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Schöne Kiezmomente:
Interview mit Diana Schaal aus dem Soldiner Kiez

3. Dezember 2022
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Hier ein wei­te­rer The­men­be­reich mei­ner Ü60-Kolum­ne: Wo gibt es die hel­fen­den Pro­blem­lö­ser in der Nach­bar­schaft? Wer teilt mit sei­nen Nach­barn öffent­lich Kul­tur, Kunst und Bildung?

Es gibt etli­che Men­schen im Wed­ding, wie auch in ande­ren Nach­bar­schaf­ten, die lang­jäh­rig Gro­ßes im Ehren­amt leis­ten. Man erkennt die­se nicht direkt, wenn man nichts dar­über weiß. Und man weiß nicht, was es für ori­gi­nel­le und lie­be­vol­le Ange­bo­te gibt, wenn man nicht ver­netzt in der Nach­bar­schaft ist oder die Lokal­zei­tun­gen stu­diert.
Nun­mehr stel­le ich dann und wann ehren­amt­lich täti­ge Ü60er aus dem Wed­ding vor und zudem Ü60-Wed­din­ge­rin­nen und Ü60-Wed­din­ger, deren Leben durch beson­de­re Pro­jek­te, die auch für den Wed­ding ange­bo­ten wer­den, geprägt waren und sind.

Dia­na Schaal bei einer his­to­ri­schen Kiez­füh­rung – Foto Mela­nie Stiewe

Dia­na Schaals Kul­tur­ange­bo­te im Sol­di­ner Kiez

Dia­na Schaal, Anfang der 1960er in Stutt­gart gebo­ren und auf­ge­wach­sen, lebt seit 1996 in Ber­lin-Gesund­brun­nen, im Sol­di­ner Kiez. Sie ist nicht nur dort bekannt für ihre Kul­tur­ange­bo­te und Kiez­füh­run­gen, son­dern auch über den Stadt­teil hin­aus. Wir spra­chen gemein­sam über die­se Events, die sie regel­mä­ßig ehren­amt­lich anbietet.

Frau Schaal, wie kamen Sie auf die Idee, so viel­fäl­ti­ge Events, his­to­ri­sche und regio­nal bezo­ge­ne, anzubieten?

Es ging los Ende der 2000er Jah­re. Ich hat­te damals und habe heu­te noch Freun­de und Freun­din­nen im Sol­di­ner Kiez Ver­ein. Dadurch bin ich in die Akti­vi­tä­ten des Ver­eins hin­ein­ge­wach­sen. Mei­ne Ver­eins­freun­din Kers­tin Kaie hat­te 2007 einen Baye­ri­schen Abend für die Nach­ba­rin­nen und Nach­barn im Sol­di­ner Kiez organisiert.

Daher kam ich im Jahr 2009 auf die Idee, einen Schwä­bi­schen Abend zu ver­an­stal­ten. Wir boten schwä­bi­sche Spe­zia­li­tä­ten an, und ich erläu­ter­te typisch schwä­bi­sche Phä­no­me­ne in einem Licht­bild-Vor­trag. Ein klei­nes selbst­ge­strick­tes Büh­nen­pro­gramm, bei dem Wal­traud Köh­ler, mei­ne Lands­män­nin, die Deko und Kos­tü­me mach­te, run­de­te den Abend ab.

Dar­auf folg­te noch im sel­ben Jahr ein Japa­ni­sches Fest, wie­der mit Licht­bild-Vor­trag über lan­des­ty­pi­sche Beson­der­hei­ten, japa­ni­schen Spe­zia­li­tä­ten, Deko und Büh­nen­pro­gramm, die­ses Mal mit japa­ni­scher Tän­ze­rin und Koto-Spie­le­rin. Die japa­ni­sche Kul­tur ist schon län­ge­re Zeit ein spe­zi­el­les Inter­es­se von mir.

Wie ging es dann weiter?

Ich inter­es­sie­re mich außer­dem für Gru­sel­li­te­ra­tur, z.B. Edgar Allan Poe, und mir liegt Lite­ra­tur von Frau­en am Her­zen. So fing ich 2010 an, Lesun­gen zu ver­an­stal­ten, mit Licht­bil­dern und Musik.

2013 habe ich dann im Put­ten­saal unse­rer Stadt­bi­blio­thek am Lui­sen­bad einen ers­ten his­to­ri­schen Licht­bild-Vor­trag zum Sol­di­ner Kiez gehal­ten. Dr. Olaf Kap­pelt schlüpf­te an die­sem Abend in das Kos­tüm Fried­richs des Gro­ßen, denn die­ser hat die sog. Kolo­nie hin­ter dem Gesund­brun­nen gegrün­det, den his­to­ri­schen Vor­läu­fer des Sol­di­ner Kiezes.

