interessiert die Meckerer natürlich nicht. Ihr Zeitverlust wiegt eben schwerer als gerettete Leben.
An der mit Pollern nur unzureichend gesperrten Kreuzung Stettiner Straße / Bellermannstraße schieben Autofahrer:innen regelmäßig die provisorischen Absperrbaken weg, um Selbstjustiz zu üben und eine ihnen verhasste Verkehrsregelung zu sabotieren. Als wir ein entsprechendes Bild auf X gepostet haben, kommentiert dies eine Userin bewundernd mit „Zivilcourage“. Hallo? Seit wann ist ein Regelverstoß etwas, was bejubelt wird? Nur weil einem eine Regelung nicht passt, muss man schamloses Unrecht nicht loben.
Bake weg und ab durch die Pollersperre – auch Autofahrer ignorieren Verkehrsregeln! Foto: S. Orsenne
Jetzt sind endlich die letzten Meter des Radwegprojekts Müllerstraße auf Höhe der Seestraße fertiggestellt worden, nachdem die BVG den Bauzaun am U‑Bahnhof entfernt hat. Die breite Spur dient auch den Bussen der Linie 120 als Busspur, Radfahrer dürfen sie ebenfalls nutzen, um sich nicht in die Autospuren einordnen zu müssen. Hier bricht sich auf Facebook der Hass auf den Radverkehr endgültig Bahn. Die Spur sei zu breit, man müsse jetzt im Stau stehen deswegen. Aha. Busfahrgäste und Radfahrer sollen also weiterhin benachteiligt werden, nur damit einige wenige Leute, die zumeist allein in ihrer Blechkiste sitzen, wie immer einfach schneller durchkommen? Hat der Respekt vor dem Leben und der Lebenszeit anderer gar keine Bedeutung mehr in unserem Stadtteil?
Ich bin sehr enttäuscht von den harschen Kommentaren einiger weniger Unbelehrbarer, die erst vom Autofahren in der Stadt lassen, wenn auch der letzte Eisberg geschmolzen ist. Ich wünschte, es würde auch weniger Poller brauchen, wenn sich die motorisierten “Gewalttäter” an Recht und Gesetz halten würden. Messer zücken wegen eines Parkplatzes? Unverständnis für alle, die sich umweltfreundlich mit BVG oder Fahrrad fortbewegen? Hass auskippen wegen einer Umweltspur? Wohin diese Entwicklung führt, sehen wir gerade in den USA. Für den Moment stelle ich fest: Das ist nicht mehr mein Wedding.
In der Müllerstr. gibt es keine! Busspur.
Die Markierung ist nur im Bereich der Haltestelle, da dort der Gehsteig verbreitert wurde und die Haltebucht damit nicht mehr vorhanden ist.
Die Busse müssen sich somit auch auf der einzigen verbliebenen Fahrspur durch den Stau quälen.
Das ist schon lange nicht mehr mein Wedding. Aber aus ganz anderen Gründen.
Traurig aber wahr, der Bericht. Ich wundere mich auch regelmäßig darüber, wieviel Strassenraum die Autos einnehmen. Wie oft nur eine Person im Auto sitzt. Es ist keine menschenwürdige Verkehrspolitik, wenn der Schwächere, wie Alte, Kinder oder einfach langsamere Teilnehmer nicht berücksichtigt werden. Einfach mal nur beobachten, ob sich Kinder im Weddinger Verkehr alleine sicher fühlen können. Ja?
Ich finde die Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der Radfahrer im Wedding (aber auch andernorts) prima. Bitte mehr davon!
hi,
wir müssen uns wohl vom Gedanken des “Gemeinwohls”, vom Gedanken, wir “achten auf andere”, ja vom Kantschen Imperativ entfernen und den Mechanismus einsetzen, den die nunmal kommerziallisierte Gesellschaft versteht: Geld regiert die Welt… also. MAutgebühren für die Stadt, automatische Verkehrsüberwachung mit Kameras, deutliche höhere Bussgelder, Führersperren, ggf. Fahrzeugbeschlagnahmung.
Vielleicht sollten wir alle mal lernen, aufeinander Rücksicht zu nehmen!
Die Autofahrer auf die Radfahrer, die Radfahrer auf die Fußgänger!
Alle benehmen sich leider zunehmend rücksichtslos!
Und das ist das größte Problem!
Weniger ich und mehr wir, wäre doch mal ein Anfang oder?
