Ist die Seele Berlins verhandelbar? Der schwedische Immobiliengigant Heimstaden AB hat vor kurzem in Berlin 4.000 Wohnungen für 800 Millionen Euro gekauft. In dem Kaufpaket, von dem im Wedding 18 Objekte betroffen sind, ist auch das Geburtshaus des berühmtesten Weddinger Sohnes Harald Juhnke enthalten. Für die Mieterinnen und Mieter in der Stockholmer Straße ist der Verkauf ihres Wohnhauses ein Schock. Nun bleibt nicht mehr viel Zeit. Die Betroffenen fordern den Bezirk Mitte auf, die Genehmigung des Verkaufes an die Schweden zu verweigern.
Die Seele des Wedding
Das Geburtshaus von Harald Juhnke steht in der Stockholmer Straße 28⁄29 und liegt im Milieuschutzgebiet „Soldiner Kiez.“ “Wir finden es unmöglich, dass das Harald ‑Juhnke-Geburtshaus nun als Spekulationsobjekt herhalten soll. Es fühlt sich an, als würde Berlin seine Seele verkaufen!”, schreiben uns die Mieterinnen Isabel (32) und Anna (36). Der Ur-Berliner Harald Juhnke habe sich eigenständig hochgearbeitet zu einem großartigen Entertainer. Der Soldiner Kiez ist aber immer einer der ärmsten Gegenden Berlins geblieben. Nachvollziehbar ist: “Als Hausgemeinschaft verfügen wir nicht über die nötigen Mittel, das Haus selbst zu kaufen – es hat auch niemand kürzlich im Lotto gewonnen”, so die Sprecherinnen der Hausgemeinschaft.
Die Uhr tickt: Der Bezirk hat in Milieuschutzgebieten nur einen Monat lang Zeit, die Genehmigung des Verkaufs zu verweigern. Fast der gesamte Wedding gehört zu einem der Milieuschutzgebiete. Das Wort Milieuschutz bezeichnet eine Regelung des Baugesetzbuch im § 172. In der Fachsprache wird von sozialer Erhaltungsverordnung gesprochen. Der § 172 sieht nur begrenzte Einflussmöglichkeiten für den Bezirk vor. Im Wesentlichen geht es dabei um den Genehmigungsvorbehalt des Verkaufs durch den Bezirk. Der Bezirk hat ein Vorkaufsrecht, das er an eine städtische Wohnungsbaugesellschaft abtreten kann. Wenn der neue Eigentümer das verhindern will, kann er eine Abwendungsvereinbarung abschließen, um die Ziele des Milieuschutzes zu sichern.
“Ich lebe gern hier, weil ich so tolle Nachbarn habe, weil der Soldiner Kiez so schön divers ist und auch bleiben soll. Eine lebendige Stadt muss für jeden finanzierbar sein (Stimme aus der Stockholmer Straße)
In der Torfstraße organisieren sich ebenfalls Betroffene
Die Mieter:innen der Torfstraße 18 haben sich – wie viele andere Hausgemeinschaften im Wedding und auch in Moabit – ebenfalls organisiert. Bei ihnen greift das Vorkaufsrecht dem Vernehmen nach bis zum 23. November. “Wir Mieter:innen kritisieren den Kauf, da er potenziell die Verdrängung der Mieter:innen dieser Häuser bedeutet”, schreiben die Aktivisten. Vor allem kritisieren sie Luxussanierungen und befürchten das Umwandeln in Eigentumswohnungen, Mieterhöhungen, unnötige Sanierungen oder Abfindungen etc., um einen Leerstand von Wohnräumen zu erreichen. Sie fordern die Politik auf, das Vorkaufsrecht durch einen gemeinwohlorientierten Dritten ausüben zu lassen. Der Ertragswert sollte sich nicht an Spekulationspreisen orientieren. Auch könnte der Senat Zuschüsse zur Verfügung stellen, damit sozialverträgliche Gesellschaften oder Genossenschaften zum Zuge kommen. Die Umwandlung in Eigentumswohnungen könnte generell verboten werden.
Wir lieben unser Haus an der Panke – und wir wollen hier in einer Mietsicherheit leben können, die wir uns auf Dauer finanziell leisten könnenn (Stimme aus der Stockholmer Straße)
Auch die Mieter:innen aus der Stockholmer Straße würden sich wünschen, dass sie nicht bei Heimstaden wohnen müssen. Zu schlecht ist der Ruf, der diesem profitorientierten Unternehmen vorauseilt. “Das heißt konkret, wenn sich eine Genossenschaft oder städtische Wohnungsbaugesellschaft finden würde, die unser Haus kauft, könnten wir den Reißzähnen dieses Haies entgehen!” Denn sie finden: Ihr Haus ist der perfekte Querschnitt von Berlin. Darin leben Zugezogene, Alteingesessene und Bewohner:innen, die teilweise schon seit 65 Jahren hier leben und nie woanders gewohnt haben.
Am Samstag findet eine zentrale Demo statt. Mehr Infos hier.
Bei allem Verständnis für die Situation und dem unsäglichen Verkauf an diese Firma… Das nun das Haus von H. Juhnke „betroffen“ ist, ist VÖLLIG egal! Die betroffen aktuellen Bewohner sind doch viel schlimmer dran…