Dia­na Schaal beim Inter­view Ende Novem­ber 2022 – © Rena­te Straetling

Wann began­nen die his­to­ri­schen Kiezführungen?

Über die­sen Licht­bild-Vor­trag kam 2014 die ers­te his­to­ri­sche Kiez­füh­rung zustan­de – durch den Sol­di­ner Kiez. Ich woll­te den Bewohner/innen des Sol­di­ner Kiezes des­sen Geschich­te auf mög­lichst anschau­li­che Wei­se näher­brin­gen. So hat sich das Gan­ze ent­wi­ckelt, da kam eins zum anderen.

Wie steht die­se lebens- und orts­na­he Kul­tur­ar­beit in Ver­bin­dung mit Ihrem Stu­di­um der Politikwissenschaft?

Als Poli­tik­wis­sen­schaft­le­rin bin ich für sozia­le Ungleich­heit sen­si­bi­li­siert. Des­halb habe ich mich dazu ent­schlos­sen, als Bewoh­ne­rin die­ses benach­tei­lig­ten Stadt­teils für des­sen Bewohner/innen etwas Berei­chern­des zu schaf­fen – näm­lich Schö­ne Kiezmomente.

Ich wün­sche mir, dass die Besucher/innen mei­ner Ver­an­stal­tun­gen für sich etwas Berei­chern­des dar­aus mit­neh­men: Licht­bil­der und Fotos sol­len die vor­ge­tra­ge­nen Inhal­te anschau­lich machen, Musik soll sie emo­tio­nal unter­strei­chen. Mit tro­cke­nen Fach­vor­trä­gen in unver­ständ­li­cher aka­de­mi­scher Spra­che, die nur von weni­gen Men­schen ver­stan­den wird, habe ich nichts im Sinn.

Es gibt in Ber­lin, und beson­ders im Sol­di­ner Kiez, vie­le finanz­schwa­che Menschen.

Und gera­de die­sen Men­schen möch­te ich den Zugang zu gehalt­vol­len Kul­tur­ver­an­stal­tun­gen ermög­li­chen. Des­halb ist der Besuch mei­ner Ver­an­stal­tun­gen und Füh­run­gen kostenlos.

Sie sind seit 2021 auch im Vor­stand des Kirch­bau­ver­eins der Ste­pha­nus­kir­che im Sol­di­ner Kiez. Ist zu erwar­ten, dass die Kir­che ein Kul­tur­ort wer­den wird?

Es gab im neu­en Jahr­tau­send immer mal wie­der Anläu­fe dazu. Wir hof­fen, dass es uns jetzt gelingt, die Ste­pha­nus­kir­che lang­fris­tig zu einem Kul­tur­ort zu machen, der auch für die Nach­ba­rin­nen und Nach­barn aus dem Sol­di­ner Kiez zugäng­lich bleibt.

Was ist Ihr beson­de­res Ver­hält­nis zu den his­to­ri­schen Themen?

Geschich­te hat mich schon immer inter­es­siert, denn sie ist nicht zuletzt das Ergeb­nis von Poli­tik in der Vergangenheit.

Beson­ders span­nend fin­de ich die Lebens­be­din­gun­gen der Men­schen in frü­he­ren Zei­ten – vor allem, da wir uns hier in einem ehe­ma­li­gen Arbei­ter­be­zirk, dem sog. Roten Wed­ding, befinden.

Manch­mal ist auch die ein oder ande­re Anek­do­te über ein gekrön­tes Haupt, einen Indus­trie­boss oder einen his­to­ri­schen Pro­mi ganz lustig. 

Wie konn­ten Sie sich bei Ihren Ver­an­stal­tun­gen mit dem Ver­ein Sol­di­ner Kiez e.V. verbinden?

Es half natür­lich, dass ich eng mit Tho­mas Kili­an befreun­det bin, der bereits 2009 Kas­sen­wart des Sol­di­ner Kiez e.V. war. Doch auch ande­re akti­ve Ver­eins­mit­glie­der wie Wal­traud Köh­ler und Kers­tin Kaie haben mich bei mei­ner Arbeit im Rah­men des Sol­di­ner Kiez e.V. immer sehr stark unterstützt.

Ich den­ke, die meis­ten Akti­ven im Ver­ein sehen mei­ne Ange­bo­te als kon­ti­nu­ier­li­che und ideen­rei­che Berei­che­rung der Ver­eins­ar­beit. Seit 2015 mache ich auch immer wie­der bei den Som­mer­aus­flü­gen des Sol­di­ner Kiez e.V. Füh­run­gen durch his­to­ri­sche Orte.

Änder­ten sich Ihre Akti­vi­tä­ten und Schwerpunkte?