Also mit einem Blog hat diese pure Polemik nichts mehr zu tun. Ist ok, kann man machen, aber sich über “harsche Kommentare” enttäuscht zeigen, während man selbst gnadenlos überzeichnet, Dinge zusammenwirft, die nichts miteinander zu tun haben halte ich dann für schlicht wohlfeil und und ziemlich unredlich.
Danke, O. Lemke – dies war auch mein erster Gedanke!
Wäre man böswillig, könnte man sogar unterstellen, dass die aktuelle Verkehrspolitik der Grünen im Senat zu solchen Aktionen wie in der Böttgerstr. führt.
Je mehr Parkplätze entfallen und je mehr die Autofahrer in der vorliegenden Form (Bsp. Amrumer Str.) gegängelt werden, desto höher steigt auch das Aggressionspotenzial einiger Fahrer! Dass dies nicht akzeptabel ist, steht außer Frage – aber man schwadroniert doch immer über Ursachenbekämpfung! Fließender Verkehr und Schaffung von Parkraum wäre doch schon mal ein Anfang!
Hallo Jupp, das ist ein ziemlich kleingeistiger Kommentar, sowas kannst du doch sonst besser. Bestimmt ist es der Familie des Opfers ein Trost, dass die “Verkehrspolitik” schuld ist, nicht der Typ mit dem Messer.
“Wäre man böswillig…” Für diesen Kommentar sollten Sie sich schämen.
Wir brauchen außerdem nicht mehr Parkraum, sondern weniger Autos. Dann sind auch die vorhandenen Plätze mehr als ausreichend.
Wenn man nicht mal das kleine 1×1 der Berliner Politik beherrscht, sollte man vielleicht einfach mal seine Klappe halten. In welchem Senat sind denn gerade die Grünen? Wohl kaum in Berlin.
Durch Tempolimit, Busspuren, wegfallende Parkplätze und Poller sollen nicht “Autofahrer gegängelt”, sondern lediglich öffentliches(!) Straßenland einer anderen Nutzungsgruppe zur Verfügung gestellt werden. Da sieht man wieder die Anspruchshaltung von KFZ-Nutzern: Die Straße gehört mir, mir, mir – und wenn mal andere Leute ein bisschen von dem, was ich so selbstverständlich als mein naturgegebenes Recht anssehe, abbekommen, dann ist das der Untergang des Abendlandes.
Im übrigen, für alle Befürworter des fließendes Autoverkehrs: Der Stau seid ihr selber.
In unserer Wohnstraße im Brunnenviertel (Usedomer Straße) hält sich der Großteil der Fahrer nicht an die 30 km/h Grenze. Nachts wird die Straße zur Rennstrecke, in der hochmotorisierte Autos hin und her fahren und „Rockford-Bremsen“ üben. Eine diesbezügliche mail an die zuständige Abgeordnete des Bezirk blieb unbeantwortet.
Und leider treffen die oben geschilderten Zustände nicht nur auf den Wedding zu sondern auf alle Straßen Berlins. Autofahrer halten sich auch am Kudamm nicht an Geschwindigkeitsgrenzen, brettern rücksichtslos deutlich mehr als 50 km/h dort lang, überfahren rote Ampeln und bedrängen Radfahrer. (hier wären besonders auch Taxifahrer zu nennen, die die gemeinsame Busspur mit Radfahrern nutzen dürfen)
Deutschland ist Autoland und Berlin ist Autostadt. Da müsste ein Mentalitätswechsel auf allen Ebenen her, das halte ich derzeit für ausgeschlossen. Schade, Paris macht vor, wie es besser geht.
Wir müssen uns immer bewusst machen dass Autofahrer in Berlin eine Minderheit sind (33% aller Einwohner). Eine Minderheit die allen anderen extrem hohe Kosten verursacht, Schmutz und Staub verursacht, Raum wegnimmt, Lärm macht, krank macht, und jeden ganz direkt gefährdet, sogar und besonders parkend. Und alles betrifft doch auch sie selbst. Ich werde nie begreifen warum wir das als Gesellschaft einfach so hinnehmen. Diese Stadt könnte so lebenswert sein. Japan und die Niederlande machen es vor. Warum sind so viele gegen Lebensqualität? Warum verweigert man sich der belegten Erkenntnis das mehr Autoinfrastruktur nie zu mehr Entlastung führt sondern zu mehr Verkehr? Das kann wohl nur die Psychologie erklären.
Die Rücksichtnahme auf die Autofahrer ist aktiver Minderheitenschutz 😉 Ich wünschte nur, dass auf andere Minderheitne ähnlich acht gegeben würde.