„Als ich Harry Potter gelesen habe, da hat sich so eine neue Welt geöffnet! Da muss ich gleich anfangen zu weinen!“, erzählt Bianca Limbach, eine Nachbarin des SprengelHaus, „das war mein allererster Roman“. Bianca hat mit Mitte Zwanzig noch einmal „so richtig“ lesen und schreiben gelernt. Sie gehörte damit zu den über 6,2 Mio Erwachsenen in Deutschland, die gering literalisiert sind, so der Fachbegriff. Heute informiert und sensibilisiert sie als Dozentin, unter anderem im Grundbildungszentrum (GBZ) Berlin, zu diesem Thema. Am 26. April steht sie Interessierten für Fragen persönlich zur Verfügung.
Geringe Literalität meint, dass Erwachsene, die, nachdem sie eine Schulausbildung durchlaufen haben, zu einem bestimmten Level lesen und schreiben können – eben nur nicht „so richtig“. Dieses Level wird noch einmal unterschieden von der Wortebene bis zum Lesen, Schreiben und Verständnis von längeren Texten.
Bianca studierte nach dem Abitur Diplom Pädagogik mit Schwerpunktaußerschulische Jugend- und Erwachsenenbildung in Berlin. Sie hat als Studentin im AOB (Arbeitskreis Orientierungs- und Bildungshilfe) e. V. einem Kurs zum Lesen und Schreiben für Akademiker*innen besucht. Heute ist sie als Eventmanagerin, als Selbständige Ringana-Partnerin sowie Gründerin von Ökolution tätig – und „das Verrückte ist, dass ich inzwischen auch bei anderen Texten Rechtschreibkorrekturen mache!“.
Du hast Abitur gemacht und studiert. Wie war deine Schulzeit?
„In Diktaten hatte ich meist 5 und 6 als Schulnoten. Inzwischen weiß ich, dass ich ein visueller Typ bin. Also Worte, die ich kannte, konnte ich mir als Schriftbild merken und richtig schreiben. Damit war ich „zu gut, um ganz aufzufallen“. Nachdem eine Klassenlehrerin auf mich aufmerksam wurde, war ich schon zu gut für einen Test. Also wurde keine Schwäche, Fördermöglichkeit festgestellt und ad acta gelegt. Beim erneuten Lehrerwechsel bin ich „so im allgemeinen Fahrwasser untergegangen“. Wenn ich z.B. etwas vorlesen musste, hat eine Freundin von mir die Souffleuse gespielt! Ich kann aber auch nicht sagen, dass es so „Lernbremser*innen“ in meiner Klasse gab, das wäre vielleicht sogar besser gewesen! Nachhilfe hatte ich in Mathe und Englisch, aber nicht in Deutsch – das hätten meine Eltern nicht eingesehen! Ihre Einstellung war, dass man als Deutsche deutsch lesen und schreiben kann! Weil mündliche und schriftliche Leistung zu einer Note zusammengezogen wurde, hatte ich immer einen guten Mittelwert, war nie versetzungsgefährdet. Mündlich war ich immer gut beim Unterricht dabei! Man muss Kinder spezieller an die Hand nehmen. In Kleingruppen Förderunterricht!“
Möchtest du etwas über dein Elternhaus erzählen?
„Meine Eltern sind deutsch ohne Migrationshintergrund, deutsch ist meine Muttersprache. Meine Eltern haben einen einfachen Bildungshintergrund, meine Mutter hatte keine weiteren Bildungsambitionen. Für sie wie für mich sollte gelten: Bianca wird Hausfrau, heiratet, wird vom Ehemann versorgt. Ein hoher Schulabschluss ist für eine Frau kein Thema. Ich hatte schon früh so das Gefühl, dass meine Eltern aus einfachen Verhältnissen kommen.“
Wie war es im Studium für dich?
„Ich habe als studentische Hilfskraft gearbeitet und im Auftrag meines Professors wurde ich von einer anderen Hilfskraft auf meine geringe Literalität angesprochen. Es hat aber dann auch ein halbes Jahr gedauert, bis ich mich dann tatsächlich angemeldet habe beim AOB! Ich musste natürlich viel lesen, Fachliteratur. Für mich war lesen Wissensaufnahme, nicht ein Vergnügen!“
Wie hast du im AOB noch einmal besser lesen und schreiben gelernt?
„Im AOB haben wir kreativ geschrieben, nicht nur das reine Schreiben! Beim Schreibenlernen wurden Fehler pro Zeile am Rand angestrichen und dann muss man den Fehler selbst finden. Das ist die geilste Methode, sich tiefer gehend zu beschäftigen! Das ist eine Schwäche, die ich wahrscheinlich nicht ganz los werde, aber das ist ja auch nicht schlimm! Ich bin so stolz darauf, dass ich es noch einmal gelernt habe! Es ist als Erwachsene*r aber wirklich schwerer! Es ist wie eine Fremdsprache, lesen und schreiben hat was mit lernen zu tun! Das muss gut vermittelt werden!“
Lernen Sie Bianca kennen!
Wenn Sie mehr über Biancas Geschichte erfahren wollen, sprechen Sie mit ihr 😊! Am Di, 26. April wird es eine Öffentlichkeitsaktion mit Bianca vor dem Offenen Treffpunkt geben. Beachten Sie bitte die Aushänge am Nachbarschaftsladen!
Beratung zu Lesen, Schreiben, Rechnen im SprengelHaus
Kommen Sie gerne in die Beratung in den Offenen Treffpunkt SprengelHaus. Sie ist donnerstags, 10–12 Uhr, ohne Anmeldung und kostenlos. Der Treffpunkt ist in der Sprengelstraße 15, 13353 Wedding.
Ansprechpartnerin ist: Alyssa Schmid, [email protected], 030 45977308
Text: Alyssa Schmid