Bestimm­te Schwer­punk­te waren ja schon immer Bestand­tei­le mei­nes Pro­gramms: Stadt(teil)geschichte in Form von Licht­bild-Vor­trä­gen und Füh­run­gen, Japan, Lite­ra­tur von Frau­en und Gru­sel­li­te­ra­tur. Die wer­de ich auch wei­ter­hin beibehalten.

In den nächs­ten Jah­ren möch­te ich bei den Autor/in­nen-Lesun­gen noch ein paar mehr männ­li­che Autoren vor­stel­len, so Theo­dor Fon­ta­ne, den Frei­herrn von Knig­ge und Fried­rich den Großen.

Bei den Japan-Ver­an­stal­tun­gen sind neben Licht­bild-Vor­trä­gen zur Kul­tur des Lan­des mehr Lesun­gen geplant, und zwar sowohl Autor/in­nen-Lesun­gen als auch The­men-Lesun­gen mit Tex­ten von meh­re­ren Autor/innen zu einem Thema.

Dia­na Schaal bei einer Stadt­füh­rung
im Niko­lai­vier­tel – Foto Simo­ne Schaal

Die his­to­ri­schen Kiez­füh­run­gen waren zuerst nur im Gesund­brun­nen und Wed­ding angesiedelt.

Doch inzwi­schen bie­te ich auch wel­che in ande­ren Stadt­tei­len an, z.B. in Moa­bit, Rei­ni­cken­dorf, Tegel und in der Innen­stadt. Ich habe mich damit sozu­sa­gen wie eine Kra­ke in Ber­lin aus­ge­brei­tet (grinst).

Stim­men Sie sich bei den Ver­an­stal­tun­gen im Sol­di­ner Kiez mit ande­ren Akteu­ren ab?

Ja, durch­aus, denn schließ­lich wird für die Licht­bild-Vor­trä­ge und mei­ne Lesun­gen ein gro­ßer Raum benö­tigt, wo man auch die nöti­ge Tech­nik anschlie­ßen kann. Dabei arbei­te ich in der Regel mit der Nach­bar­schafts­Eta­ge Fabrik Oslo­er Stra­ße zusammen.

Sie über­las­sen mir für mei­ne Ver­an­stal­tun­gen kos­ten­los den Saal, um wei­ter­hin ein gewis­ses Kul­tur­pro­gramm im Haus zu haben, da sie vor eini­gen Jah­ren ihren Schwer­punkt auf Fami­li­en­ar­beit ver­la­gert haben.

Bei den Lesun­gen habe ich seit Jah­ren einen mehr oder weni­ger fes­ten Kreis an Vorleser/innen.

Bei his­to­ri­schen Kiez­füh­run­gen bekom­me ich manch­mal Auf­trä­ge von Pro­jekt­trä­gern aus Quar­tiers­ma­nage­ment-Gebie­ten. Für die­se Pro­jekt­trä­ger stel­le ich dann aus bereits vor­han­de­nem Mate­ri­al eine maß­ge­schnei­der­te his­to­ri­sche Kiez­füh­rung zusam­men und füh­re sie selbst durch. Dafür bekom­me ich ein Honorar.

Haben Sie wei­te­re Ideen für The­men und Projekte?

Ich habe Ideen, die noch für meh­re­re Jah­re Pro­gramm rei­chen! (grinst)

Natür­lich haben die zwei Jah­re Coro­na-Pan­de­mie 2020 und 2021 die Schö­nen Kiez­mo­men­te ziem­lich zurück­ge­wor­fen: Lesun­gen und Licht­bild-Vor­trä­ge muss­ten ver­scho­ben wer­den. 2022 konn­ten alle Ver­an­stal­tun­gen dann wie­der wie geplant stattfinden.

Unbe­dingt in den 2020er Jah­ren möch­te ich noch die Lesung mit Gedich­ten ver­schie­de­ner Autoren aus dem Ber­lin der 1920er Jah­re anbie­ten. Ich möch­te die vie­len Ber­li­ner Schlös­ser in Licht­bild-Vor­trä­gen vor­stel­len, und das viel­fäl­ti­ge Werk von Karl Fried­rich Schinkel.

Und außer­dem habe ich natür­lich noch etli­che his­to­ri­sche Kiez­füh­run­gen in der Schublade!

OUTRO

Die Kul­tur­ver­an­stal­tun­gen von Dia­na Schaal fin­den Sie auf www.schoene-kiezmomente.de.

Gespräch, Text © Rena­te Straetling

Renate Straetling

Jg 1955, aufgewachsen in Hessen; ab 1973 Studium an der FU Berlin, Sozialforschung, Projekte und Publikationen.
Selfpublisherin seit 2011
www.renatestraetling.wordpress.com
Im Wedding seit 2007.
Mein Wedding-Motto:
Unser Wedding: ein großes lebendiges Wimmelbild ernsthafter Menschen!

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