Fast 20 Personen waren zur Lesung am 19. April ins Prima Center in der Biesentaler Straße gekommen, die an die im Jahr 2019 verstorbene Dichterin und Schriftstellerin Dorothee Neserke-de la Haye erinnerte. Dorothee Neserke (1944 bis 2019) lebte im Soldiner Kiez, war eine Freundin aus dem Soldiner Kiez e.V. Sie schrieb Lyrik z. B. in ihrem Lyrikband „Zartbitter und ein Märchen“ (1994), ein Kindertheaterstück „Noahs Arche“, das 1995/1996 uraufgeführt wurde, bereicherte Anthologien und war im Vorstand der Neuen Gesellschaft für Literatur) NGL.
Nach der einleitenden Musik von Erik Satie kam zunächst Ilia Kitup zu Wort. Ilia Kitup, der in seinem Propeller Verlag das Buch „Dinge“ (2023) mit sieben Kurzgeschichten aus dem Nachlass von D. Neserke veröffentlichte, kündigte an, in 2024 ein weiteres Buch mit Werken von D. Neserke zu publizieren. Als einleitender Redner bemerkte er, dass Dorothee Neserke eine Frau mit Statur und Manieren gewesen sei. Sie habe ihr Leben mit Literatur und Kultur verbracht. In seinem Magazin GAF Der GAlaktische Futurist habe er Frau Neserke mit weiteren drei Geschichten aufgenommen. In 2009 gab es ein Literaturfestival, die in der Kreuzberger Buchhandlung Nimmersatt stattfand, wo er die Lesung von Dorothee Neserke aufzeichnete, die an diesem Abend im zweiten Teil der Veranstaltung gezeigt wurde.
Thomas Brauckmann und Waltraud Köhler vom Soldiner Kiez e.V. begannen die Lesung mit Kurzgeschichten aus dem Bändchen von Ilia Kitup wie Der Fisch, Der Wein oder auch Die Litfaßsäule, Die Vase. Was sich zunächst simpel und bloß anhört, als ginge es wie der Buchtitel schon sagt, nur um Dinge, entspinnt sich in den Geschichten als involvierter Blick auf Begebenheiten zwischen Menschen in unserer heutigen Zeit und dabei oft verbunden mit dem abrupten Verlassen der Handlung, womöglich um mit Fassung, die auf den ersten Blick nicht erkennbare Widersinnigkeit und auch Grobheit des Beisammenseins in den Raum zu stellen. Sie beschreibt Verhärtungen zwischen und gegen Menschen, die man erst nach dem Nachwirken begreift, wenn solche hart konturierten Ausschnitte ohne regenwarmen Ausklang aus dem Leben erzählt werden wie sie es tut.
Das Gedicht „Crescendo“ hat bei den Zuhörer*innen atemberaubende Wirkung gezeigt, es geht um die Nacht und all das, was die Nacht verspricht und einbehält. Auch „Der Baumstumpf“ ein eindrückliches knappes Textstück, das mit „ … wo ich jetzt lebe ist mein Grab“ endet und eine trotz allen Sterbens eine noch im Leben stecken bleibende makabere Zäsur des Daseins bekräftigt.
Weiterhin sind es Paula Balov und ihre Mutter, die eine Lesung aus ihrem Literaturfestivalbeitrag im Jahr 1998 in Mazedonien lesen. Es ist ein Taschenbuch in sprachlich dualer Fassung, das es nicht mehr zu kaufen gibt und von den Balovs gehütet wird. Sie war der Familie gut bekannt, man war viele Jahre befreundet und Paula, die Tochter, damals noch Schülerin, profitierte von Frau Neserkes guten Sprachkenntnissen in Französisch, als es um gute Schulnoten ging
Wie Thomas Brauckmann zum Ende der Veranstaltung anmerkte, gebe es guten Grund, mittlerweile eine „Ahnengalerie“ für den Soldiner Kiez anzulegen, die aus einer Fotogalerie der mittlerweile verstorbenen aktiven Anwohner*innen bestehen soll.
Text und Fotos © Renate Straetling