Heute vor 13 Jahren wurde durch einen simplen Klick ein kleiner Blog, in dem ich einige persönliche Beiträge über meinen damaligen Wohnkiez veröffentlicht hatte, in „Weddingweiser“ umbenannt. Konnte ja keiner ahnen, dass das ein Erfolg werden würde.
Nur über meinen neuen Kiez, das Afrikanische Viertel, zu schreiben erschien mir damals zu wenig. Das, was ich zu sagen hatte, traf nämlich auch auf viele andere Teile des Wedding zu. Eine – zumindest gefühlt – recht hohe Lebensqualität, viele oft nur Einheimischen bekannte Grünflächen mit wunderschönen Landschaftsparks und Gewässern und eine bunte, dennoch ziemlich einträchtig zusammenlebende Bewohnerschaft – das machte für mich den Wedding aus. Trotzdem rümpften Menschen, denen ich von meinem Stadtteil erzählte, sofort die Nase: “Der Wedding, da wohnst du freiwillig?” Irgendwie passte diese Einschätzung nicht mit dem zusammen, was ich im Stadtteil tagtäglich erlebte. Es war ein Gegensatz zu dem Bild, das andere vom Wedding hatten, teilweise ohne ihn näher zu kennen.
Das erste Logo von 2011
Dem etwas entgegenzusetzen war mein Antrieb. Bei näherer Betrachtung fand ich auch einige kleine Juwelen, die bis dahin kaum jemand kannte. Fast immer waren diese Orte mit Menschen verknüpft, die eine tolle Kunst ausübten – oder auch einfach eine gute Geschäftsidee hatten. Nur war ihre Ortswahl „Wedding“ mit einer Art Makel verbunden. Ich dachte mir: “Das kann doch nicht nur mir so gehen!” Ich wollte das alles aufschreiben und in die Welt hinaustragen!
Erstaunlicherweise sahen das viele andere auch so. Die Seite Weddingweiser wuchs schnell an, auch dank sozialer Netzwerke, wo ich ab Dezember 2011 aktiv war. Ob Facebook oder Twitter, später auch Instagram – immer stieß die Idee, den Wedding von einer unerwarteten, nämlich von der schönen Seite, zu zeigen, auf großen Zuspruch. Der Weddingweiser hatte einen Nerv getroffen!
Es dauerte aber lange, bis aus Zuspruch und Begeisterung auch eine Mitmach-Plattform wurde. Doch mit einem Kernteam aus überwiegend jungen Weddingerinnen und Weddingern, die Lust aufs Schreiben oder Mitbestimmen der Entwicklung des Blogs hatten, begann der Weddingweiser zu einem größeren Projekt anzuwachsen. Zunächst musste die lose Redaktionsgruppe, bei der nur wenige Mitglieder über journalistische Erfahrung verfügten, über die geeignete Rechtsform diskutieren. Denn immer mehr machte sich das Gefühl breit, dass wir etwas geschaffen hatten, was schützenswert war.
Am Ende wurde es statt eines Vereins oder einer Genossenschaft dann die “Weddingweiser UG”, also eine kleine Firma mit einem aus der Redaktionsgruppe als unbezahltem Geschäftsführer. Ausschlaggebend für diese Entscheidung war auch der Wunsch, von öffentlichen Geldern unabhängig zu sein. Dafür kann der Weddingweiser aber kleine Einnahmen generieren – durch den Verkauf von Merchandising-Produkten, das Sammeln von Unterstützungsgeldern und Spenden. Das finanziert die Kosten für den täglichen Betrieb und bleibt dabei ein von privaten Personen getragenes Projekt, das unabhängig von öffentlichen Zuwendungen ist. Statt dessen wird es von vielen privaten Unterstützerinnen und Unterstützern getragen. Der Weddingweiser ist somit keiner Bezirksbehörde gegenüber rechenschaftspflichtig. Dadurch, dass im Gegensatz zu den meisten sonstigen Kiezmedien bei uns keine öffentlichen Gelder im Spiel sind, lebt das Projekt fast ausschließlich von ehrenamtlichen Arbeiten.
Für uns als Online-Medium ist entscheidend, dass wir durch die Unterstützung der IT-Firma eines Mitglieds unseres Projekts keine Kosten für technische Arbeiten und Dinge wie SEO, Hosting oder Administration haben. Natürlich gibt es trotzdem Kosten für Newsletter-Versand, Buchhaltung oder auch Beiträge der IHK. In der Vergangenheit mussten wir zum Glück nur für wenige Tätigkeiten Honorare zahlen – dazu zählten vor allem Dinge wie Beitragskoordination und Berichterstattung aus der Bezirkspolitik. Im Moment bezahlen wir nur noch für die Pflege des Veranstaltungskalenders, ein Produkt, das immer häufiger genutzt wird und inzwischen die wichtigsten Veranstaltungen im gesamten Stadtteil abdeckt.
In 13 Jahren ist viel passiert. Auch der Wedding hat sich verändert. Was aber gleich geblieben ist, ist der Geist, der von Anfang an beim Weddingweiser vorgeherrscht hat: Es gibt keine redaktionellen Vorgaben, nur die Motivation der einzelnen Autorinnen und Autoren zählt. Auch dafür wurden wir 2023, mit der Unterstützung von euch Leserinnen und Lesern, von einer unabhängigen Jury beim Preis „Goldene Blogger“ (als bisher einzige lokaljournalistische Plattform) ausgezeichnet.
Was auch zur Wahrheit gehört: Mitstreiterinnen und Mitstreiter kommen immer wieder neu hinzu, viele gehen aber auch, manche nach nur einem Artikel, andere nach vielen Jahren. Nicht alle kommen mit unserer losen und dezentralen Organisationsstruktur, ohne professionelle Chefredaktion, zurecht. Doch der Erfolg gibt uns Auftrieb: In diesem Jahr erreichen wir, nach zuletzt starkem Wachstum, erstmals die Marke von 1 Million Zugriffen auf den Blog.
Das hätte ich beim besten Willen nicht erwartet, vor 13 Jahren, als ich auf der Tastatur an der entscheidenden Stelle klickte. Das “Kind” Weddingweiser wird heute zum Teenager. Das macht mich stolz. Und ich sage Danke an alle, die mitgemacht haben, an alle, die heute noch an Bord sind, und an alle treuen Fans sowie euch als Leserinnen und Leser – vom Plötzensee bis zum Brunnenviertel, oder wo auch immer uns lest.
Fotos von virtuellen und Redaktionssitzungen in Präsenz von 2011 bis heute:
Ich hatte Weddingweiser durch Zufall entdeckt und kann vieles bestätigen. Seit ca. 5 Jahren unterstütze ich auch finanziell. Ich lebe hier seit 1973 und muss aber sagen, dass sich der Wedding nicht zum Besseren verändert hat.
Herzlichen Glückwunsch und vielen Dank! Seit Jahren genieße ich immer wieder wie vielfältig und interessant ihr „unseren“ Wedding beleuchtet!
happy birthday and congrats!
Das schönste und herzerwaermenste Projekt, das ich seit 1973 in dieser Stadt fuers Leben vor Ort und zum Teilen und lokalen Verstaendigen jemals kennenlernte und miterleben konnte!
Möge aus dem Kind und Jugendlichen “weddingweiser” ein lässiger Erwachsener werden!
Gratulation und auf die nächsten 13 Jahre!